Swissblock-Ökonom Henrik Zeberg warnt: Die Märkte nähern sich dem Blow-off-Top, Bitcoin dem Zyklus-Hoch – danach droht ein Crash größer als 2000 und 2008.

Henrik Zeberg, leitender Makroökonom bei Swiss Block, liefert im Podcast mit Anthony „Pomp“ Pompliano ein kohärentes, aber unbequemes Narrativ: Wir befinden uns spät im Zyklus des Bullenmarktes. Die gestrige (und kommenden) Zinssenkungen sind kein Startschuss, sondern das Endspiel. 

Die Realwirtschaft kühlt ab, während Vermögenspreise in ein Blow-off-Top laufen. Exakt diese Divergenz – Euphorie in Assets, Erosion bei Konsum und Beschäftigung – kennzeichnete auch die Endphasen der Bullenmärkte in 2000 und 2007. Neu ist aus Zebergs Sicht nicht die Mechanik, sondern nur die Dimension des Exzesses.

Zebergs These: Überteuerter Gipfel, realwirtschaftlicher Gegenwind

Zeberg verweist auf ein ganzes Set an Spätzyklus-Signalen: fallende Kurzfristrenditen, Topbildung bei Langläufern, schwächerer Arbeitsmarkt, gedrücktes Konsumentenvertrauen, eingefrorener Immobilienmarkt mit miserabler Erschwinglichkeit und eine Kapazitätsauslastung, die klassisch vor Entlassungswellen liegt. In dieser Gemengelage wirken Zinssenkungen prozyklisch – sie bestätigen die Schwäche, statt eine neue Expansion zu starten.

Die Bewertungsexzessebene historisch: Gemessen an der Marktkapitalisierung relativ zur Wirtschaftsleistung liegt der Markt weit über 2000 und sogar 1929. Die AI-Story erklärt Produktivitätssprünge, aber sie rechtfertigt keine beliebig hohe Multiple-Expansion. Zebergs Botschaft ist altmodisch und gerade deswegen brisant: Technologie kann Wohlstand heben – sie immunisiert nicht gegen Blasen.

Blow-off jetzt, Bust danach – auch in Krypto

Taktisch ist Zeberg aktuell noch nicht bärisch: Er erwartet noch eine parabolischen Endbewegung nach oben – S&P-Ziele jenseits von 7.000 Punkten hält er für denkbar, Bitcoin sieht er im Zyklusmuster mit Top im Q4 (klassisch 12–18 Monate nach Halving). 

Der entscheidende Punkt: Dieses Top sei sekulär, nicht nur zyklisch. Danach droht ein tiefer, mehrjähriger Bärenmarkt – für Tech und Krypto. Die Begründung: Sobald der reale Abschwung greift, trägt Liquidität nicht mehr; Risikoassets verlieren ihren Treiber, und Krypto – historisch hochbeta – fällt überproportional.

Die gefährliche Illusion des „Diesmal ist es anders“

Tatsächlich sieht Zeberg auffällige Parallelen zu anderen Blasenbildung in der Geschichte, die immer von technologischen Innovationen getragen wurden, die dann in Übertreibungen endeten. Kaum eine dieser Marktphase kommt ohne den wohl gefährlichsten Satz der Finanzgeschichte aus: „This time it’s different.“ Gemeint ist der Glaube, dass eine neue Technologie oder ein struktureller Wandel die Gesetze des Zyklus außer Kraft setzt. Henrik Zeberg erinnert daran, dass dieser Satz seit 200 Jahren immer wieder am Vorabend großer Crashs ausgesprochen wurde.

Eisenbahn-Boom im 19. Jahrhundert

Schon in den 1840er-Jahren verfielen Anleger dieser Illusion. Die Eisenbahn revolutionierte Handel, Transport und Produktivität – sie war ein Gamechanger. Doch der ökonomische Nutzen konnte die spekulative Übertreibung nicht tragen. 

In England platzte die Eisenbahn-Blase, zahlreiche Gesellschaften verschwanden, Investoren verloren ihr Kapital. Die Technologie blieb, die Bewertungen nicht.

Elektrizität und Automobile in den 1920ern

Ähnlich in den "Roaring Twenties": Elektrisches Licht, Haushaltsgeräte, Automobile – all das veränderte den Alltag radikal. Trotzdem beendete der Crash von 1929 den Rausch abrupt. 

Zeberg bringt es im Podcast auf den Punkt: „Nur weil du das Licht mit einem Schalter anschalten kannst, heißt das nicht, dass Märkte nicht überhitzen.“

Dotcom-Exzess um die Jahrtausendwende

Das Internet schrieb ab den 1990er-Jahren die Spielregeln der Wirtschaft neu. Die Euphorie trieb Bewertungen ins Unermessliche. Doch viele Stars der Dotcom-Ära – Pets.com, Webvan oder andere – verschwanden schnell wieder. 

Amazon oder Google überlebten und wuchsen in ihre Bewertungen hinein. Die Lektion: Technologie verändert die Welt – aber nicht jede Firma und nicht jede Bewertung überlebt.

AI als perfekte Erzählung unserer Zeit

Heute erlebt die Börse mit Künstlicher Intelligenz das nächste „Diesmal ist es anders“-Narrativ. AI ist real, sie wird Geschäftsprozesse, Produktivität und Konsum tiefgreifend verändern. Aber: Die Börse preist nicht nur Potenziale ein, sondern auch eine Übertreibung. 

Nvidia ist Zebergs Beispiel: Die Bewertung übertrifft schon heute die Dotcom-Exzesse um das damalige Cisco. Sein Fazit: „Technologie garantiert Veränderung – aber nicht Rendite.“

Deflationär, dann stagflationär – und am Ende ein Reset?

Kurzfristig erwartet Zeberg noch Plätzen der Blase einen deflationären Druck: Renditen runter, Dollar rauf (DXY bis 120). Diese Phase dauere eher sechs bis neuen Monate als Jahre, sei aber heftig. Darauf folge eine Stagflations-Dekade: Stimulus wird weniger wirksam, Inflation kehrt zäh zurück. 

Profiteure wären dann harte Assets – Rohstoffe, Gold und Silber. Strategisch kulminiert Zebergs Bild in der Forderung nach einem monetären Neustart: ein digitales Abrechnungssystem mit Gold als Unterbau und einem Reservekorb anstelle einer einpoligen Dollar-Ordnung.

Keine Frage: Zebergs Argumentation ist bestechend und sehr schlüssig. Allein: Es ist ein theoretischer Entwurf. Zeberg könnte mit seiner These eines wirtschaftlichen Abschwung recht haben – aber ob die Märkte noch dem gleichen Muster crashen wie 2000 und 2008, ist eine andere Frage. Anleger können am Ende zumindest nicht sagen, sie hätten die Spätzyklus-Signale wären nicht vorhanden gewesen. 

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