Ein Vermögen von einer Million Euro scheint eine Art magische Grenze zu sein. Laut der fünften Reichtums-Studie von RWB Private Capital beginnt für die Hälfte der Bundesbürger "Reichtum" ab dieser Summe. Und immer mehr Menschen hierzulande verfügen über so viel Geld, wie der World Wealth Report der Beratungsfirma Capgemini feststellt. Demnach gab es in Deutschland Ende 2020 1,535 Millionen Menschen, die über ein liquides Vermögen von umgerechnet mehr als einer Million Dollar verfügen. Das sind 4,7 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Im Vorjahr lag der Zuwachs bei 8,6 Prozent.

Genau diese Kundengruppe ist es auch, für die das sogenannte Private Banking infrage kommt. Denn auch aufgrund der zunehmenden regulatorischen Anforderungen, die für zusätzliche Kosten und Mehraufwand sorgen, bieten die meisten Privatbanken diese sehr persönliche Betreuung erst ab einem solchen Vermögen an. Im Kern geht es dabei heute um die ganzheitliche Betrachtung des Kundenvermögens und die individuell passende Ausrichtung der Asset Allocation. Also um die Frage, welchen Anteil welche Anlageklasse im Portfolio haben soll. Damit hat sich das Private Banking in den vergangenen Jahren stark verändert.

Anforderungen ändern

"Tatsächlich war der typische Kundenbetreuer früher mehr der klassische Wertpapierspezialist, der seine Kunden hinsichtlich der Anlage in liquide Wertpapiere beraten hat, während Vermögensverwaltung eher die Ausnahme war", erläutert Daniel Sauerzapf, Leiter Wealth Management bei Merck Finck Quintet Private Bank. Es ging also um die Frage, ob Daimler oder BMW aussichtsreicher ist. "Heute sprechen wir eher von der Institutionalisierung des Private Banking", sagt Holger Sepp, Vorstandsmitglied bei Hauck & Aufhäuser. "Das heißt, dass sich die Anforderungen der vermögenden Privatkunden denen institutioneller Kunden wie Versicherungen oder Pensionskassen annähern."

Dabei dürfte die Erkenntnis, dass die Aufteilung zwischen den Anlageklassen zu 85 Prozent über den Anlageerfolg entscheidet, eine wichtige Rolle spielen. Und hier kommen, auch bedingt durch das Niedrigzinsumfeld, zunehmend alternative Sachwertanlagen ins Spiel. Dass dem so ist, führt Sepp auch auf die Beispiele amerikanischer Stiftungen wie Yale oder Harvard zurück, die mit einer hohen Investitionsquote in Sachwerte gut durch verschiedene Kapitalmarktturbulenzen kamen. "Wir empfehlen unseren Private-Banking-Kunden deshalb, zehn bis 20 Prozent Sachwerte beizumischen", sagt er.

Mehr Portfoliostabilität

Dieser Rat basiert auch auf einer Untersuchung, die Hauck & Aufhäuser zusammen mit der Handelshochschule Leipzig durchgeführt hat. Dafür wurden den vier Standardportfolios der Privatbank, die sonst nur in Anleihen, Aktien sowie Liquidität und Edelmetalle investieren, Private Equity, Immobilien und Infrastruktur im Umfang von insgesamt 15 Prozent beigemischt. Das Ergebnis: In allen Portfolios hat sich die Sharpe-Ratio, also das Verhältnis zwischen Rendite und Risiko, verbessert. Dabei stieg die Rendite aller Portfolios an, während in drei Fällen eine Reduzierung der Wertschwankungen festgestellt werden konnte. "Zudem hat sich die Portfoliostabilität durch die Beimischung von Sachwerten gerade in Krisenzeiten erhöht", so Sepp.

