Alstom geht davon aus, dass es bis ins kommende Jahr hinein dauern wird, bis alle Genehmigungen für die bis zu 6,2 Milliarden Euro schwere Großfusion vorliegen. Kunden von Bombardier, die zuletzt Qualitätsprobleme beklagt hatten, hoffen auf Besserung, wenn Alstom das Sagen hat. Alstom-Chef Henri Poupart-Lafarge glaubt, bei dem Zusammenschluss ohne Stellenstreichungen auszukommen. In Deutschland beschäftigen die beiden Partner mehr als 9000 Mitarbeiter.

Poupart-Lafarge zeigte sich sich zuversichtlich, diesmal die Zustimmung der EU-Kommission zu erhalten. "Wir sehen das nicht als großes Problem", sagte er am Montagabend. "Und wenn es ein paar Probleme gibt, sind sie viel leichter zu lösen als die, die wir mit Siemens hatten." Bombardier ist in Europa fast so groß wie Siemens. Der Zusammenschluss von Alstom mit der Zug-Sparte des Münchner Industriekonzerns war vor einem Jahr am Veto der EU-Wettbewerbshüter gescheitert. In Brüssel vorgefühlt haben die Unternehmen Insidern zufolge bereits. Der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire kündigte an, er werde schon am Dienstag Gespräche mit EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager aufnehmen. "Diese Transaktion erlaubt es Alstom, sich vor dem Hintergrund eines sich verschärfenden internationalen Wettbewerbs für die Zukunft zu wappnen", sagte Le Maire.

Alstom, Bombardier und Siemens fürchten vor allem, dass der chinesische Branchenriese CRRC verstärkt nach Europa drängt. In Nordamerika hat er die etablierten Unternehmen schon mehrfach mit Niedrigpreisen ausgestochen. Doch die Angst vor CRRC hatte Vestager nicht gelten lassen, als Siemens und Alstom das Argument vorbrachten. Die Marktstellung bei Signaltechnik und Hochgeschwindigkeitszügen (TGV, ICE), die der EU missfallen hatte, dürfte diesmal das geringere Problem sein. Doch bei Regionalzügen kämen Bombardier und Alstom nach Schätzungen aus französischen Gewerkschaftskreisen zusammen in Europa auf einen Marktanteil zwischen 40 und 60 Prozent, Siemens allein nur auf zehn bis 20 Prozent.

400 MIO EURO EINSPARUNGEN - ABER ERST IN VIER JAHREN


Der Alstom-Chef argumentiert aber, Bombardier sei im Norden Europas stark, sein Unternehmen dagegen im Süden. "Wir sehen eine große geografische und produktbezogene Komplementarität mit dem Potenzial, die Kapazität zu erhöhen, um auf die weltweit wachsende Nachfrage nach Schienenfahrzeugen zu reagieren", sagte der Chef von Bombardier Transportation, Danny Di Perna. Das fusionierte Unternehmen könne von Größenvorteilen profitieren, die ihm mehr Investitionen ermöglichten. Alstom veranschlagt die Einsparungen auf 400 Millionen Euro jährlich - allerdings erst in vier Jahren.

Kunden und Konkurrenten hielten sich am Dienstag zurück. In der Branche hieß es, die Fusion schüre die Hoffnung, das die Qualität bei Bombardier besser werde. Die Kanadier hatten sowohl mit der Deutschen Bahn als auch mit der schweizerischen SBB Streit über Mängel. Bei Regionalzügen sei kein Monopol zu befürchten, denn es gebe auch Hersteller wie Siemens und den Schweizer Anbieter Stadler. Die Bahn, einer der größten Kunden beider Unternehmen, erklärte: "Die Deutsche Bahn vertraut auf das Urteil der Wettbewerbsbehörden, damit aus diesem Prozess keine Nachteile für die Kunden der Bahnindustrie entstehen."

Die IG Metall macht sich trotz der Zusicherungen von Alstom Sorgen um die Arbeitsplätze in Deutschland. Sie bekräftigte den Appell an die Bundesregierung, sich einzuschalten. "Der Erhalt der Standorte und der Arbeitsplätze muss an erster Stelle stehen", fordert Jürgen Kerner, der im Vorstand der Gewerkschaft für die Bahnbranche zuständig ist. Bombardier hat vor allem im Osten - etwa in Bautzen, Görlitz und Hennigsdorf - Einschnitte hinter sich und beschäftigt in Deutschland 6500 Mitarbeiter. Dazu kommen 1100 Leiharbeiter. Bei Alstom arbeiten 2500 Menschen an sechs Standorten, die meisten davon in Salzgitter.

rtr