von Klaus Schachinger, Euro am Sonntag

Johannes S. sei kein pro­fessioneller Hacker, so die Ermittler über den Täter in Deutschlands jüng­s­­­tem Datenskandal. Die Sorg­losigkeit der Webnutzer, etwa bei Passwörtern, habe es dem 20-Jährigen leicht gemacht. Kenntnisse, die er sich im Internet angeeignet hatte, reichten, um Nutzerkonten von zahlreichen Politikern und Promis zu kapern.

Ähnlich leicht war es, Konten auf Instagram, Youtube und Twitter zu manipulieren. Aus 8.000 E-Mails, 35.000 Bildern und 600 Videos bediente sich Johannes S., um Details über die Opfer breit zu streuen. Und soeben wurde bekannt dass auf der Cloud-Plattform Mega ein 87-Gigabyte-Datensatz mit über 1,16 Milliarden Kombinationen von E-Mails und Passwörtern, auch aus Deutschland, online war. Wer bislang sorglos surfte, den, sollte jetzt gewarnt sein.

Smartphones, Tablets und soziale Netzwerke sind Alltag. Längst sind hierzulande Privatleute wie Firmen regelmäßig Angriffsziele von Datendieben, so das Bundeskriminalamt. Die Schäden durch Cyberkriminalität schätzt der IT-Verband Bitkom für die Jahre 2016 und 2017 auf 110 Milliarden Euro.

Mit der Vernetzung nimmt die Angriffsfläche zu. In der Industrie verbinden viele Unternehmen ihre Produktion über das Netz. Hierzulande werde bereits jede vierte Firma und jeder zweite Haushalt von Hackern ins Visier genommen, sagen die Experten. Cybersecurity-Policen für Firmen sind in der Versicherungsbranche ein neuer Wachstumsmarkt. Für 2019 zählt Experian, ein global aufgestellter Experte zur Einschätzung von Kredit­risiken, Hackerangriffe auf einen der großen Cloud-Anbieter zu den Top-Risiken für die Wirtschaft.

Höhere Priorität

Die Konsequenz: Weltweit rüsten Firmen beim Datenschutz auf. 2019 werden Unternehmen laut US-Marktforscher Gartner Group ihre Ausgaben für Cybersecurity um neun Prozent auf über 124 Milliarden Dollar steigern. Bei der Planung der IT-Budgets steht die Datensicherheit ganz oben auf der Liste. Das signalisiert auch das Risikobarometer der Allianz: Von rund 1900 befragten Unternehmen werden Datenangriffe in den Top Ten der größten Geschäftsrisiken auf Platz 2 genannt, 2018 war es Platz 4.

Der Hack von Johannes S. wirkt im Vergleich zu anderen Fällen harmlos. Bis März 2018 verschafften sich Hacker in Indien über eine ungesicherte Verbindung im IT-Netzwerk eines staatlichen Energieunternehmens Zugriff auf die Datenbank der Regierungsbehörde Aadhar. Sie gelangten an Profile von 1,1 Milliarden Bürgern, einschließlich Bankverbindungen. Bei der Hotelkette Marriott wurden von 2014 bis 2018 die Daten von 500 Millionen Gästen kopiert. "Die Wahrheit ist, dass Einbrüche wie diese zwar häufig sind, aber nur selten aufgedeckt und noch seltener gemeldet werden", sagt Vivek Chudgar, Manager bei der US-Datensicherheitsfirma Fireeye.

Weltweit bekannt wurden die Spezialisten für Netzwerksicherheit, als sie Schwachstellen im Microsoft-Webbrowser Internet Explorer aufdeckten und Angriffe von Gruppen automatisierter Schadprogramme, sogenannter Bots, abwehrten. Die Funktionsweise der Algorithmen von Fireeye gelten in der Branche als revolutionär.

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Generalisten unter Druck

Mit der häufigeren Nutzung von Mietsoftware in der Cloud boomt auch das Geschäft mit Abwehrsystemen gegen unerlaubte Zugriffe auf die Datenwolke. Das Wachstum in diesem Marktsegment ist laut Analysten von Bloomberg Intelligence mit 14 Prozent besonders stark. Der Markt für Cybersecurity insgesamt wächst jährlich um acht bis neun Prozent.

