Viele Menschen kennen das Zucker-Ratespiel noch aus ihrer Kindheit. Zahnärzte spielen es gern, um ihren Warnungen vor Süßem Gewicht zu verleihen: Wie viele Zuckerwürfel enthält ein Glas Cola? Die Antwort heute: neun. Das ist fast ein Würfel weniger als noch vor einigen Jahren. Und der Zuckergehalt soll weiter sinken, nicht nur in Getränken der Coca-Cola Company. Konkurrent PepsiCo hat Anfang Juli angekündigt, seinen in der Europäischen Union verkauften Limonaden künftig weniger Zucker zuzusetzen. Bis zum Jahr 2050 sollen die Getränke nur noch halb so viel Kristallsüße enthalten wie im Jahr 2019, bis 2025 immerhin ein Viertel weniger.

In vielen Industriestaaten wollen sich die Konsumenten gesünder ernähren. Dazu gehört auch, weniger Kalorien in flüssiger Form zu sich zu nehmen. Fußballstar Cristiano Ronaldo unterstrich diesen Wandel öffentlich, als er während der Fußball-Europameisterschaft bei einer Pressekonferenz kamerawirksam zwei Cola-Flaschen beiseiteschob und stattdessen zu einer Flasche Wasser griff.

Die große Zeit der Softdrink-Hersteller ist aber keineswegs vorüber. Die wichtigen Player sind längst dabei, ihre Produktpaletten auf das neu erwachte Gesundheitsbewusstsein der Kunden auszurichten. In den kommenden Jahren könnten die behäbig gewordenen Branchen-Dickschiffe durch diesen nicht ganz freiwilligen Wandel sogar frischen Rückenwind bekommen. Denn das Geschäft mit klassischen Erfrischungsgetränken wächst fast nur noch in Schwellenländern. Das heißt nicht, dass Anbieter nun ihre Dauerbrenner vernachlässigen würden. Abseits der Selbstläufer setzen sie aber verstärkt auf Klasse statt Masse.

So hat Coca-Cola im vergangenen Jahr seine Produktpalette, die zu dieser Zeit mehr als 400 Marken umfasste, auf die Hälfte geschrumpft. Durch die Covid- 19-Pandemie hätten viele lokale Produkte nicht mehr genug Umsatz erzielt, sagt Marc Decker, Leiter des Fondsmanagements bei der Münchner Privatbank Merck Finck. Bei den verbliebenen Getränken gibt es einen klaren Trend: "Das Unternehmen verlagert sich zunehmend weg von zuckerhaltigen Getränken hin zu Wasser, Säften sowie Tee und Kaffee", sagt Decker.

Rund 140 Produkten verpasste Coca-Cola im vergangenen Jahr eine neue Rezeptur mit dem Ziel, die Menge des zugesetzten Zuckers zu reduzieren. Im August soll zudem Coke Zero Sugar ein neues Design bekommen, schwarze Schrift auf rotem Grund. Laut Branchenbeobachtern bläst das Unternehmen mit dem Rebrush zum Angriff auf PepsiCo. Der Rivale verzeichnete mit Pepsi Zero Sugar in den USA zuletzt ein deutlich stärkeres Wachstum.

Alle gegen Kalorien

Die Zuckerreduktionspläne von PepsiCo passen ins Bild. Zu den in Europa bekannten Getränkemarken des US-Unternehmens, die betroffen sein dürften, gehören neben Pepsi-Cola vor allem Lipton Ice Tea, 7up und Mirinda. Auch in seiner Snack-Sparte will der Konzern Kalorien sparen und den Umsatz mit als gesünder vermarktbaren Produkten deutlich steigern. Ähnlich sieht es bei Keurig Dr Pepper aus. Die US-Firma, zu deren Marken etwa Schweppes und Sunkist gehören, kündigte im April an, in den USA eine neue Zero-Sugar-Variante ihres Softdrinks Dr Pepper in drei verschiedenen Geschmacksrichtungen auf den Markt zu bringen.

Zuckerarme und vorgeblich gesunde Erfrischungsgetränke sind ein Wachstumsmarkt. Zwar enthalten neue Produkte mehr Kristallsüße oder Alternativen wie Agavendicksaft als Zero-Sugar-Softdrinks. Dafür lassen sie sich aber als "natürlich" vermarkten. Es geht nicht nur um weniger Zucker, sondern auch darum, Verbrauchern das Gefühl zu geben, gesünder zu konsumieren. Das klappt gut: Nicht zuletzt dank des Trends zum gesundheitsbewussten Trinken dürfte der globale Softdrink- Markt laut dem Marktforschungshaus Fior Markets bis zum Jahr 2028 im Schnitt um mehr als acht Prozent pro Jahr wachsen.