Zu dieser strategischen Vermögensplanung und -beratung, die vom Portfoliomanagement der jeweiligen Bank umgesetzt wird, kommen zahlreiche weitere Dienstleistungen. Dazu gehört die reine Anlageberatung, bei der der Kunde über seine Anlage selbst entscheidet, die Immobilien- und Finanzierungsberatung, Themen wie Stiftungsgründung oder Unternehmensnachfolge, die Verfügbarkeit eines breiten Netzwerkes zu anderen Experten wie Steuerberatern oder die Begleitung des Kunden gerade durch turbulente Marktphasen. "Wichtig ist dabei, dass es stets um die private, familiäre und oft auch unternehmerische Situation geht", ergänzt Lukas S. Risi, Leiter Private Banking und stellvertretender CEO der Schweizer Privatbank Maerki Baumann. "Es geht also um eine generationenübergreifende und nachhaltige Entwicklung und nicht um kurzfristige Anlageerfolge."

Digitale Herausforderung

Ganz verschließen kann sich das Private Banking aktuellen Entwicklungen dabei aber nicht. Die vermutlich größte Herausforderung besteht - neben der Regulierung - in der Digitalisierung. Dazu zählt nicht nur die Notwendigkeit, in eine verbesserte IT-Infrastruktur zu investieren, sondern auch das Aufkommen von Fintechs oder Robo Advisor.

Im Jahr 2019 verwalteten deutsche Robo Advisor laut dem Statistikportal Statista mehr als vier Milliarden Euro, bis 2024 sollen es Prognosen zufolge fast 30 Milliarden Euro sein. Daniel Sauerzapf sieht das jedoch nicht als Konkurrenz. "Vielmehr können wir deren Lösungen und Plattformen in das Private Banking integrieren, um Prozesse und Abläufe effizienter und effektiver zu gestalten."

Zunehmendes Interesse an Krypto

Zugleich verändert sich die Zusammensetzung des Kundenstamms der Privatbanken. Schließlich soll laut dem Deutschen Institut für Altersvorsorge zwischen 2015 und 2024 Vermögen im Wert von 2,1 Billionen Euro an die nächste Generation weitergegeben werden. Zunehmend also ist es die Generation der Erben, die Next Generation, die große Vermögen übernehmen wird. Und deren Erwartungen an eine Privatbank sind oft ganz andere als die der Vorgängergeneration, beispielsweise eine globale und permanente Verfügbarkeit oder ein hohes Maß an Transparenz.

"Zwar werden auch sie nicht ganz auf den persönlichen Kontakt verzichten, dennoch verlagert sich die Kommunikation bereits verstärkt auf die digitalen Medien", hat Risi beobachtet. Diese Entwicklung sieht auch Sauerzapf. "Eine Privatbank muss heute die Kommunikation auch über Videokonferenzen, Messenger-Dienste, hybride Formate und Betreuungsmodelle anbieten können, Informationen in Echtzeit verfügbar machen und künftig Dinge wie eine digitalisierte Vertragsgestaltung ermöglichen", erklärt er.

Letzteres ist eine Entwicklung, die eng mit dem Aufkommen der Kryptowährungen, der Blockchain-Technologie und der Tokenisierung von Assets verbunden ist. "Wir stellen tatsächlich fest", sagt Holger Sepp, "dass unsere Kunden sich verstärkt für diesen Bereich interessieren." Eine Entwicklung, auf die das Private Banking ebenfalls reagieren muss. "Wir haben deshalb schon Anfang 2019 eine mehrstufige Kryptostrategie aufgesetzt, da wir davon überzeugt sind, dass digitale Vermögenswerte künftig fester Bestandteil einer professionellen Anlageberatung und Vermögensverwaltung sein werden", erklärt Risi.

Ohne Frage werden die Digitalisierung und die neuen Anforderungen durch die Next Generation eine wesentliche Herausforderung, die das Private Banking in den kommenden Jahren beschäftigen wird. "Das heißt, der technische Fortschritt wird die Welt um den Berater herum stark verändern, aber auch die Komplexität vereinfachen", so Sauerzapfs Fazit.

