von Herausgeber Frank-B. Werner

Ein mächtiger Irrtum. Vor einer Woche hatte ich an dieser Stelle die Erwartung geäußert, dass es im Regierungs-Berlin zu einem Bloody Monday käme, würden sich die Ergebnisse der Umfragen bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt im tatsächlichen Stimmverhalten der Bürger manifestieren. Gar nichts passierte. Und das ist wirklich bemerkenswert. Sowohl die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin, Angela Merkel, als auch der Vizekanzler und SPD-Vorsitzende, Sigmar Gabriel, machen einfach weiter, als ob nichts geschehen wäre. 15 Prozent für die AfD seien doch in Wahrheit eine 85-Prozent-Zustimmung zum Kurs von Merkel und Gabriel. Dabei versteigt sich gerade die CDU zu grotesken Umdeutungen des Wahlergebnisses. So erklärt Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen, dass die Niederlagen der CDU-Kandidaten Julia Klöckner in Mainz und Guido Wolf in Stuttgart auch an deren Distanz zur amtlichen Flüchtlingspolitik gelegen hätten. Beide Argumente zusammen funktionieren aber nicht. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Wenn sich Klöckner, Wolf und (seit jeher) Reiner Haseloff gegen den Merkel-Gabriel-Kurs stellen, dann muss man ihre 30 Prozent wohl mit den AfD-Stimmen zusammenzählen und kommt dann auf eine knappe Hälfte, die die Berliner Politik in der Migrationsfrage ablehnt. Wie auch immer - das Establishment täte besser daran, die Bürger ernst zu nehmen, als den weiteren Niedergang der Volksparteien hinzunehmen.

Der engste Berater von Wirtschaftsminister Gabriel, der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, hat am Anfang der Woche in Berlin ein neues Buch vorgestellt: "Verteilungskampf - warum Deutschland immer ungleicher wird". Gestaltungsfreudigen Politikern fährt der Ökonom aber gegen alle Erwartungen in die Parade. Notwendig, so zitiert die "FAZ" aus der Veranstaltung, seien "nicht mehr Staat und mehr Umverteilung. Die Lösung liegt in weniger Staat und mehr Wettbewerb".
Ob Gabriel das hören mag?