Herr Röttgen, Sie setzen sich dafür ein, beim Aufbau des 5G-Netzes in Deutschland auf chinesische Anbieter wie Huawei zu verzichten. Können Sie kurz erläutern, warum Sie das Thema 5G für so zentral halten?
Es gibt derzeit eigentlich kein Thema, das von größerer strategischer Bedeutung für Deutschland und Europa ist, als die Entscheidung über den 5G-Netzausbau. Der neue Mobilfunkstandard funktioniert wie eine Art digitales Nervensystem, das alle Bereiche des Lebens miteinander vernetzt. Die Sicherheit der Systeme ist daher von zentraler Bedeutung. Neben der nationalen Sicherheit geht es aber auch um unsere technologische Souveränität in diesem Bereich.

Was meinen Sie damit?
Es geht um die Frage: können wir die Technologie selbst verstehen, entwickeln und betreiben? Wenn das nicht mehr der Fall ist, dann machen wir uns als Staat und Gesellschaft angreifbar und abhängig. Deshalb plädiere ich für eine europäische Lösung beim 5G-Netzausbau. Noch haben wir zwei europäische Unternehmen, die das können.

... Ericsson aus Schweden und Nokia aus Finnland....
...ich bin grundsätzlich kein Freund von Industriepolitik. Ich denke, der Markt regelt sich meistens ganz gut selbst. Aber wenn schon Industriepolitik, dann ist 5G doch ein sinnvolles und gebotenes Anwendungsfeld. Mit Ericsson und Nokia gibt es bereits zwei europäische Unternehmen, die neben Huawei beim 5G-Netzausbau marktführend sind. Damit diese Unternehmen im Wettbewerb mit subventionierten chinesischen Ausrüstern überleben können, müssen wir ihnen den nötigen Markt bieten.

Als Mittelweg wird diskutiert, ob es ausreicht nur das so genannte Kernnetz ohne chinesischen Anbieter aufzubauen. Was halten Sie davon?
Ich halte die Unterscheidung zwischen Kern und Peripherie im 5G-Netz für nicht besonders sinnvoll. Immer mehr Intelligenz, die bis dato im Kernnetz verankert war, wird künftig dezentralisiert. Gleichzeitig nimmt die Bedeutung der Softwarekomponenten zu, wodurch eine klare Trennung von Kern und Peripherie erschwert wird. Wenn also aus Praktikabilitätsgründen eine solche Trennung vorgenommen wird, dann muss es sich dabei um eine Übergangslösung handeln. Das heißt: Bereits bestehende Komponenten nicht-vertrauenswürdiger Ausrüster in der so-genannten Peripherie müssen zwar nicht ausgebaut werden, dürfen aber in Zukunft nur durch Komponenten vertrauenswürdiger Hersteller ersetzt werden.

Wie sieht der weitere Zeitplan für die 5G-Gesetzgebung aus?
Am 29. Januar erscheint die sogenannte "toolbox" der EU-Kommission, in der sie Vorschläge für einen sicheren und gleichzeitig schnellen 5G-Netzausbau in Europa macht. Spätestens dann brauchen wir hierzu eine Position der CDU/CSU-Fraktion. Nach dem CDU-Bundesparteitagsbeschluss, der sich eindeutig gegen staatliche Einflussnahme und für eine europäische Lösung ausgesprochen hat, ist unser Ziel nach wie vor, einen Koalitionsantrag zum Thema 5G-Netzausbau zu beschließen - aber dann vermutlich erst im Februar. Wenn es soweit ist, wäre es wünschenswert, wenn auch Grüne und FDP eingeladen würden, sich einem solchen Antrag anzuschließen.

Wie schätzen Sie im Falle eines Verbots von Huawei die Gefahr von Vergeltungsmaßnahmen der chinesischen Regierung ein?
Der chinesische Botschafter in Deutschland hat in den letzten Wochen wiederholt mit Sanktionen gegen die deutsche Automobilbranche gedroht, sollten chinesische Ausrüster in Deutschland nicht zum Zuge kommen. Das zeigt doch vor allem eines: Wir sollten unsere Abhängigkeit von China nicht weiter steigern, sondern reduzieren - vor allem in einem so sensitiven Bereich kritischer Infrastruktur wie dem 5G-Netz.

Gibt es neben 5G weitere Bereiche, in denen Deutschland und Europa ihre Sicherheit künftig besser verteidigen müssen?
Ganz zentral ist, dass Europa seine Innovationsfähigkeit im technologischen Bereich insgesamt verbessert - das ist die Grundlage von allem. Wie sollen wir Menschenrechte und die internationale Ordnung effektiv verteidigen, wenn wir in den zukunftsweisenden Industrien von anderen abhängig sind? Die europäische Kommission hat sich auf die Fahnen geschrieben den europäischen Batteriesektor nun gezielt zu fördern. Auch im Bereich der Cloud-Lösungen hinkt Europa deutlich hinterher. Hier setzt das Projekt GAIA X von Wirtschaftsminister Peter Altmaier an. Beides sind lobenswerte Ansätze, aber das grundlegende Problem ist, dass Europa vergleichsweise zu wenig Geld in Forschung und Entwicklung investiert.

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