Die Szenerie erinnert an Geisterstädte aus Kinofilmen. Die Frankfurter Goethestraße, Sammelpunkt weltbekannter Luxus-Label in der Bankenmetropole, verwaist. Wo sonst Kunden aus allen Ländern dem Vergnügen des gehobenen Einkaufsbummels nachgehen, bleiben die Geschäfte von Louis Vuitton bis Gucci, von Chanel bis Prada geschlossen. Wie hier sieht es im April 2020 in vielen Städten aus: in Europa, in Nordamerika. Ganz anders zur gleichen Zeit in China: Der Lockdown ist überwunden, die Menschen bevölkern wieder die Straßen und kaufen ein.

In früheren Wirtschaftskrisen galt, dass der Handel mit Luxusgütern weniger leidet als andere Branchen. Konzerne wie LVMH, Hermès oder Kering kamen glimpflich davon, während es rundherum steil nach unten ging. Der Grund dafür lag auf der Hand. Die wohlhabenden Konsumentenschichten im oberen Teil der Wohlstandspyramide sind bei rückläufigen Einkommen seltener gezwungen, ihr Einkaufsverhalten zu ändern. Der Kauf von Luxusgütern schmälert ihr verfügbares Budget kaum. Luxus ging auch in der Krise.

Anders im Billigsegment. Dort schlagen geringere Einkommen viel direkter auf das Budget durch. Und meist sind in Krisenzeiten die Beschäftigungsverhältnisse der einkommensschwächeren Schichten schneller gefährdet als in der klassischen Zielgruppe der Luxushändler. Wer um seinen Job fürchtet, hält die Hand auf dem Portemonnaie.

Der Lockdown hat alle getroffen


Doch in der Corona-Krise ist vieles anders. Der Lockdown traf auch den Handel mit Luxusgütern. Selbst wenn die Kunden wollten, sie konnten nicht kaufen - zumindest nicht in den Geschäften. Auch nach den Lockerungen des künstlichen Wirtschaftskomas bremsen Alltagsbeschränkungen wie Abstandsregeln, Begrenzungen der Anzahl von Kunden in Läden, massive Einschränkungen des Reiseverkehrs und nicht zuletzt Hygieneauflagen und Maskenpflicht den Einkaufsgenuss.

Die Zahlen der namhaften Luxushändler für das erste Halbjahr belegen, dass die Krise dieses Mal auch ihre Branche hart getroffen hat: ein Umsatzeinbruch bei LVMH, Hermès und Kering zwischen 25 und 30 Prozent, massive Rückgänge beim Gewinn. Wie es weitergeht, bleibt ungewiss und hängt maßgeblich vom Verlauf des Infektionsgeschehens ab. Bei den Unternehmen herrscht vorsichtiger Optimismus für einen Fortgang der leichten Erholung in der zweiten Jahreshälfte: "Auch wenn wir seit Juni deutliche Signale für einen Umschwung erkennen, bleiben wir wachsam", sagt Bernard Arnault, Chef des weltweit größten Luxusmarken- Konzerns LVMH. Wachsam bleiben, das heißt es auch für Anleger. Welches Unternehmen hat Potenzial, die Krise schnell hinter sich zu lassen? Welche Sparten und Regionen versprechen Wachstum?

Die Verbreitung des Virus und die Maßnahmen zur Eindämmung begannen in China. Dort kamen sie auch als Erstes zum Halt. Während Märkte, Wirtschaft und Gesellschaft in Europa und in den USA noch weitgehend im Krisenmodus verbrachten, kehrte China spätestens im April zu gewisser Normalität und zu alten Wachstumsraten im Luxussegment zurück. So kam in den ersten sechs Monaten des Jahres mehr als ein Drittel des LVMH-Umsatzes aus der Region Asien-Pazifik (ohne Japan). Den Löwenanteil dürfte davon China bei getragen haben. Präsenz dort ist also wichtig, um früh aus der Krise zu kommen.

Auch der Blick auf die kommenden Jahre liefert ein gewichtiges Argument, warum Luxusmarken auf dem chinesischen Markt vertreten sein müssen, wollen sie in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Eine Studie der Beratungsgesellschaft McKinsey erwartet, dass China im Jahr 2025 für etwa 40 Prozent des weltweiten Konsums im Luxussegment stehen wird. Während die Konsum ausgaben dort jährlich um etwa sechs Prozent zulegen, wachsen sie andernorts im Durchschnitt lediglich um zwei Prozent.

