Recht zu bekommen kann teuer werden. Deswegen ist eine Rechtsschutzversicherung ratsam. Sie hilft inzwischen auch bei außergerichtlichen Lösungen. Von Maren Lohrer

Rate von Prozessen ab. Überzeuge deine Nachbarn von Kompromissen, wann immer es möglich ist", empfahl Abraham Lincoln, der vor seiner Zeit als US-Prä­sident als Anwalt tätig war. Der Rat aus dem 19. Jahrhundert ist noch aktuell, wie ein Blick in die Studie "Streitatlas 2019" der Generali Versicherung zeigt: Die Menschen streiten hierzulande immer häufiger und heftiger miteinander.

Es steige das Risiko, selbst im Alltag in Rechtsstreitigkeiten verwickelt zu werden, betont Giovanni Liverani, Vorstandschef der Generali Deutschland. Sein Recht durchzusetzen kann teuer werden. Wer vor Gericht klagt - oder verklagt wird -, muss auch damit rechnen, dass er unterliegt. Mit einer Rechtsschutzversicherung sinkt das Risiko, auf den Kosten sitzen zu bleiben.

Doch sie ist kein Rundum-sorglos-­Paket - oft verstecken sich Ausschlüsse im Kleingedruckten. So ist die Rechtsschutzversicherung rechtlich komplex, wie die Beschwerden zeigen, die beim Ombudsmann für Versicherungen ein­gehen. Diese Beschwerden machen deutlich, wo Probleme liegen und der Rechtsschutz eben nicht hilft.

An den Ombudsmann können sich Verbraucher wenden, wenn sie eine Entscheidung ihrer Versicherung nicht ­akzeptieren, beispielsweise wenn die Rechtsschutzversicherung Anwaltskosten - aus Kundensicht zu Unrecht - nicht trägt. Das Schlichtungsverfahren ist für die Kun­den kostenlos. Für die Sparte Rechtsschutz erhielt der Ombudsmann im vergangenen Jahr rund 3770 zuläs­sige Beschwerden, damit belegt sie den wenig schmeichelhaften Platz 1, noch vor der Lebensversicherung.

Mehr als 100 Beschwerden gingen in Zusammenhang mit Nutzerkonten bei Facebook ein, so steht es im Jahres­bericht des Ombudsmanns. Es ging um Löschungen und Sperrungen von Konten. Hintergrund der Beschwerden war das neue Netzwerkdurchsuchungs­gesetz, das Berichts- und Verhaltenspflichten für Anbieter von sozialen Netzwerken vorschreibt. Viele beschwerten sich, weil die Rechtsschutzversicherer nicht leisteten.

Zahlt die Versicherung?

Nicht nur ­Ablehnungen, auch Risikoausschlüsse sind oft ein Thema. Ausgerechnet bei Familienangelegenheiten - laut Streit­atlas der häufigste Grund für gerichtliche Streitigkeiten zwischen Pri­vatleuten - zahlt die Rechtsschutzversicherung ­regelmäßig nicht. "Beim Thema Risikoausschlüsse gibt es immer wieder enttäuschte Gesichter bei den Verbrauchern", weiß eine Sprecherin des Bunds der Versicherten (BdV). Neben dem Familien- und Erbrecht gebe es weitere Fälle, in denen Versicherer nicht leisten müssen. "Ebenfalls ausgeschlossen sind Streitursachen wie alles, was mit dem Bau eines Hauses zusammenhängt, Spiel- und Wettverträge und Spekulationsgeschäfte", so der BdV.

Bezüglich Kapitalanlagen gibt es bei den Rechtsschutzversicherungen seit Längerem Ausschlussklauseln. Manche Kunden haben noch alte Versicherungsverträge, in denen dieser Bereich nicht ausgeschlossen ist. "Aber auch bei diesen alten Verträgen, bei denen eigentlich eine Eintrittspflicht besteht, hat man erheblich Probleme, eine Deckungszusage von den Rechtsschutzversicherungen zu bekommen. Nicht selten muss man die Deckungsübernahme von der Rechtsschutzversicherung einklagen", so Alice Wotsch, Fachanwältin für Kapitalrecht in der Kanzlei Winter Wotsch. Da entsteht dann ein Prozessrisiko, das man mit Abschluss der Rechtsschutzversicherung eigentlich vermeiden wollte.

Immerhin sind die Deckungszusagen im Dieselskandal kein Thema mehr. Bei diesen Schadenersatzklagen muss die Rechtsschutzversicherung in den meisten Fällen leisten. "Sie kann ihre Eintrittspflicht in der Regel nicht mit einem Hinweis auf mangelnde Erfolgsaussichten verweigern. Zumal gute Aussichten bestehen, Schadenersatzansprüche im Abgasskandal auch durchzusetzen. Nicht nur gegen VW, sondern auch gegen andere Autohersteller", sagt Rechtsanwalt Ulf Grambusch, Fachanwalt für Versicherungsrecht bei Hartung Rechts­anwälte. Dass Rechtsschutzversicherer bei Klagen im Abgasskandal zahlen müssen, hatte das OLG Düsseldorf bereits mit Beschluss vom 21. September 2017 bestätigt (Az. I-4 U 87/17).

