Bei den freien Aktionären des Nutzfahrzeugbauers MAN steigt die Spannung. Täglich kann jetzt die entscheidende Meldung der VW-Tochter Traton über die Ticker laufen. In dieser wird verkündet werden, welchen Preis der Groß­aktionär für die restlichen MAN-Aktien berappen will. 94,4 Prozent der insgesamt rund 147 Millionen Papiere hat sich Traton bereits einverleibt, nur noch rund 5,6 Prozent der Aktien liegen im Streubesitz.

Diesen Restbestand will der mehrheitlich zu Volkswagen gehörende Nutzfahrzeug- und Bushersteller nun per Squeeze-­out ergattern. Bei einer solchen Transaktion, die der von Audi und VW ähnelt, erhalten Aktionäre eine Barabfindung für das zwangsweise Übertragen ihrer Anteile. Das Recht zu dieser Zwangsmaßnahme besitzt Traton angesichts der Mehrheitsverhältnisse, die VW-Tochter hat ihr Begehren der MAN-Führung mitgeteilt.

Zu Traton gehören Scania, MAN und die in Südamerika aktive Marke Volkswagen Caminhões. Traton will den Konzern neu ausrichten und die Profitabilität der MAN-Gruppe erhöhen. Doch die Durchgriffsmöglichkeiten sind begrenzt, denn VW hat den seit 2013 bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag aufgekündigt. Die Garantiedividende von über fünf Euro war den Wolfsburgern damals zu hoch. Um schnell entscheiden und Vermögen verkaufen oder umgliedern zu können, muss Traton die freien Aktionäre hinausdrängen. Um den verschmelzungsrechtlichen Akt zu finalisieren, muss zunächst die Höhe des Squeeze-out-Preises auf den Tisch, der dann auf der Hauptversammlung von MAN beschlossen wird. "Angemessen" soll die Barabfindung für die verbliebenen Minderheitsaktionäre ausfallen, ließ Traton bereits im Februar verkünden. Als preisliche Untergrenze gilt der umsatzgewichtete Durchschnittskurs der Aktie im Zeitraum von drei Monaten vor dem 28. Februar 2020, dem Tag der Mitteilung über die geplante gesellschaftsrechtliche Maßnahme. Berechnungen von BÖRSE ONLINE zufolge beträgt der volumen­gewichtete Durchschnittspreis für die Stammaktien und Vorzugspapiere von MAN jeweils zwischen 42 und 43 Euro.

Für die Ermittlung einer angemessenen Abfindung hat Traton Wirtschaftsprüfer beauftragt, den Ertragswert je Aktie zu berechnen. Liegt dieser über dem Durchschnittspreis, wovon in der Regel auszugehen ist, richtet sich die Barabfindung nach dem Firmenwert. Dieser lässt sich leider nicht mal nebenbei auf dem Bierdeckel ausrechnen. Ein Bewertungsgutachten ist umfangreich und berücksichtigt neben der operativen Entwicklung und der Bilanz mitunter Basiszins, Steuereffekte und Marktrisikoprämien, es ermittelt den Beta­faktor und passt Risikozuschläge oder Wachstumsabschläge an.

VW bei Audi sehr großzügig


Beim Squeeze-out von Audi durch VW zeigte sich der DAX-Konzern am Ende großzügig: Der Preis lag bei 1551 Euro und damit um 90 Prozent über dem Durchschnittskurs. Auf MAN übertragen würde der Preis für die Stammaktie bei rund 80 Euro liegen. Orientierung könnte auch das letzte Traton-Abfindungsangebot an freie MAN-Aktionäre bieten, das im März 2019 auslief und damals bei 90,29 Euro lag. Fazit: Der Preis ist heiß.