Das Vermögen von Osman Ali Khan, Herrscher von Hyderabad, war in den 1930er-Jahren buchstäblich unschätzbar. Mit seiner Absetzung endete 1948 eine ruhmreiche Dynastie. Von Michael Braun Alexander

Auch vor 90 Jahren war es nicht einfach, als reichster Mann der Welt zu gelten. Immerhin lebte 1930 John D. Rockefeller noch, der legendäre US-Ölmagnat. Indes hatte selbst Rockefellers weltberühmtes Vermögen einen Schönheitsfehler: Es war zwar immens, aber doch so übersichtlich, dass man es problemlos schätzen konnte. An derart Erbsenzählerisches war bei seinem Zeitgenossen Osman Ali Khan, Jahrgang 1886 und von 1911 an Herrscher über Hyderabad, nicht einmal im Ansatz zu denken. Der indische Fürst besaß ein Land groß wie Frankreich und spielte in Sachen Geld in einer eigenen Liga jenseits buchhalterischer Berechenbarkeit. Zu jener Zeit war niemand reicher als Seine erhabene Hoheit, Gottes Schatten auf Erden: der siebte Nizam von Hyderabad.

Ein Großteil des damaligen Territoriums von Hyderabad, des Mittelstücks im zentralindischen Dekkan-Hochland, entfiel auf Osman Ali Khans persönliche Ländereien - der Grund (und Boden) seines unermesslichen Vermögens. Kaum weniger wert waren die Juwelen und Schätze, die seine Ahnen, die Nizams eins bis sechs, im Lauf der Zeit in ihren Schatzkammern gehortet hatten.

Nur wenige Kilometer vor den Toren der heutigen Zehn-Millionen-Metropole Hyderabad lag jene Festung auf einem Granithügel, die jahrhundertelang der wichtigste Markt- und Lagerplatz für Edles war: Golkonda. Denn bis ins frühe 18. Jahrhundert befanden sich die einzigen bekannten Diamantenminen der Welt auf dem Subkontinent - und die besten, kostbarsten Steine wanderten in die Burgfeste der Fürsten.

Während gewöhnliches Blaublut sein Geschmeide traditionell in Karat wiegt, war diese Gewichtseinheit für den Herrscher Golkondas sinnlos. Er besaß Diamanten kilo-, ja zentnerweise, und bei Gold war die praktischste Rechengröße die Tonne. In den Gewölben Golkondas und der Paläste Hyderabads lagerten säckeweise Rubine, Spinelle und kostbarste Jade aus Birma, Smaragde aus Kolumbien. Sein Hort an Basra-Perlen, groß wie Wachteleier, hätte einen Pool von 50 Meter Länge für Olympische Spiele füllen können. Es war die schillerndste Schatzkammer jener Zeit, aller Zeiten. Das heutige Grüne Gewölbe in Dresden, die Preziosensammlung des Sachsenfürsten August des Starken, ist verglichen damit ein Trödelladen.

Überreicher Geizkragen


Den Thron bestiegen Osman Ali Khans Vorfahren, indem sie ihn usurpierten. 1687 hatte Aurangzeb, der Großmogul im Norden Indiens, Golkonda erobert und einen ihm ergebenen Vizekönig ernannt. Der wiederum erklärte sich 1724, als das Mogulreich politisch ins Straucheln geriet, für unabhängig und machte fortan sein eigenes Ding. Jedenfalls fast. Denn einerseits gab sich Hyderabad stets souverän, andererseits blieb man Aurangzebs Erben vasallenhaft verbunden - und später, im 19. und 20. Jahrhundert, war man formal den Briten untertan.

Dessen ungeachtet frönten die Nizams der Tradition der "Nazars" - Geschenke an den Herrscher, um dessen Zuneigung zu wahren und geschmeidige Entscheidungen zu fördern. Was immer dem Herrscher gefiel, musste ihm sogleich, so der Brauch, geschenkt werden. Juwelen oder Gold zum Beispiel. Ein schmucker Paradeelefant, ein polyglotter Eunuch. Oder auch ein Schloss - so geschehen mit dem Falaknuma- Palast zu Hyderabad, den der oberste Minister des Nizam baute und prompt, als er in den 1890er-Jahren vollendet war, dem Nizam übereignen "durfte".