Im Zuge des Abgasskandals haben Streitfälle rund um Automängel zugenommen. Dies schlägt sich auch in den Jahresberichten der Versicherer nieder. Die Ertragslage für die deutschen Rechtsschutzversicherer hat sich 2018 leicht verschlechtert. Die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote ist um einen Prozentpunkt auf 98,8 Prozent gestiegen, so der Branchenmonitor des Re­search-Unternehmens Vers Leipzig. Liegt der Wert über 100 Prozent, sind die Kosten höher als die verdienten Beiträge. Es gibt Bedenken, dass Versicherer, denen es nicht so gut geht, die Prämien erhöhen oder die Leistungen kürzen könnten.

Die durch den Dieselskandal verursachten versicherten Rechtskosten veranschlagt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft auf 380 Millionen Euro. Meyerthole Siems Kohlruss Gesellschaft für aktuarielle Beratung (MSK) schätzt diese Rechtskosten deutlich geringer. Die Versicherungs­mathematiker rechnen damit, dass in zunehmend mehr Fällen Volkswagen die Verfahrenskosten gänzlich selbst trage.

Als weitaus belastender sehen sie den Widerruf von Darlehensverträgen durch Immobilienbesitzer. "Wir schätzen den Aufwand, der den Rechtsschutzversicherern hierbei entsteht, auf eine halbe Milliarde Euro", erklärte MSK-Geschäftsführer Onnen Siems.

Lang und teuer.

Fast die Hälfte aller Streitfälle dauert zwölf Monate und ­länger. Im Vergleich zur letzten Daten­erhebung 2016 ist bei den langjährigen Auseinandersetzungen ein Anstieg von 4,5 Prozent zu verzeichnen, heißt es im Streitatlas. Was lange währt, wird vor allem teuer. "Unserer Erfahrung nach können die Verfahrenskosten ein Vielfaches des eigentlichen Streitwerts ausmachen. Daher ist es sinnvoll, so früh wie möglich eine einvernehmliche Einigung anzustreben - manchmal funktioniert es sogar, eine neutrale Person als Vermittler, etwa einen Mediator, hinzuzuziehen und Streitigkeiten schnell abzuwenden", so Peter Stahl, Vorstandssprecher der Advocard. Auch beim Wettbewerber Arag macht man gute Erfahrungen mit diesem Verfahren (siehe Interview).

Mediation kann helfen, wenn man nicht prozessieren will, aber auch nicht mehr miteinander reden kann. Seit 2012 ist in Deutschland das Verfahren gesetzlich festgelegt. Der Mediator ist ein unbhängiger, unparteiischer Moderator, der die Parteien bei der Beilegung ihres Streits unterstützt. Das Verfahren ist ­ergebnisoffen und vertraulich.

Die Kosten für eine Mediation können unter denen eines Gerichtsprozesses liegen. Die Ergebnisse sind oft nachhaltig, weil sie von allen Beteiligten getragen werden. Das macht Mediation nicht nur für die Streitparteien interessant, sondern auch für die Assekuranz - Kompromisse machen sich bezahlt. Die meisten Versicherer bieten Me­diation als zusätzliche Leistung an, die Konditionen unterscheiden sich. Manche deckeln die Höhe der Summe, andere übernehmen die Kosten nur unter bestimmten Bedingungen. Wer hingegen etwa den Tarif M-Aktiv der Deurag wählt, muss sogar verpflichtend eine Media­tion versuchen. Generell gilt, dass der Versicherer kontaktiert werden sollte, bevor man losstreitet.

"Mediation bringt mehr"


Wenn Streitigkeiten außergerichtlich geklärt werden, bietet sich eine ­Mediation an. Die Vorteile erklärt Judith van Kell, Teamleiterin ­Mediation bei der Arag

€uro: Wie läuft eine Mediation bei der Arag ab?
Judith van Kell: Wir weisen unsere Versicherten aktiv auf Mediation hin, wenn der Fall geeignet scheint. Sind alle Beteiligten einverstanden, startet das Verfahren. Meist spricht der Mediator mit den Beteiligten mehrfach getrennt am Telefon oder über Skype. Er vermittelt also, ist neutral.

Welche Fälle werden behandelt?
Vor allem Probleme zwischen Nachbarn, Geschäftspartnern, aber auch am Arbeitsplatz: Situationen, in denen man auf einen guten Modus Vivendi angewiesen ist, aber die Konflikte aus dem Weg räumen muss.

Wie viele Fälle haben Sie im Jahr?
Rund 10 000.

Wie zufrieden sind die Kunden?
Sehr. 95 Prozent sagen, sie würden wieder eine Mediation machen. Zumal sie kein Risiko ein­gehen: Bleibt die Mediation erfolglos, lässt sich immer noch der Rechtsweg beschreiten. Es lohnt sich also, zunächst eine Media­tion zu versuchen.