Chinas Markt ist anders


Allerdings unterscheidet sich das chinesische Geschäft von etablierten Märkten in Europa und den USA. Moderne Luxusgüter haben keine lange Tradition im Reich der Mitte. Der gute Klang der Marken ist nicht über Jahrzehnte gewachsen. Und die Konsumenten sind überwiegend junge Digital Natives. Sie zu gewinnen bedarf adäquater, gerade auch digital gestützter Strategien. Bloomberg­Analyst Maxime Boucher erwartet ein jährliches Wachstum des Online­Handels im Luxussegment von zwölf Prozent, doppelt so viel wie das Segment insgesamt.

Finanzstarke Konzerne mit breitem Portfolio wie LVMH dürften davon erheblich profitieren. Sie haben Erfahrung damit, eine Reihe von Marken zu führen, unterscheidbar zu halten und neue Zielgruppen anzusprechen.

Und sie sind in der Lage, in Digitalisierung, Online­Marketing auf Social­Media­Kanälen und in Analyse­Tools zu investieren - auch zur Unterstützung des stationären Handels.

In der Krise wuchs die Bedeutung des Online­Handels überproportional. Das dürfte den Trend zu vermehrten Käufen im Internet zwar zusätzlich verstärken, "der stationäre Vertrieb im Laden wird aber gerade für Luxusmarken entscheidend bleiben", sagt Karsten Rahlf, der die Branche für die NordLB analysiert. "Der Online­Handel hat seine Grenzen etwa beim Kauferlebnis und den Möglichkeiten zum Beiverkauf margenstarker Accessoires." Zudem sei der Margendruck im Internet höher. Bedeutung habe die Digitalisierung beim Vertrieb, der Effizienzsteigerung innerbetrieblicher Abläufe, aber auch wenn es darum geht, neue junge Konsumenten verstärkt durch künstliche Intelligenz gezielt anzusprechen. Im Geschäftsbericht 2019 hatte Kering auf einen neuen Trend in der Branche aufmerksam gemacht: von Luxusgegenständen hin zu exklusiven Erlebnissen wie Kreuzfahrten, Aufenthalten in hochklassigen Hotels und dergleichen. In diesem Zusammenhang war der rund drei Milliarden Euro schwere Erwerb von Belmond durch LVMH im vergangenen Jahr ein strategisch kluger und vorausschauender Schritt. Das Unternehmen ist fokussiert auf noble Hotels und Freizeitangebote für zahlungskräftige Kunden. Hermès und Kering haben in dieser Hinsicht noch Nachholbedarf.

Investor-Info

LVMH
Aussichtsreich aufgestellt


Der Konzern ist unangefochten weltweiter Markt führer. Er verfügt über klangvolle Marken in allen wichtigen Segmenten und zusätzliche Geschäftsfelder wie Luxusreisen und -hotels. LVMH hat eine hervorragende Position und die Finanzkraft, auch die digitalen Herausforderungen der Zukunft zu meistern. Gut aufgestellt in der Region Asien-Pazifik (ohne Japan) (2019: 30 Prozent des Umsatzes). Ein Kauf nicht nur für risikofreudige Anleger.

HERMÈS
Verfolger mit Potenzial


Der Konzern zählt zu den aussichtsreicheren, kleineren Verfolgern des Marktführers. Hermès ist zwar weniger breit positioniert als LVMH, was Produkte und Markenvielfalt angeht, hat aber ebenfalls etliche attraktive Marken im Konzern und macht rund ein Drittel seiner Umsätze in der Zukunftsregion Asien-Pazifik (ohne Japan). Die Aktie kann vom Wachstum der Branche profitieren, ist aber spekulativer als das LVMH-Papier.

KERING
Weniger resistent


Auch für Kering gilt, dass die Aktie vom steigenden Luxusgüterkonsum profitieren kann. Im Vergleich zu LVMH und Hermès kommen aber Risiken der Branche wie ökonomische und geopolitische Unsicherheiten aufgrund der geringeren Zahl starker und resistenter Marken eher zum Tragen. Die Onlinestrategie muss sich noch beweisen. Anleger sollten abwarten, wie das Unternehmen die Belastungen der Corona-Krise überwindet.