Die Reaktion am Aktienmarkt kam prompt und deutlich. Um neun Prozent nach unten ging es für die SAP-Aktie am Donnerstagmorgen. Gründe gibt es mehrere: Der weltweite Ausverkauf von Technologiewerten nach der Sitzung der US-Notenbank. Und, der Software-Konzern kündigte an, das US-amerikanische Lieferanten-Fintech Taulia übernehmen zu wollen - was Investoren offenbar nicht schmeckt.

Taulia bietet Lösungen an, mit denen Unternehmen Lieferungen frühzeitig bezahlen können. Das US-Fintech mit Sitz in San Francisco zählt zwei Millionen Kunden, die durch die Zwischenfinanzierung Beziehungen pflegen, Lieferketten absichern und Skonti ausnutzen können. Die notwendige Finanzierung dafür stellen Banken wie JPMorgan und UniCredit bereit und überbrücken damit die Zeit, bis Rechnungen durch Käufer innerhalb der Zahlungsfrist beglichen werden.

Wenige Details von SAP zur Taulia-Übernahme


Taulia soll den SAP-Kunden einen besseren Zugang zu Liquidität ermöglichen, so SAP. Das Fintech biete Lösungen, mit denen Lieferanten sehr schnell bezahlt werden und trage damit dazu bei, Lieferketten widerstandsfähiger zu machen. "Bisher hatten wir keine Finanzplattform. Das ist sehr komplementär", sagte SAP-Chef Christian Klein am Donnerstag zu Journalisten über den Zukauf.

Bis März soll die Übernahme abgeschlossen sein. Taulia soll als eigenständiges Unternehmen innerhalb von SAP bestehen bleiben. Im Detail wollte sich Finanzchef Luka Mucic nicht zu den Konditionen des Deals äußern, verriet aber, SAP werde weniger als eine Milliarde Dollar auf den Tisch legen und dafür rund 95 Prozent an Taulia erwerben. Taulia wurde 2009 gegründet und beschäftigt derzeit rund 350 Mitarbeiter. Für SAP arbeiteten Ende vergangenen Jahres etwas mehr als 107 000 Menschen.

Beziehungen zwischen Taulia und dem Walldorfer Dax-Konzern bestehen seit Längerem. Das Unternehmen ist ein SAP-Partner und der frühere Konzern-Chef Leo Apotheker ist an Taulia beteiligt und dort als unabhängiger Direktor tätig.

Nach der Übernahme durch SAP verbleiben noch die US-Bank JPMorgan sowie Firmenchef Cédric Bru als Anteilseigner bei Taulia. Unklar ist, wie viel Geld frühere Kapitalgeber investiert haben und wie hoch das Fintech bewertet wird. Dem Datenanbieter Crunchbase zufolge hat Taulia in der Vergangenheit mehr als 217 Millionen Dollar eingenommen. SAP sei offen, künftig weitere Investoren an Bord zu holen, wolle aber die Mehrheit stets behalten, sagte Mucic.

SAP hat in seiner inzwischen 50-jährigen Firmengeschichte bereits einige Milliarden-Zukäufe wie den inzwischen börsennotierten Datenanalyse-Anbieter Qualtrics oder die Reisemanagement-Plattform Concur gestemmt. Allerdings ist es dem Software-Koloss schwer gefallen, die Übernahmen zu integrieren und ein einheitliches Angebot zu formen. Klein setzte seinen Fokus auf die Transformation von SAP zu einem Cloud-Unternehmen, stellte größere Übernahmen zurück und nahm eher kleinere Akquisitionen ins Visier wie den Berliner Softwarespezialisten Signavio.

SAP bestätigte die am 13. Januar veröffentlichten Quartalszahlen wie auch den Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr. Demnach sollen die Clouderlöse 2022 währungsbereinigt um 23 bis 26 Prozent auf 11,55 bis 11,85 Milliarden Euro zulegen. "Immer mehr Unternehmen entscheiden sich für die SAP, um sich neu aufzustellen, stabile Lieferketten aufzubauen und sich auf dem Weg in die Cloud zu nachhaltigen Unternehmen zu entwickeln", sagte Klein.

SAP-Aktie unter Druck


Die SAP-Aktie fiel am Donnerstag im Zuge des weltweiten Ausverkaufs von Technologiewerten auf den tiefsten Stand seit dem Frühjahr vergangenen Jahres. Techtitel zeigten sich allgemein von ihrer schwächeren Seite, da die US-Notenbank Fed mittelfristig wieder deutlich höhere Zinsen in Aussicht stellt.

