€uro am Sonntag: Der Bauwirtschaft in Deutschland geht es trotz Konjunkturflaute gut. Bleibt das so?
Karl-Heinz Strauss: Ich schätze die deutsche Baukonjunktur mittelfristig als sehr robust und nachhaltig ein, das gilt vor allem für die Bereiche Infrastruktur und Tiefbau. Gerade im Tiefbau sind wir für die nächsten zehn Jahre sehr gut ausgelastet. Auch im Hochbau bin ich optimistisch. Sofern die Zinsen weiterhin so niedrig bleiben, oder nicht signifikant erhöht werden, wird weiterhin wahnsinnig viel gebaut.

Der Bauboom neigt sich nicht dem Ende?
Wir haben definitiv den Höhepunkt erreicht, aber erst einmal werden wir keine Abschwächung spüren. Auch generell würde ich nicht von einer Konjunkturabschwächung sprechen. Ich denke, es handelt sich vielmehr um branchenspezifische Ereignisse wie in der Autoindustrie, der Metallbranche oder der Chemie. Solange der Konsum jedoch annähernd auf dem aktuellen Niveau bleibt, mache ich mir um die Konjunktur keine Sorgen.

Wo sehen Sie den größten Bedarf?
Das ist richtig. Ein Beispiel hierfür sind die rund 12.000 Bahnbrücken in Deutschland. Allein davon müssen etwa 4.000 saniert werden. Auch sonst herrscht im Bahn- und Straßenbau sowie bei den Wasserstraßen großer Sanierungsbedarf.
Ein weiterer Punkt ist der Wohnungsbau. Die Städte wachsen - man muss sich nur Berlin oder auch München ansehen. Dort ist es fast unmöglich, bezahlbaren Wohnraum zu finden.

Sind Sie auf den Fall, dass sich die Baukonjunktur abschwächen könnte, vorbereitet?
Auf so etwas sind wir immer vorbereitet. Wir überlegen uns auch verschiedene Szenarien, die wir in der Gruppe etwa alle ein bis eineinhalb Jahre durchspielen. Beispielsweise stellen wir uns die Frage, wie wir auf 30-40 Prozent Umsatzeinbußen reagieren würden. Wo sind wir flexibel? Wie kann man mit dem Personal flexibler umgehen, die Mitarbeiter aber trotzdem halten?

Apropos Mitarbeiter: Gerade in der Baubranche ist der Fachkräftemangel groß. Wie gehen Sie damit um?
Ich glaube, dass das ein genereller Trend ist, dass der Facharbeiter etwas sehr Kostbares wird, das man hegen und pflegen muss. Das wird noch ein sehr wichtiger Bestandteil der deutschen Bauindustrie werden.
Wir versuchen, mit unseren PORR-Akademien ganz gezielt junge Menschen auf unser Unternehmen vorzubereiten und sie entsprechend weiterzubilden. Außerdem wollen wir unser bestehendes Personal unbedingt halten.

Stellenabbau ist für Sie also auch in Zeiten der immer teurer werdenden Rohstoffe kein Thema? An welchen Stellen sparen Sie dann ein?
Bauen ist kein hochmargiges Geschäft, deshalb muss immer gespart werden. Dafür führen wir alle sechs bis sieben Jahre ein Kostensenkungsprogramm durch, bei dem wir die Prozesse nach ihrer Notwendigkeit überprüfen. Mit dem Konzept PORR 2025 läuft derzeit wieder so ein Programm. Prozesse müssen standardisiert, automatisiert und schließlich digitalisiert werden. Das ist ein wesentlicher Punkt, um die Kosten niedrig zu halten. Personal kann man aber nicht genug haben. Gute Leute sind heute schon begehrt und werden in Zukunft noch mehr begehrt sein. Hier wollen wir deshalb auf keinen Fall einsparen.

Der Umsatz der PORR ist in den letzten beiden Jahren um fast 40 Prozent gewachsen. Das erste Halbjahr 2019 war mit minus 1,9 Prozent nicht so stark. Womit rechnen Sie für das Gesamtjahr?
Durch das starke Wachstum der letzten Jahre befinden wir uns derzeit in einer Phase der Konsolidierung. Für das Gesamtjahr rechnen wir dennoch mit einem leichten Umsatzwachstum. Dass das erste Halbjahr schwächer war, ist branchenbedingt. Wir haben ein zyklisches Geschäft. Dieses baut sich im Frühjahr auf und holt dann in der zweiten Jahreshälfte alles ein.