Aktionäre des Medienkonzerns ProSiebenSat.1 hatten im zurückliegenden Jahr wenig Grund zur Freude. Während DAX und MDAX das Börsenjahr 2019 mit Kursgewinnen von jeweils mehr als 20 Prozent abschließen konnten, präsentierte sich der Titel als einer der schwächsten Werte innerhalb der DAX-Familie. In den vergangenen zwölf Monaten verlor der Aktienkurs um rund zehn Prozent und setzte den seit 2015 andauernden Abwärtstrend damit weiter fort.

Nach wie vor belasten vor allem Probleme im bisherigen Kerngeschäft mit TV-­Inhalten und Werbung, wie die jüngsten Quartalsergebnisse einmal mehr zeigten. Die Erlöse bei der TV-Werbung sanken im dritten Quartal mit einem Minus von sechs Prozent drei- bis viermal schneller als beim Konkurrenzsender RTL. Da sich das Werbegeschäft im Schlussquartal traditionell schwankungsanfällig zeigt und sich nur schwer abschätzen lässt, bereitete das Management die Aktionäre schon einmal auf einen ähnlich schwachen Jahresausklang vor. Im schlimmsten Fall könnte das bereinigte Ebitda im Gesamtjahr auf bis zu 850 Millionen Euro sinken. Im Vorjahr hatte ProSiebenSat.1 noch mehr als eine Milliarde Euro verdient.

Mittelfristig dürften sich die Werbeeinnahmen dank eines wieder besseren Konjunkturausblicks zwar zumindest stabilisieren, doch die strukturelle Schwäche des klassischen TV-Geschäfts bleibt. Zuletzt hatte es gerade noch einen Anteil von 44 Prozent am Konzernumsatz, und es wird zukünftig weiter an Bedeutung verlieren. Die Herausforderung für Vorstandschef Max Conze ist, dass er die richtigen strategischen Antworten finden muss, um den Wandel vom angestaubten Fernsehsender zum modernen Digitalunternehmen zu schaffen.

Die hohen Investitionen in die neuen digitalen Geschäftsbereiche sollten sich mittelfristig auszahlen. Die im Juni 2019 gestartete Streamingplattform Joyn, die neben 55 Sendern als Livestream auch viele eigenproduzierte und exklusive Inhalte auf Abruf bietet, wird inzwischen von mehr als fünf Millionen Menschen genutzt. Das digitale Studio 71 ist zuletzt um mehr als 40 Prozent gewachsen und dürfte im kommenden Jahr die Gewinnschwelle erreichen.

Potenzial im Hintergrund


Als größter Hoffnungsträger innerhalb des Konzerns gilt aber das Tochterunternehmen Nucom Group, in der ProSiebenSat.1 seine Digitalbeteiligungen wie Elite Partner, Verivox oder Flaconi gebündelt hat. 2019 dürfte die Sparte bereits über eine Milliarde Euro an Umsatz beigesteuert haben, mittelfristig hält das Management eine Verdoppelung der Erlöse für ­realistisch. Kurz vor Weihnachten kochten nun Gerüchte über ein mögliches Interesse von Nucom am US-Unternehmen Meet Group hoch. Ein Kauf des App-Entwicklers würde den Wert der Tochter nochmals deutlich erhöhen, der jetzt schon bei mindestens zwei Milliarden Euro liegen dürfte. Einzelne Experten ­taxieren den Nucom-Wert sogar bereits höher als den momentanen Börsenwert der gesamten ProSieben-Gruppe von gut 3,3 Milliarden Euro.

Einige finanzstarke Adressen scheinen das im Konzern schlummernde Potenzial bereits erkannt zu haben. Die italienische Mediengruppe Mediaset hat beispiels­weise ihren Anteil am MDAX-Unternehmen zuletzt auf 15 Prozent ausgebaut, beim Werben um eine Zusammenführung beider Konzerne sind die Italiener bislang allerdings noch nicht auf Gegenliebe gestoßen. "Ich bin sehr skeptisch, was eine strukturelle Verschmelzung unserer Unternehmen angeht", erklärte ProSieben- Chef Max Conze gegenüber der Deutschen Presseagentur.

Zu den Großaktionären zählt zudem der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky, der sich über seine Investmentfirma Czech Media Invest (CMI) etwas mehr als vier Prozent an ProSiebenSat.1 sicherte. Weitere mehr als zehn Prozent sind dem Medientitel-affinen US-Investor Capital Group zuzurechnen. Die Schweizer Invest­mentbank Credit Suisse hält ­außerdem Kaufoptionen für gut 16,5 Prozent der Anteilscheine. Im Markt wird hinter vorgehaltener Hand darüber spekuliert, ob hinter der Position der französische Medienriese Vivendi steht. Machen die Franzosen Ernst, könnte ein spannender Übernahmepoker anstehen.

Deutliches Erholungspotenzial


Für Anleger bietet sich bei ProSiebenSat.1 damit erneut eine überaus spannende Turnaround-Spekulation. 2009 stand das Unternehmen kurzzeitig sogar auf der Kippe, der Aktienkurs notierte zeitweise bei weniger als einem Euro. Dem damaligen Management gelang schließlich die Rettung, mit der operativen Trendwende ging es auch mit dem Aktienkurs wieder gewaltig nach oben. Sechs Jahre später wurde die ProSiebenSat.1-Aktie wieder für 50 Euro gehandelt. Von diesen Kursregionen ist der Wert zwar noch weit entfernt, die derzeit ­optimistischsten Kursziele stellen mit 24 (Berenberg Bank) bis 30 Euro (JP Morgan) aber deutliches Erholungspotenzial für 2020 in Aussicht.