Zudem belasteten Europas größten Softwarehersteller Details des Ausblicks. Während die bestätigten Ziele für Umsatz und Betriebsergebnis im Rahmen der Erwartung lagen, enttäuschte die Prognose für den Zufluss von freien Zahlungsmitteln (Free Cashflow).

Cashflow im Blick


Mit Blick auf die mittelfristigen Ziele für den Cashflow machte Finanzchef Mucic den Investoren Mut. Er sei sehr zuversichtlich, das zuletzt bestätigte 2025er-Ziel eines Free-Cashflows von acht Milliarden Euro zu erreichen. Es gebe zudem Spielraum, diesen Wert zu übertreffen. Es sei aber noch zu früh, die Prognose zu erhöhen. Für 2021 rechnet SAP mit einem Zahlungsmittelzufluss von mehr als 4,5 Milliarden Euro. Goldman-Sachs-Experte Mohammed Moawalla hatte sich mehr erhofft und damit ist er nicht alleine - der Marktkonsens lag ebenfalls über diesem Wert.

Analyst Charles Brennan vom Analysehaus Jefferies bemängelte in einer am Donnerstag vorliegenden Studie das Fehlen eines Ausblicks für die freien Barmittel (Free Cash Flow) im Jahr 2025. Das werde der Markt erst einmal verdauen müssen, trotz des grundsätzlich attraktiven Übergangs des Software-Entwicklers zu Cloud-basierten Angeboten.

Bei der Verlagerung des Kerngeschäfts in die Cloud macht SAP inzwischen deutliche Fortschritte. Das Rundum-Angebot "Rise with SAP" kommt auf mehr als 1300 Kunden - darunter das US-Softwarehaus Adobe, der Computerhersteller IBM oder der deutsche Industriekonzern Siemens. Das vor rund einem Jahr gestartete Programm nimmt Unternehmen an die Hand, um ihnen die Transformation in die Cloud zu erleichtern. Ziel ist es, dass Firmen auch Kernprozesse wie die Unternehmensplanung (ERP) über die Datenwolke auf externen Rechnern laufen lassen.

Einschätzung zur SAP-Aktie


Der Kurs der SAP-Aktie sackte im frühen Handel um fast neun Prozent auf 107,58 Euro ab. Zuletzt konnte sich der Kurs zumindest etwas stabilisieren, lag mit 111 Euro aber immer noch rund sechs Prozent unter dem Niveau des Vortags und damit am Ende des Dax. Der Börsenwert des Unternehmens sackte um rund neun Milliarden Euro auf rund 136 Milliarden Euro ab. Damit sank SAP in dieser Wertung wieder auf Rang zwei hinter den Gashersteller Linde ab, der zuletzt auf knapp 140 Milliarden Euro kam.

Mit dem Minus vom Donnerstag rutschte das Papier auch im bisherigen Jahresverlauf deutlich in die Verlustzone. In den ersten Wochen des Jahres gab der Kurs rund elf Prozent ab - damit zählt SAP bis dato zu den zehn größten Verlierern der 40 Dax-Titel. Der deutsche Leitindex büßte seit Ende 2021 knapp vier Prozent ein. 2021 hatte die SAP-Aktie marktkonform rund 16 Prozent zugelegt. SAP hatte lange Zeit zu den Corona-Gewinnern am Aktienmarkt gehört und im September 2020 mit etwas mehr als 143 Euro ein Rekordhoch erreicht.

Eine gesenkte Prognose im Oktober 2020 führte jedoch zu einem Kurssturz bis auf 90 Euro, von dem sich das Papier peu à peu bis auf 130 Euro im November 2021 erholen konnte. Doch seitdem ist der Kurs wieder unter Druck und mit dem Rutsch nach den detaillierten Zahlen ist die Hälfte der Erholung bis November vergangenen Jahres wieder ausradiert. SAP-Finanzvorstand Mucic hält die Aktie angesichts der Perspektiven für "unterbewertet". Man werde weiter hart daran arbeiten, die Investoren davon zu überzeugen, sagte er bei der Bilanz-Pressekonferenz.

Zudem stellte er den Aktionären eine höhere Dividende in Aussicht. "Sie wird steigen", sagte Mucic. "Wir werden einen attraktiven Vorschlag unterbreiten." Über die Höhe entscheide der Aufsichtsrat Mitte Februar. 2020 zahlte der Walldorfer Dax-Konzern 1,85 Euro je Aktie. Im Jahr davor waren es 1,58 Euro je Anteilsschein.

Fazit: Die Integration von Taulia sollte zügig von statten gehen. Der Ausbau des Cloud-Geschäfts zieht sich, dürfte sich langfristig aber auszahlen. Wir bleiben bei unserer Kaufempfehlung.

fh/rtr/dpa-AFX