Am Mittwoch waren die Anteile angesichts der Übernahme von Constellation Pharmaceuticals auf den tiefsten Stand seit September 2017 gefallen.

Morphosys hatte am Mittwoch völlig überraschend den Zukauf des US-Epigenetikspezialisten für 1,7 Milliarden Dollar angekündigt. Für die Übernahme haben sich die Bayern in einem recht komplexen Deal die finanzielle Unterstützung des US-Unternehmens Royalty Pharma gesichert. Vor allem dieser Teil hatte die Aktien zunächst unter Druck gesetzt, denn zur Vereinbarung gehört auch eine Barkapitalerhöhung von Morphosys ohne Bezugsrecht bestehender Aktionäre.

Am Donnerstag nun äußerten sich Analysten genauer. Dabei war der Tenor zur Übernahme vielfach positiv. Analyst Victor Floc'h vom britischen Investmenthaus Bryan Garnier bezeichnete diese sogar als "bahnbrechend". Sie gehe über die Erwartungen am Markt weit hinaus, schrieb der Branchenexperte. Die Amerikaner seien ein "Pionier in der Epigenetik", also der Suche nach Wirkstoffansätzen basierend auf Geneigenschaften.

Experte Vineet Agrawal von der Citigroup sprach von einem vernünftigen Geschäft, da Morphosys nur begrenzte Möglichkeiten gehabt habe. Der nächste Schritt in der Entwicklung des Unternehmens sei immer ein Kauf gewesen, oder Morphosys wäre eventuell selbst übernommen worden.

Auch Rajan Sharma von der Deutschen Bank äußerte sich lobend. Aus seiner Sicht ist der Zeitpunkt für den Zukauf angesichts zuletzt gesunkener Bewertungen im Biotechsektor klug gewählt. Er hält den Schritt zudem für nachvollziehbar. Schließlich gebe es klare Überschneidungen mit dem bestehenden Morphosys-Portfolio. Zudem bestehe die Möglichkeit, die Infrastruktur des Unternehmens zur Unterstützung der Markteinführung von Morphoys' eigenem Krebsmedikament Monjuvi in den USA auch für die Constellation-Produktkandidaten zu nutzen.

Abseits der jüngsten Turbulenzen steckt die Morphosys-Aktie bereits seit einiger Zeit in einer schwierigen Phase. Weil mit dem Krebsmedikament Monjuvi der wichtigste Hoffnungsträger des Konzerns zuletzt hinter den hohen Erwartungen des Marktes hinterherhinkte, stand das Papier in den vergangenen Monaten kräftig unter Druck. Allein in diesem Jahr büßte die Aktie rund ein Drittel ein. Seitdem die Aktie Anfang 2020 mit 146 Euro fast ihr Rekordniveau zurückerobert hatte, ist der Kurs fast um 60 Prozent eingebrochen.

Morphosys-Chef Jean-Paul Kress setzt mit der Übernahme nun große Hoffnungen auf zwei Krebsmittel von Constellation, die sich aktuell noch in klinischen Studien befinden. Auch Citigroup-Experte Agrawal lobte eines der Mittel als "attraktiv": Pelabresib bei Myelofibrose, einem Knochenmarkskrebs.

Diese Meinung teilen aber offenbar nicht alle Experten. Für Analyst James Gordon von der US-Bank JPMorgan etwa ist die Produktpipeline von Constellation zumindest keine sichere Bank.

Kopfschmerzen bereitet dem Experten daher auch der Finanzierungsdeal mit Royalty Pharma. Das US-Finanzunternehmen steckt über diverse Einzelschritte zusammengenommen rund 2 Milliarden Dollar in die Übernahme und in die Weiterentwicklung der beiden wichtigsten Produktkandidaten von Constellation Pharmaceuticals. Im Gegenzug kassiert Royalty Pharma künftig anstelle von Morphosys unter anderem die kompletten Lizenzgebühren für das Schuppenflechtemittel Tremfya des dänischen Herstellers Janssen, das auf einem Antikörper der Bayern basiert.

Kritik an dem Tauschgeschäft kam auch von vielen anderen Branchenkennern. Der Deal mit Royalty Pharma koste Morphos mit den Lizenzgebühren für Tremfya seine stabilste Umsatzquelle, kritisierte etwa Bryan-Garnier-Experte Floch, der sogar seine Kaufempfehlung strich. Mit dem Abtritt der Lizenzgebühren werde künftig vieles bei Morphoys von den wichtigsten Constellation-Produktkandidaten abhängen, konstatiert auch Barclays-Analystin Rosie Turner. Anleger dürften daher die Vorzüge der "neuen Morphosys" hinterfragen, glaubt die Expertin.

dpa-AFX