Trotz Pracht und Prunk galt Osman Ali Khan jedoch schon zu Lebzeiten als Knauserer. Sicher ist, dass er im Unterschied zu seinem Vater Mahbub Ali Khan, einem Verschwender erster Güte, ein Geizkragen war. So trug der sechste Nizam seinem Naturell entsprechend jedes Kleidungsstück, durchweg von opulentester Machart, nur einmal. Sein Kleiderschrank maß entsprechend mehr als 50 Meter und zwei Stockwerke - man konnte die Sachen ja schlecht wegwerfen. Sein Sohn hingegen trug gern Pyjamas und Flipflops und zählte, wenn er privat Besuch empfing, schon mal die Kekse zum Tee ab, um die Haushaltskasse zu schonen.

Doch auch Osman Ali Khan, bis heute als Geizhals bekannt, frönte in Wirklichkeit keineswegs der Askese: mehrere Dutzend Residenzen, ein Fuhrpark mit 60 Karossen, ein Tafelservice aus purem Gold für 100 Gäste sowie 200 Frauen und Konkubinen in seinen Privatgemächern inklusive Hunderter Kinder, Adoptivkinder, Enkel und einem Heer von Bediensteten. Bis ins hohe Alter sprach er täglich den Freuden des Opiums zu.

Trotz alledem war er ein liberaler Landesfürst, der sein Reich durchreformierte. Er führte die Schulpflicht ein, gründete Universitäten, baute Krankenhäuser, Wasserwerke, Eisenbahnen.

Die späten 1940er-Jahre, als Indien seine Unabhängigkeit erlangte, sollten jedoch den Anfang vom Ende der Nizam-Ära einläuten. Eigentlich wollte Osman Ali Khan Hyderabad als eigenständigen Staat erhalten. Doch 1948 schuf die frisch gegründete Republik Indien Fakten und marschierte ein. Das Land ergab sich, da militärisch ohne jede Chance, kampflos. Wie andere indische Maharadschas und Hochadelige auch erhielt der Nizam eine von Neu-Delhi "garantierte" Apanage. Doch die wurde unter Ministerpräsidentin Indira Gandhi, die sozialistische Ideen umzusetzen suchte, gestrichen.

Die Kosten für Hofstaat, Residenzen und die Familie blieben, hinzu kamen nun plötzlich auch noch Steuern. Die einst unermesslichen Schätze Hyderabads begannen zu schwinden. Es wurde vernachlässigt, verschleudert, geplündert. In den verfallenden Palästen wurde gestohlen, was nicht niet- und nagelfest war. In den einst idyllischen Gärten entstanden Slums. 1967 starb Osman Ali Khan mit 80 Jahren in einer schäbigen Kammer.

Pleitegegangener Erbe


Sein Enkel und Titelerbe wiederum, Mukarram Jah, der achte Nizam, war kein übler Mensch, clever auf seine Art, wohlmeinend. Doch er hatte schlechte Berater und Freunde - und alle wollten an sein Geld. Frustriert von den Kabalen in Hyderabad, kaufte er sich in der Ödnis Westaustraliens ein großes Wüstenreich, Murchison House Station. Dort gab es keinen intriganten Hofstaat, dafür jedoch Kängurus, Schafe und reichlich Disteln - und ebenfalls keine wirtschaftliche Perspektive.

Ein Vierteljahrhundert lang frönte Jah seiner Passion und preschte per Bulldozer, Amphibienfahrzeug, Truck und behängt mit Schießgewehren durchs Outback. Als er pleite war, setzte er sich schließlich in die Türkei ab, wo er zurückgezogen in einer Wohnung lebt - der letzte der legendären Nizams von Hyderabad. Oft besichtigt er inkognito die römischen Ruinen in Kleinasien: das Erbe, das Echo eines großen Reiches.