Das Management will neue Billigairlines aus dem Boden stampfen, die in Europa und auf der Langstrecke Marktanteile sichern sollen - den 5400 Piloten ist das ein Graus. Sie fürchten nach Aussagen eines Gewerkschaftsinsiders, dass die Lufthansa sich in Experimenten verrennt. Stattdessen solle das Geld in den Ausbau des Services und die eigenen Mitarbeiter investiert werden.

Im Kern geht es um die Frage, wer eigentlich das Sagen hat in dem Konzern mit seinen 120.000 Mitarbeitern. "Das Lufthansa-Management sagt sich derzeit: Wir müssen in der Lage sein, unternehmerische Entscheidungen zu treffen, auch wenn wir damit die Pilotengewerkschaft herausfordern", betont ein ranghoher Konzerninsider. Der Preis dafür: Seit dem Scheitern der Tarifrunde Ende August streikten die Piloten drei Mal, den jüngsten Ausstand sagten sie allerdings kurzfristig ab. Ende der Woche wird nun weiter verhandelt.

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"WINGS" OF CHANGE

Dem Umbau verschreibt sich Spohr seit seinem Amtsantritt vor gut vier Monaten mit großem Elan. Im Juli legte er Pläne vor, wie die Lufthansa im hart umkämpften Geschäft in Europa gegen Rivalen wie Ryanair und auf den Interkontinental-Strecken im Wettbewerb mit der Golf-Airline Emirates punkten will. "Wir wollen nicht zu den Getriebenen, sondern zu den Treibern in der Branche gehören", sagte er seinerzeit. Kernpunkte sind neue Billigplattformen: Eurowings für den Kurzstrecken-Verkehr in Europa, daneben ein weiterer Ableger für die Langstrecke, der auch unter der Wings-Marke fliegen soll. Gelockt werden sollen damit vor allem knauserige Privatreisende sowie Chinesen und Inder, die sich normale Lufthansa-Flüge noch nicht leisten können.

"Spohr will dem ganzen Unternehmen beweisen, dass die Lufthansa Wachstumschancen hat", sagt die mit den Planungen vertraute Person. Denn zuletzt blieben vom Umsatz im Passagiergeschäft aller Konzern-Airlines operativ nur 2,6 Prozent an Gewinn übrig. Daher sollen die geplanten Ableger mit bis zu 40 Prozent niedrigeren Kosten als die Kranich-Linie selbst fliegen. Einer der wichtigsten Bausteine dafür: Die Airlines operieren aus dem Ausland heraus.

Insgesamt sei das eine normale strategische Überlegung, die viele Unternehmen anstellten, sagt Gerald Wissel von der Luftfahrt-Unternehmensberatung Airborne. Allerdings sei eine Verlagerung ins Ausland bei einem Dienstleistungskonzern wie der Lufthansa bedeutend schwieriger. Zudem müsse sich die Lufthansa fragen: "Wieviel Sinn ergibt es, viele verschiedene Plattformen zu haben, die alle mehr oder weniger das gleiche machen, aber jeweils eigene Verwaltungen, IT- und Marketingabteilungen haben?" Das derzeitige Konzernkonstrukt mit Auslandstöchtern wie Swiss oder Austrian und einer Beteiligung an Brussels Airlines sei bereits sehr kompliziert.

Zudem war das Timing des neuen Billigkonzepts Insidern zufolge entweder unglücklich - oder möglicherweise genau so beabsichtigt. "Wings ist für die Piloten eine Provokation", sagt ein Konzerninsider. Dass der Vorstoß noch während der Tarifverhandlungen kam, sei eine Ansage an die Piloten gewesen. Die haben sich im Laufe der Jahre weitreichende Mitspracherechte bei der Lufthansa erkämpft. Sie entscheiden etwa mit der Geschäftsleitung, ab welcher Größe ein Flugzeug von einem der gut bezahlten und abgesicherten Piloten mit Konzerntarifvertrag geflogen wird und fürchten nun, dass der Kurs des neuen Vorstandschefs langfristig ihre Jobs gefährdet.

Doch könnte die Billig-Offensive der Konzernführung auch den Schlüssel für die Beilegung des Tarifschlagabtausches beinhalten. "Spohr könnte eine der vielen Ideen den Piloten opfern, um den Konflikt zu lösen", sagte Luftfahrt-Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Etwa das Langstrecken-Gemeinschaftsunternehmen mit dem türkischen Ferienflieger Sun Express, für das die Lufthansa ein paar Langstrecken-Jets abstellen will. "Wie man mit einer Airline bestehend aus sieben Flugzeugen Geld verdienen will - dafür fehlt mir die Fantasie."

Reuters