Sie haben die Macht über Milliarden von Dollar oder Euro. Sie jonglieren mit den Geldern ihrer Investoren täglich an den internationalen Kapitalmärkten. Dabei wird ihnen unterstellt, über Leichen zu gehen. Die Rede ist von oftmals sagenumwobenen und gleichermaßen verhassten alternativen Investmentvehikeln, allgemein auch als Hedgefonds bekannt.

Laut Barclays betrug das verwaltete Vermögen in Hedgefonds Ende 2016 über 3000 Milliarden US-Dollar (eine Drei mit zwölf Nullen). Tendenz steigend. Damit kann der Einfluss dieser Fonds auf die Aktienmärkte essenziell sein. Hinzu kommt, dass Hedgefonds mit Sitz in Steueroasen kaum reguliert sind und sich oftmals auf nur wenige Aktien fokussieren. Dabei verfolgen die angeblichen Meister der Geldanlage häufig einen aktivistischen Ansatz, indem sie versuchen, das Management eines Unternehmens in die eine oder andere Richtung zu bewegen.

Viele Hedgefonds setzen auch auf fallende Kurse. Diese sogenannten Short-Strategien machen sie besonders unbeliebt. Besonders schmerzhaft für Anleger wird es, wenn sich auf Leerverkauf spezialisierte Spekulanten ein Unternehmen herauspicken und eine umfangreiche Analyse dazu veröffentlichen, in der sie schwere Vorwürfe erheben.

Reizwörter reichen



Ob solche Analysen zutreffend sind oder auch nur annähernd eine Berechtigung haben, bleibt dabei meistens zweitrangig. Mittlerweile reicht es aus, wenn nur von "Attacke" und "Leerverkauf" die Rede ist, um eine Aktie zu Fall zu bringen. Nervenstärke und Durchhaltevermögen sind für investierte Anleger dann angesagt, um den Spekulanten die Stirn zu bieten.

Unternehmen wie Aurelius, Ströer und Wirecard sind nur einige der jüngsten Fälle hierzulande. Jedes Mal fiel der Aktienkurs nach den Anschuldigungen dramatisch, und die Leerverkäufer kassierten kräftig ab. Aurelius etwa warf man vor, die einzelnen Beteiligungen mit viel zu hohen Preisen zu bewerten. Der Kurs stürzte von über 65 auf unter 35 Euro ab. Bis heute legte die Aktie zwar wieder bis auf gut 53 Euro zu, konnte sich jedoch trotz erfolgreicher Beteiligungsverkäufe nicht gänzlich von dem Tiefschlag erholen.

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Die positive Seite



Allerdings darf man Leerverkäufe, die mittlerweile in Deutschland auch für Privatanleger bei einigen Onlinebrokern möglich sind, nicht nur verteufeln. Ein Ziel der Börse ist es, für Liquidität zu sorgen. Viele Anleger wagen sich auch deshalb an die Börse, weil sie wissen, dass sie ihre Aktienpositionen bei Bedarf im Handumdrehen wieder zu Geld machen können. Ohne die Hedgefonds-Milliarden wäre dieses Unterfangen ein Stück schwieriger.

Hinzu kommt, dass sich Aktienkurse langfristig dem fairen Wert und der wirtschaftlichen Entwicklung eines Unternehmens anpassen sollten. Das Value-Investing fokussiert sich auf Aktien, die deutlich unter ihrem fairen Wert liegen. Leerverkäufer hingegen drehen den Spieß um und konzentrieren sich häufig auf Unternehmen, die weit über ihrem fairen Wert gehandelt werden. Somit wird auch eine Selbstregulierung hin zum inneren Wert ermöglicht und ein Ausgleichsinstrument gegen irrationalen Überschwang geschaffen.

Wie jedoch erkennt man frühzeitig, ob es zu Attacken kommen könnte? Eine Möglichkeit ist der Blick auf das Short-Ratio (siehe Seite 3). Je höher diese Kennzahl ist, desto mehr Anteile werden momentan für die Wette auf fallende Kurse eingesetzt. Eine gute, frei zugängliche Quelle für Short-Ratios ist die niederländische Internetseite www.shortsell.nl. Bei K + S beispielsweise liegen 15 Prozent der Aktien in den Händen von Short-Sellern. Mehr als jeder siebte Anteilschein wird also verwendet, um auf fallende Kurse zu setzen.

Wirft man einen Blick auf Europa, so gibt es noch Aktien, die deutlich mehr im Blickfeld der Leerverkäufer stehen als K + S. So findet man beim britischen Baukonzern Carillion einen Anteil an Spekulanten, die auf fallende Kurse setzen, von mehr als 23 Prozent.

Firmen, die in den Short-Ranglisten ganz oben auftauchen, haben oftmals tief greifende Probleme. Diese können im Geschäftsmodell, in riskanten Restrukturierungen oder allgemeinen Branchenproblemen liegen. Wirecard zum Beispiel konnte den Geist der fehlerhaften Bilanzierung bis heute nicht komplett abschütteln, was sich in der hohen Short-Ratio von elf Prozent widerspiegelt.

Neben der generellen Short-Quote ist die historische Entwicklung aufschlussreich. Erst so lässt sich herausfinden, ob massiv Leerverkäufer am Werk sind und es bald zu Unruhen kommen könnte oder ob die Short-Position sogar wieder eingedeckt werden. Im Fall von Alstria Office Reit positionieren sich offenbar mehr und mehr Investoren, die die Aktie eher pessimistisch einstufen. Bei der Lufthansa hingegen geht das Short-Ratio zurück.

Wenn sich das Blatt wendet



Was für den Aktionär bei fallenden Kursen der Verlust ist, ist für den Short-Spekulanten der Kursgewinn. Genauso sieht es natürlich umgekehrt aus. Im Falle steigender Kurse erhöht sich der Verlust des Leerverkäufers. Ist seine Geduld mit einer Position überstrapaziert, wird er bestrebt sein, die Verluste zu begrenzen und sie loszuschlagen. Er kauft also die zuvor geliehenen Aktien und liefert sie an den Verleiher zurück, bevor der Kurs noch weiter nach oben klettert und seinen Verlust ausweitet.

Das kann zum Teufelskreis werden. Denn aufgrund der dadurch erzeugten Nachfrage kann es passieren, dass der Kurs weiter steigt und die nächsten Short-Seller versuchen, ihre Verluste einzugrenzen und ebenfalls geliehene Aktien vom Markt zurückzuerwerben. Die dadurch entstehende Eigendynamik wird als sogenannter Short-Squeeze bezeichnet - und sie ist ein Fest für alle, die diese Aktie besitzen.

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