Zur diesjährigen Bilanzpressekonferenz von Merck in der Konzernzentrale in Darmstadt waren Gäste aus dem Technologiezentrum in der chinesischen Freihandelszone Schanghai zugeschaltet. Auch die asiatischen Journalisten durften Fragen stellen. "Merck behauptet, sowohl ein Pharma- als auch ein Technologiekonzern zu sein. Ja, was ist Merck denn nun?", lautete eine. Vorstandschef Stefan Oschmann betonte: "Merck ist beides." Und die Pläne für dieses Jahr sollen das beweisen.

2018, sagte Oschmann, sei ein Jahr des Übergangs und der Investitionen gewesen. Höhere Ausgaben für die Forschung und die Expansion nach China schlugen zu Buche. Auch der Preisdruck im Technologiesegment mache Merck zu schaffen.

Vor allem aber verhagelten Währungseffekte den Hessen die Bilanz. Die für den Konzern so wichtige Kennzahl des bereinigten Betriebsgewinns ging um mehr als zehn Prozent von 4,2 Milliarden Euro 2017 auf 3,8 Milliarden Euro im vergangenen Jahr zurück. Ohne die starken Schwankungen des argentinischen Peso und des brasilianischen Real wäre der Gewinn "lediglich" um 1,6 Prozent zurückgegangen, und der Umsatz wäre nicht nur um etwas mehr als zwei Prozent auf 14,8 Milliarden Euro, sondern um sechs Prozent gestiegen.

Zugpferde des Wachstums waren die Segmente "Healthcare", in dem Entwicklung und Verkauf von Medikamenten untergebracht ist, sowie "Life Science", wo etwa Maschinen zur Arzneientwicklung hergestellt werden. Mit Umsatzerlösen von jeweils 6,2 Milliarden Euro lagen die beiden Sparten erstmals gleichauf. Besonders nach "Life Science"-Produkten war die Nachfrage 2018 groß. Die beiden medizinisch geprägten Bereiche steuern damit den Großteil zum Umsatz bei.

Zukauf als Rettungsanker

Macht das Merck zu einem Technologiekonzern? Nein, Grund dafür ist vor allem das dritte Standbein des DAX-­Kon­zerns: "Performance Materials". Dort arbeiten Experten für OLED-Technologie, die für die jüngst vorgestellten faltbaren Displays benötigt werden. Hier entwickelt Merck Speicherchips für den Elektronik­bereich, die schnell und energieeffizient sind, und Flüssigkristalle. So fortschrittlich das auch klingen mag: Diese Sparte ist Mercks Achillesferse. Seit drei Jahren ist der Umsatz rückläufig. Währungsbereinigt schrumpfte der Umsatz 2018 um 1,7 Prozent auf 2,4 Milliarden Euro. Auch die Profitabilität nimmt ab, da Konkurrenten Merck bei OLED und vor allem Flüssigkristallen die Technologieführerschaft rauben und die Preise drücken.

Deshalb will sich Merck verstärkt auf Halbleiter ausrichten. Dabei helfen soll eine Übernahme: Versum Materials. Allerdings ringt ein Wettbewerber um das profitable Unternehmen aus Arizona, USA - und der Halbleiterzulieferer Entegris aus dem US-Staat Massachusetts scheint die Nase vorn zu haben. Zumindest hat das Management von Versum das lukrative Angebot von Merck rundweg ausgeschlagen und lehnt die Übernahme ab.

Doch Merck-Chef Oschmann will nicht lockerlassen. "Wir stehen zu 100 Prozent hinter dem Angebot", sagte er letzten Donnerstag in Darmstadt. In einem offenen Brief hatte er an die ­Aktionäre, darunter US-Vermögensverwalter Vanguard und Blackrock, appelliert, das Angebot von 48 Dollar - es entspricht einer Prämie von 50 Prozent - anzunehmen. Das Barangebot liegt deutlich über dem Aktiendeal von Entegris.

Merck-Investoren befürchten, dass sich die Hessen mit dem insgesamt fast 5,2-Milliarden-Dollar-Angebot trotz Entschuldung 2018 übernehmen. Würde die feindliche Übernahme jedoch gelingen, stiege der Umsatz­anteil von "Performance Materials" auf ein Drittel - und Merck wäre endlich ein wahrhaftiger Technologiekonzern und die Prognose ­eines "moderaten Wachstums" 2019 gesichert.