Auch kleine Unternehmen und Gründer haben das Potenzial von "natürlicheren" Softdrinks erkannt. Die Zahl der neuen, hippen und nicht so zuckrigen Getränke ist in den vergange- nen Jahren regelrecht explodiert. Von Lemonaid über den Fast-schon-Klassiker Bionade bis hin zu den Biozisch-Produkten des Öko-Saftproduzenten Voelkel: Wer sich guten Gewissens einen einschenken will, hat in Deutschland heute die Qual der Wahl. Die Getränke kleinerer Hersteller lägen aber meist nur für kurze Zeit oder bei einem speziellen Publikum im Trend, sagt Werner Sommer, Geschäftsführer der Düsseldorfer Vermögensverwaltung Grossbötzl, Schmitz & Partner und Co-Manager eines Aktienfonds, der in führende Nahrungsmittelkonzerne investiert. Das verhindere einen größeren Geschäftserfolg.

Große im Vorteil

Die Marktmacht der Branchenriesen kommt ihnen in der aktuellen Umbruchphase zugute. Lokale Limonadenhersteller können ihnen nicht gefährlich werden. Ausgerechnet die Erfinder der klebrigsten aller Softdrinks dürften so am stärksten von der Nachfrage nach weniger kalorienreichen Alternativen profitieren. Zu diesen Alternativen gehört etwa ein Getränk, das alles andere als neu ist, aber bei immer mehr Verbrauchern auf Interesse stößt: "Mineral- und Tafelwasser gilt zunehmend als Lifestyle-Produkt und macht einen Großteil des weltweiten Getränkekonsums aus", sagt Sommer. Bekannte Wassermarken wie Bonaqua, Vio und Apollinaris gehören zu Coca-Cola. Unter dem Dach von PepsiCo finden sich Aquafina und LifeWTR, ein "Premiumwasser" mit zugesetzten Elektrolyten.

Softdrinks sind weiterhin ein wichtiger Part der Basiskonsumgüter-Branche, urteilt Fondsmanager Sommer. Dementsprechend attraktiv bleiben die Aktien von Herstellern. Viele Titel des Sektors wurden vom Corona-Crash in Mitleidenschaft gezogen, und noch nicht alle haben sich angesichts weiterhin gedämpfter Gastronomie-Umsätze schon komplett erholt. Auf lange Sicht punkten viele Softdrink-Aktien aber mit einem steten Kurswachstum und stabilen Dividenden. Durch den Wandel in der Branche kommt nun zusätzliche Kursfantasie ins Spiel. Für Langfristanleger bieten sich hier auch ein gutes Jahr nach den Covid-Kursstürzen noch Einstiegschancen.
 


INVESTOR-INFO

PepsiCo

Softdrinks und mehr

Zum Portfolio des US-Unternehmens gehören neben Softdrinks auch Snack-Marken wie Doritos, Lay’s und Cheetos. Damit ist PepsiCo breiter aufgestellt als Coca-Cola - und will diese Stärke nutzen, um zum Rivalen aufzuschließen. Snacks und Getränke sollen künftig etwa in Deutschland zusammen vermarktet werden. Nach einem soliden Wachstum im zweiten Quartal hat der Konzern seine Umsatzprognose für das Gesamtjahr angehoben. An der Börse präsentiert sich PepsiCo als solides Investment für Langfristanleger.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 150,00 Euro
Stoppkurs: 115,00 Euro

Coca-Cola

Solider Traditionalist

Warren Buffett zählt die Aktie des Softdrink-Urgesteins zu seinen Lieblingen. Der Konzern gehört zu den verlässlichsten Dividendenzahlern an der Wall Street, allein an den Starinvestor schüttete der Konzern zuletzt rund 640 Millionen US-Dollar aus. Für die Zukunft ist Coca-Cola mit Lifestyle-Getränkemarken wie Fuze Tea, Honest und Innocent gut gerüstet. Zuletzt schlug der Konzern mit seinen Zahlen die Erwartungen deutlich. Für langfristig orientierte Anleger interessant.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 55,00 Euro
Stoppkurs: 41,70 Euro

Monster Beverage

Spaß am Risiko

Ähnlich wie Red Bull setzt Monster, an dem Coca-Cola mit rund 20 Prozent beteiligt ist, auf effektvolles Risikosport-Sponsoring. In der Bewertung spiegeln sich ambitionierte Erwartungen wider. Die Aktie schwankt stark und ist eher etwas für Adrenalinjunkies als für Basiskonsumgüter-Fans. Hochriskant.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 100,00 Euro
Stoppkurs: 69,00 Euro