Das rasante Wachstum bei Cloud-Produkten nagt an der Rendite des erfolgsverwöhnten Softwareriesen SAP. Trotz eines Umsatzanstiegs um 20 Prozent auf 4,97 Milliarden Euro lag der operative Gewinn im zweiten Quartal kaum über Vorjahresniveau. "Wir optimieren das Unternehmen für künftiges Wachstum", sagte Finanzchef Luka Mucic am Dienstag.

Das Ergebnis wächst bei den Walldorfern langsamer, da mit der Umstellung auf Cloud-Software, die Kunden über das Internet mieten, die Kosten zunächst steigen und der Gewinn sich über einen längeren Zeitraum verteilt. Erleichterung verschaffte dem Weltmarktführer für Firmensoftware die Euro-Schwäche, die zwölf Prozentpunkte Gewinnwachstum ausmachte.

Mit der Umstellung auf das Cloud-Geschäft ist ein Personalabbau über Abfindungen und Vorruhestandsregelungen im traditionellen Software-Geschäft verbunden. Dieses Programm werden bis Jahresende vier statt drei Prozent der gut 74.000 Mitarbeiter in Anspruch nehmen, wie Mucic im Interview mit Reuters erklärte. "Vor allem in Europa sehen wir mehr Interesse als wir geplant hatten."

Wegen des Stellenabbaus fielen im zweiten Quartal Restrukturierungskosten von knapp 370 Millionen Euro an. Der Nettogewinn brach deshalb um 16 Prozent auf 469 Millionen Euro ein, womit Analysten nicht gerechnet hatten. Die Aktie des Dax-Konzerns geriet deshalb zeitweise unter Verkaufsdruck, lag am Mittag aber wieder leicht im Plus.

Die Kurpfälzer stehen so wie ihre Konkurrenten Oracle oder IBM unter Druck, sich an den Trend zu preisgünstigerer Mietsoftware aus der Internet-Cloud anzupassen. Der US-Konzern IBM, der anders als SAP im Cloud-Geschäft vor allem mit Hardware verdienen will, hat deshalb seit mehr als drei Jahren schon mit Umsatzschwund zu kämpfen.

RASANTES WACHSTUM IN DER CLOUD



Die Wachstumsraten bei SAP in dem noch jungen Sektor sind vor allem durch die Zukäufe mehrerer US-Cloud-Firmen hoch. Der Umsatz stieg im zweiten Quartal um 129 Prozent auf 555 Millionen Euro, so dass jetzt zwölf Prozent der Erlöse aus dem Cloud-Geschäft stammen. Die Zahl der neuen Buchungen legte noch stärker um 162 Prozent zu. Die Schattenseite ist jedoch das schwache traditionelle Lizenzgeschäft. Kunden bezahlen hier auf einen Schlag den Gesamtpreis, sodass diese profitabler sind. Die Lizenzerlöse stiegen von April bis Juni nur um zwei Prozent auf 980 Millionen Euro. Ohne den positiven Effekt des Wechselkurses wären sie um sieben Prozent geschrumpft.

Finanzchef Mucic sieht dennoch kein Fragezeichen hinter den Jahreszielen von SAP. Der Umsatz von Cloud-Abonnements und Lizenzen zusammen soll um acht bis zehn Prozent in diesem Jahr steigen. Dies sei nach dem ersten Halbjahr absolut erreichbar, sagte der Manager. "Unsere Pipeline für das zweite Halbjahr sieht sehr gesund aus." Er bekräftigte daher auch die Gewinnprognose: Das Betriebsergebnis soll bereinigt um Währungs- und Sondereffekte 5,6 bis 5,9 Milliarden Euro betragen nach 5,6 Milliarden Euro 2014.

Ein Renditeziel nennt SAP seit diesem Jahr nicht mehr, da der Konzern Abstriche wegen der Investitionen ins Cloud-Geschäft machen muss. Im ersten Halbjahr verdiente das Unternehmen bereinigt 25 Prozent vom Umsatz, gut zwei Prozentpunkte weniger als vor Jahresfrist.

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Einschätzung der Redaktion



Bei SAP ist in den jüngsten Quartalen immer Halli-Galli, wenn die Zahlen kommen. Dann stellen Investoren verblüfft fest, dass der Umbau in Richtung Softwaremiete zunächst auf die Gewinnmarge drückt. Dabei ist die Entwicklung ist nicht ganz neu. Statt wie früher Software zu verkaufen und danach an Wartung und Service zu verdienen, setzt Europas größter Softwarekonzern seit gut drei Jahren auf die Datenwolke. Dabei schließen die Kunden ein Software-Abo ab - und zahlen dann regelmßig für die Nutzung der Software per Internet.

Der Run in die Cloud ist ein weltweiter Branchentrend - und stellt alle Software-Anbieter vor eine große Herausforderung. Denn zunächst steigen die Kosten für die Entwicklung und Anpassung der Software-Lösungen für die Cloud.

Das entsprechende Ergebnis bleibt dagegen erst mal zurück, da die Gewinne nicht mit dem Verkauf verbucht werden, sondern sich über die Vertragslaufzeit von mehreren Jahren verteilen. Das war im zweiten Quartal bei SAP nicht anders: Das Betriebsergebnis stieg von April bis Juni währungsbereinigt gegenüber dem Vorjahr gerade um ein Prozent auf 1,394 Milliarden Euro. Analysten hatten 1,405 Milliarden erwartet. Schließt man den Währungseffekt durch den schwachen Euro mit ein, liegt das Plus immerhin bei 13 Prozent. Beim Umsatz ging‘s zuletzt sogar um 20 Prozent auf 4,97 Milliarden Euro nach oben.

Dort zahlt sich die Cloud-Offensive aus. Mit Mietsoftware setzten die Walldorfer zuletzt 555 Millionen Euro um und damit mehr als doppelt so viel wie im Vorjahresquartal. Demgegenüber wuchs das traditionelle Geschäft mit den Verkauf von Software nur noch um magere drei Prozent. Angesichts der Entwicklung zum Halbjahr hat SAP die Jahresprognose bekräftigt. Danach peilt der Konzern für 2015 ein Betriebsergebnis von 5,6 bis 5,9 Milliarden Euro an, nach 5,6 Milliarden im Vorjahr.

Wir bleiben für die Aktie zuversichtlich. Die Cloud-Offensive greift, der schwache Euro hilft. Fällt der Widerstand bei 70 Euro, ist der Weg nach oben frei. Thomas Schmidtutz