Eigentlich ist es ein klarer Fall: Verkaufen Aktionäre im Übernahmefall ihre Papiere, dann doch an den Meistbietenden. Demnach wäre es nur logisch, dass Osram-Eigner ihre Aktien dem österreichischen Halbleiterhersteller AMS für je 38,50 Euro andienen und nicht dem noch bis 5. September bietenden Konsortium der Finanzinvestoren von Bain und Carlyle für 35 Euro. Doch so einfach ist es nicht.

Die Übernahmeofferte der beiden amerikanischen Private-Equity-Unternehmen hat Osram bereits Ende Juli gebilligt. "Sie unterstützen unsere Strategie und ermöglichen Wachstum", begründete Vorstandschef Olaf Berlien damals. Klar, mit den Investoren an Bord kann er sein Strukturprogramm, wonach sich der Münchner Konzern aus dem klassischen Lichtgeschäft verabschieden und sich in ein Hightech-Photonik-Unternehmen mit einem Schwerpunkt auf optische Halbleiter, Automobil- und digitale Anwendungen wandeln soll, fortführen.

Die Arbeitnehmerseite befürwortete die Übernahme ebenfalls. Nur der größte Eigner Allianz Global Investors, der mehr als neun Prozent an Osram hält, erhob Einwände gegen den Preis. Die Aktie sei mehr wert als die angebotenen 35 Euro, hieß es damals von Allianz Global Investors.

Zerschlagung droht


Nun bietet AMS zehn Prozent mehr. Allerdings gibt es Bedenken. Zum einen dürfte AMS nach der Fusion die Führung beanspruchen. Dann droht die Zerschlagung Osrams. Die Österreicher schielen vor allem auf das Autozulieferer- und Photonikgeschäft, die Digitaldivision würden die neuen Manager verkaufen wollen. Die Produktion im wichtigen asiatischen Raum soll zudem konsolidiert werden. Berlien sprach in einer Telefonkonferenz von einer notwendigen intensiveren Strategiediskussion mit AMS, in der er sich auch für das Digitalsegment stark machen will.

Die Gewerkschaft IG Metall sieht zudem Integrationsrisiken: "Es stellt sich auch die Frage, ob das AMS-Management ausreichend Erfahrung hat, um eine derart komplexe und große Integration stemmen zu können", hieß es. AMS hat 2018 einen Umsatz von 1,4 Milliarden Euro ausgewiesen, Osram - ohne das verkaufte Verbrauchergeschäft - 3,8 Milliarden Euro. Der letzte Zukauf von AMS war ein US-Sensorenhersteller für 50 Millionen Dollar, also deutlich kleiner. Für Osram würden die Österreicher 4,3 Milliarden Euro auf den Tisch blättern müssen. Die mit der Fusion anvisierten Wachstums- und Margenziele sowie Kostenersparnisse von 300 Millionen Euro gelten zudem als ambitioniert.

Aktionäre, die ihre Aktien bereits Bain und Carlyle angedient haben, können wieder zurücktreten. Das ist sinnvoll, aber nicht wegen des AMS-Angebots. Marktgerüchten zufolge sollen die US-Amerikaner ein höheres Angebot nachlegen wollen. Voraussichtlich bis Anfang Oktober haben Anleger dann Zeit, sich zu entscheiden. Viel Zeit für eine Bieterschlacht.

Geduld: Der Aktienkurs hat auf das zweite Angebot von AMS verhalten reagiert, noch liegt er unter dem Angebot. Dabeibleiben.

Empfehlung: Beobachten.
Kursziel: 40,00 Euro
Stoppkurs: 29,00 Euro