Für den US-amerikanischen Streaminganbieter Netflix war es ein echter Überraschungserfolg: 28 Tage nach der Premiere im Oktober 2020 war die Dramaminiserie "The Queen’s Gambit" ("Das Damengambit") bereits in 62 Millionen Haushalten gelaufen. Darin geht es um die Waise Elizabeth Harmon, die in den 50er-Jahren ihr Talent für Schach entdeckt und in der Männerdomäne Weltmeisterin werden will. Weltweit löste die Serie einen Boom um das Spiel mit Dame und König aus. Schachbretter waren nur noch schwer zu bekommen. Begeistert waren auch die Investoren - von den Quartalszahlen, welche die Aktie auf ein neues Rekordhoch hievten. Die Ergebnisse belegen, dass das Geschäft weiterhin stark läuft und dies im laufenden Jahr so bleiben wird, wie der Ausblick zeigt. Im vierten Quartal konnte Netflix die Anzahl der zahlenden Neukunden um netto 8,51 Millionen steigern - das lag deutlich über der Prognose des Unternehmens von sechs Millionen. Im Gesamtjahr ist die Kundenzahl um den Rekord von 36,6 Millionen geklettert und lag am Jahresende bei 203,7 Millionen. Damit überschritt der Konzern erstmals die Marke von 200 Millionen. Wachstumsmotor waren vor allem die Märkte außerhalb der USA und Kanada. So hat die Firma im vierten Quartal rund 4,5 Millionen Kunden aus den Regionen Europa, Naher Osten und Afrika sowie zwei Millionen aus Asien-Pazifik an Land gezogen.

Die Ergebnisse sind umso beeindruckender, als der Wettbewerb kräftig zugenommen hat. So hat der Streamingdienst Disney+ seit seinem Start im November 2019 rund 87 Millionen Neukunden gewonnen und ist damit zum größten Herausforderer geworden. Die Film- und Videofans entscheiden sich allerdings nicht für den einen oder anderen Anbieter. Vielmehr wächst der Markt insgesamt weiterhin kräftig, wozu die Corona-Pandemie enorm beitrug. "Sie hat die große Verschiebung vom linearen Fernsehen hin zum Streaming beschleunigt", sagte Finanzchef Spencer Neumann auf der Analystenkonferenz nach der Zahlenvorlage. "Wir machen immer noch lediglich einen sehr kleinen Teil der PayTV-Penetration in vielen Märkten rund um den Globus und einen kleinen Anteil der Fernsehund Videonutzung aus", fügte er hinzu. So schaut ein Amerikaner im Schnitt mehr als vier Stunden täglich Fernsehen, während die Netflix-User während der Pandemie durchschnittlich rund 3,2 Stunden pro Tag streamen. 2019 waren es lediglich zwei Stunden. Damit hat der Branchenprimus noch eine Menge Potenzial, um von der weiteren Verschiebung des Nutzerverhaltens zu profitieren.

Das prächtige Umfeld nutzte Netflix, um im vergangenen Jahr in einigen Ländern wie den USA die Preise etwas zu erhöhen. Dadurch ist der durchschnittliche Umsatz pro Kunde gegenüber Anfang 2018 von 9,88 Dollar pro Monat auf 11,02 Dollar gestiegen. Diese Anhebung und die stark gestiegene Kundenzahl schlagen deutlich auf den Konzernerlös durch. Im abgelaufenen Geschäftsjahr legte dieser um stattliche 24 Prozent auf 25 Milliarden Dollar zu. Da haben Investoren darüber hinweggesehen, dass die Zahl der Neukunden im laufenden Quartal um lediglich sechs Millionen steigen soll, was deutlich unter den Schätzungen der Analysten liegt. Allerdings könnte sich diese Zahl als zu konservativ herausstellen, will doch Netflix im laufenden Jahr jede Woche mindestens einen neuen selbst produzierten Film herausbringen, was das Angebot für neue Kunden attraktiver machen dürfte.

Profitabilität im Visier


Neben dem Kundenwachstum im vergangenen Quartal euphorisierte Investoren vor allem die Ankündigung der Co-Vorstandschefs Reed Hastings und Ted Sarandos, künftig profitabler arbeiten zu wollen. "Wir glauben, dass wir sehr nahe dran sind, nachhaltig positive Free Cashflows zu erwirtschaften", so die Aussagen im Quartalsbericht. Denn entscheidend ist, wie viel Cash in die Kasse fließt. Die Prognosen geben Grund zu Hoffnung: Der Free Cashflow (FCF) werde im laufenden Jahr in der Nähe der Break-even-Marke liegen. Bislang ging Netflix von einer Spanne aus, die zwischen einem Minus von einer Milliarde Dollar und dem Break-even liegt. "In Kombination mit unserem Cashbestand von 8,2 Milliarden Dollar und unserer nicht in Anspruch genommenen Kreditlinie von 750 Milliarden Dollar glauben wir, dass wir für unser Tagesgeschäft nicht mehr auf eine weitere Fremdfinanzierung angewiesen sind", heißt es.

Dieser Ausblick sollte zu einer Neubewertung der Aktie bei vielen Investoren führen, die lange Zeit das massive Geldverbrennen von Netflix kritisiert hatten. 2020 wurde zwar ein positiver FCF von 1,9 Milliarden Dollar erwirtschaftet, was allerdings nur daran lag, dass die Produktion vieler Filme wegen der Pandemie monatelang auf Eis lag.

Und Hastings setzt noch einen oben drauf: So sollen die Schulden im Bereich von zehn bis 15 Milliarden Dollar gehalten werden, gegenüber 16,3 Milliarden Dollar zuletzt. Erzielt Netflix überschüssigen Cash, denkt der Firmenlenker darüber nach, ihn über Aktienrückkäufe an die Anleger zurückzugeben. In den Ohren von Investoren klingt das wie Musik. Von Hastings ist es ein cleverer Schachzug. BÖRSE ONLINE bekräftigt die Kaufempfehlung.