Mit Börsengängen hat Rocket Internet kein glückliches Händchen. Nur bei drei von sieben aufs Parkett gebrachten Jungunternehmen notiert der Kurs derzeit über Ausgabepreis: die Essenslieferanten Delivery Hero und Hello­fresh sowie Zalando. Dass die Börsenbewertungen der in Schwellenländern operierenden Start-ups Jumia und Global Fashion Group miserabel sind, spiegelt sich nun im Neunmonatsgewinn wider. Seit dem IPO Anfang Juli haben die Titel des Modeversenders Global Fa­shion Group 60 Prozent eingebüßt, der Onlinehändler Jumia seit April sogar 80 Prozent.

Nach einem Neunmonatsergebnis von 548 Millionen Euro im Jahr 2018 kann das Beteiligungsunternehmen aus Berlin 2019 mit lediglich 285 Millionen Euro Gewinn aufwarten - das Ergebnis halbierte sich nahezu. Nach Einschätzung der Münchner Finanzberater Blättchen & Partner läuten die Samwer-Brüder für ihre Kreationen zu früh die Börsenglocke. Ende des ­vergangenen Geschäftsjahres schrieb nur einer der Börsen­kandidaten schwarze Zahlen: Zalando.

An der Global Fashion Group bemängeln die Berater, dass die Beurteilung des operativen Geschäfts aufgrund der intransparenten Märkte in Afrika schwer sei. "Üblicherweise sind die Emittenten nicht börsenreif", schreiben sie in einer Studie. In den vergangenen Jahren seien so Milliarden an Marktkapitalisierung vernichtet worden. "Das hohe Risiko einer erfolgreichen Unternehmensentwicklung muss mit dem Börsengang von den Anlegern mitgetragen werden", lautet das Fazit.

Das Risiko schlägt sich auch in den Zahlen nieder. "Da alle unsere ausgewählten Unter­nehmen inzwischen börsennotiert sind, unterliegen auch ihre Marktwerte den Schwankungen der Aktienmärkte", erklärte Vorstandschef Oliver Samwer.

Wachstumswunder


Allerdings lässt das Umsatzwachstum der Zöglinge staunen. Der Umsatz der Global Fa­shion Group ist in den ersten neun Monaten um 17 Prozent auf 928 Millionen Euro gestiegen, die Region um Russland hat mit einem Plus von 31 Prozent überproportional dazu beigetragen. Das vor allem in Afrika ope­rierende Unternehmen Jumia konnte den Umsatz sogar um 77 Prozent steigern - wobei sich Rocket Internet über die absolute Umsatzzahl ausschweigt. Die Portfoliofirmen können das Wachstum jedoch bislang nicht in Gewinn übersetzen. Impulse für die Aktie bleiben so aus.

Aktionäre werden sich wohl bis zum nächsten Exit einer Portfoliofirma gedulden müssen. Ein Hoffnungsträger ist die Online-Putzhilfen-Vermittlung Helpling. 20 Millionen Euro hat im Oktober ProSiebenSat.1 in das Start-up investiert, das 2021 einen dreistelligen Millionenbetrag umsetzen will. Die 20 Geschäftsmodelle, die Rocket Internet nach eigenen Angaben seit Jahresanfang gegründet hat und nun operativ begleitet, stehen noch ganz am Anfang.

Hoher Bargeldbestand


Im Fokus stehen die Digitalisierung des Immobiliensektors und der Reisebranche sowie Business- und Softwarelösungen. Zwar ist einem Bericht zufolge der Sparbuch-Vermittler Zinsgold jüngst gescheitert, doch ­Rocket Internet soll einen begehrlichen Blick auf den Finanzdienstleister geworfen haben.

Leisten können es sich die Berliner allemal, auch in bereits bestehende Geschäftsmodelle zu investieren. Ende der ersten neun Monate bunkert Samwer 2,6 Milliarden Euro Bargeld. Mit dreistelligen Millionenbeträgen ist der Gründer zuletzt beim Kabelnetzbetreiber Tele Columbus und Telekommunikationsunternehmen United Internet eingestiegen. Mit seinem Freund und Anteilseigner an beiden Firmen, Ralph Dommermuth, könnte Samwer den Ausbau des 5G- Hochgeschwindigkeitsinternets vorantreiben. Das ist auch riskant, weil teuer. Aber eben nicht neu.

Schwäche: Operative Erfolge lassen auf sich warten. Hohe Aktienrückkäufe und die Bewertung sprechen für die Aktie. Halten.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 25,00 Euro
Stoppkurs: 17,00 Euro