Und weiter: "Dann bleibt idealerweise mehr Zeit für das eigentliche Thema, also die persönliche Beratung und Betreuung. Die nämlich wird auch in Zukunft noch der Kern im Private Banking sein."
 


INVESTOR-INFO

Deutsche Bank

Der Platzhirsch

Das Finanzinstitut ist größter Private-Banking-Anbieter hierzulande und wird vom wachsenden Beratungsgeschäft mit Wohlhabenden besonders profitieren. Der Aktie hilft zudem, dass alle Geschäftsbereiche des Geldhauses profitabel arbeiten, sodass 2021 höhere Erträgen erwartet werden.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 14,00 Euro
Stoppkurs: 8,50 Euro

Julius Bär

Schweizer Wertarbeit

Das Züricher Bankhaus, traditionell stark in der Vermögensverwaltung, ist auf Wachstumskurs. Zuletzt verdoppelte Julius Bär das Neugeschäft zum Vorjahr. Achtung: Schweizer Aktien sind nur über Broker mit Zugang zur Schweizer Börse handelbar.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 75,00 Euro
Stoppkurs: 47,00 Euro

Anlagestrategien

Portfoliotipps für Jedermann

Laut der RWB-Studie finden es 57,5 Prozent der Bundesbürger erstrebenswert, reich zu sein, also über ein Vermögen von mehr als einer Million Euro zu verfügen. Ganz einfach ist es zwar nicht, dorthin zu gelangen, aber möglicherweise kann ein Blick in das Private Banking und die Portfolios vermögender Menschen hilfreich sein. So bietet eine Studie des Bayerischen Finanzzentrums aus dem Jahr 2019 einen Einblick in die Portfolios von noch deutlich wohlhabenderen Family-Office-Kunden. Auffällig ist hier, dass diese im Schnitt fast 30 Prozent Aktien in ihren Portfolios haben, dazu kommen noch Private- Equity-Investments in Höhe von rund 15 Prozent. Liquidität und Anleihen machen dagegen nur knapp 35 Prozent aus. Der Rest der Vermögen steckt in Immobilien, Rohstoffen und Hedgefonds.

Dies steht im Gegensatz zu deutschen Haushalten, deren Privatvermögen sich laut Bundesbank zu über 70 Prozent aus Bankeinlagen und Ansprüchen gegenüber Versicherungen und Pensionskassen zusammensetzt. "Ohne Frage steht das Private Banking dafür, den Menschen nahezubringen, dass insbesondere Aktien für jeden Anleger alternativlos und für den langfristigen Vermögensaufbau unverzichtbar sind", erläutert Daniel Sauerzapf von Merck Finck. "Ebenso wichtig ist, dass Private-Banking-Portfolios eine breite Diversifizierung aufweisen, was zusammen mit der Berücksichtigung von Risiken entscheidend für den Anlageerfolg ist", ergänzt Lukas S. Risi von Maerki Baumann.

Digitale Vermögensverwalter

Hilfe durch Robo-Advisor

Anleger mit geringerem Vermögen müssen nicht ganz auf die Informationen, die vermögenden Kunden zur Verfügung stehen, verzichten. Ein Blick auf die Anlagegrundsätze und -strategien vermögender Investoren kann deshalb schon beim eigenen Vermögensaufbau weiterhelfen. Zudem bekommen Interessierte über digitale Vermögensverwaltungen zum Teil Zugang zu einem Portfoliomanagement, das auf den Grundsätzen des Private Banking aufbaut. So hat Hauck & Aufhäuser mit Zeedin eine Plattform aufgebaut, mit der Kunden auch kleinere Vermögen individuell passend und professionell managen lassen können. Ähnliche Services bieten inzwischen auch andere Privatbanken an. Im Robo-Advisor-Test (Euro-am-Sonntag-Ausgabe 29/2021), den €uro am Sonntag mit dem DKI durchgeführt hat, landeten zudem Whitebox, Growney und Quirion weit vorne in der Wertung der besten digitalen Vermögensverwalter.