Von Wachstum in bestimmten Segmenten profitieren vor allem gut aufgestellte, mittelgroße Spezialisten. Dank neuer Technologieansätze können sie Hackerangriffe besser abwehren und schneller auf neue Strategien der Datendiebe reagieren als die großen Generalisten der Branche wie Symantec, Check Point Software oder Trend Micro.

Beispiel Firewalls: Das sind die digitalen Schutzwälle für die IT-Netzwerke von Unternehmen. Hier setzt der Anbieter Palo Alto Networks den Platzhirsch Check Point Software unter Druck. Über 40 Prozent seiner 2,8 Milliarden Dollar Umsatz fährt der Herausforderer mit Abosoftware in der Cloud ein. Diese Programme können blitzschnell aktualisiert werden.

Zu den aussichtsreichen Aufsteigern gehört auch Zscaler mit Sitz in San José, Kalifornien. Mit den Programmen der Firma, die ausschließlich als Abosoftware angeboten werden, überwachen Firmen den Datenverkehr in der Cloud. Der innovative Ansatz: Der Datenverkehr von Nutzern und in den Anwendungsprogrammen im Netzwerk eines Firmenkunden läuft im Idealfall vollständig über die Cloud des kalifornischen Sicherheitsdienstleisters. Damit soll das IT-Netzwerk des Firmenkunden von Zscaler für Hacker unsichtbar werden. Analysten der US-Bank Needham trauen dem auf Rechenzentren fokussierten Cloud-Dienstleister binnen drei Jahren die Verdreifachung des aktuellen Umsatzes auf über eine Milliarde Dollar zu.

Größe als Nachteil

Unterdessen stecken viele der großen, herkömmlichen Anbieter - allen voran der globale Primus Symantec - in Wachstumsfallen. Der Grund: Das Segment ist stärker als andere Softwaremärkte von rasend schnellem Wandel geprägt. Größe allein ist hier kein Selbstläufer. Symantec etwa erwägt einen Rückzug von der Börse - auch um sich neu aufzustellen.

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Investor-Info

Palo Alto Networks
Fokus auf die Cloud

Ein Wachstumstreiber ist das neue Firewall-Produkt. Besser ins Geschäft kommen will der kalifornische Spezialist mit Internetdienstleistern und Hyperscalern wie Amazon, die große Rechenzentren betreiben. Mit jährlichen Raten von im Schnitt über 18 Prozent bis 2022 wächst der Konzern mit zuletzt 2,3 Milliarden Dollar Umsatz stark. Gemessen am jährlichen Gewinnplus von mindestens 25 Prozent, das bis 2022 durchschnittlich erwartet wird, ist die Aktie günstig.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 210,00 Euro
Stoppkurs: 135,00 Euro

Fireeye
Verstärkung nötig

Was dem erfolgreichen Detektor von Schwachstellen in IT-Netzwerken weiterhin fehlt, ist eine gute Firewall-Software. Damit könnte Fireeye seine Kernkompetenz in einem größeren Gesamtpaket verkaufen. Das dürfte auch der Aktie die notwendigen Impulse geben. Derzeit läuft das Papier im ­Seitwärtstrend. Halteposition.
Empfehlung: Beobachten.
Kursziel: 17,00 Euro
Stoppkurs: 12,00 Euro

Zscaler
Begehrter Börsendebütant

Für Firmengründer Jagtar Chaudhry war die Verdopplung des Börsenwerts zum Debüt im März 2018 eine Auszeichnung, weil er die Firma ohne Risikokapital aufbaute. Zscalers Technologie ist begehrt. Die Aktie ist teuer. Im nächsten Geschäftsjahr, das im August beginnt, soll die Firma profitabel werden. Bis 2021 erwarten Analysten mindestens 30 Prozent mehr Umsatz pro Jahr. Risiko­freudige Anleger ordern mit Limit.
Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 46,00 Euro
Stoppkurs: 32,40 Euro