Der 300-Milliarden-Dollar-Deal zwischen Oracle und OpenAI wird zum Stresstest für die gesamte KI-Branche. Geht dabei etwas schief, könnte das im multi-milliarden-schweren KI-Investitionshype einen Dominoeffekt auslösen.

Im Zentrum der KI-Revolution lauert ein Risiko, das selbst erfahrene Investoren mittlerweile nervös macht: Die größte Technologiepartnerschaft der Geschichte, ein 300-Milliarden-Dollar-Vertrag zwischen Oracle und OpenAI, könnte zum Wendepunkt für die gesamte Branche werden. Warum, erklärt der Branchen-Analyst Shanaka Anslem Perera am vergangenen Wochenende in seinem Blog.

Perera hebt vor allem darauf ab, dass mit Oracle und OpenAI zwei Unternehmen beteiligt sind, die beide „in ihrer aktuellen Form nicht profitabel sind“. Sie setzten stattdessen auf ihren gegenseitigen Erfolg. Das sei ein gefährlicher Kreislauf für die gesamte KI-Branche.

Die Architektur der gegenseitigen Abhängigkeit

Oracle, einst als Datenbank-Gigant und SAP-Konkurrent bekannt, will sich unter Gründer und Verwaltungsratschef Larry Ellison neu erfinden und investiert gewaltige Summen in die KI-Infrastruktur. OpenAI, der Erfinder von ChatGPT und damit Schrittmacher der "Large Language Modelle" (LLM), war noch nie profitabel und verbrennt im Rekordtempo Geld. Bis 2029 werde OpenAI kumulierte Verluste von 115 Milliarden Dollar anhäufen, rechnet Perera vor. Trotzdem hat OpenAI vertraglich zugesagt, Oracle schon ab 2027 jährlich rund 60 Milliarden Dollar für den Aufbau einer KI-Infrastruktur zu bezahlen. Das wäre das Fünffache des aktuellen Umsatzes.

Gleichzeitig muss Oracle etwa 150 Milliarden Dollar vorfinanzieren, um die nötige Infrastruktur überhaupt liefern zu können. Das ist selbst für einen IT-Konzern dieser Größenordnung ein Risiko, weshalb Investoren das Ausfallrisiko der Oracle-Anleihen von Tag zu Tag höher einschätzen, was sich in steigenden Kursen für Kreditausfallversicherungen (CDS) zeigt.

Beide Unternehmen seien darauf angewiesen, dass der jeweils andere sein Versprechen hält, resümiert Perera. Scheitert einer, drohe ein Dominoeffekt, der die gesamte KI-Lieferkette gefährdet.

Kreditmärkte schlagen Alarm

Die Finanzmärkte haben das Risiko erkannt: Als Oracle am 10. Dezember 2025 mit seinen Quartalszahlen überraschend hohe Investitionsausgaben meldete, stiegen die Kreditversicherungen (CDS-Spreads) auf den höchsten Wert seit der Finanzkrise 2008. Ein Zeichen, dass professionelle Anleger die Gefahr eines Zahlungsausfalls ernst nehmen. Oracle-Aktien verloren elf Prozent an einem Tag, Analysten stuften die Kreditwürdigkeit herab. Da OpenAI selbst nicht börsennotiert ist, diene Oracle als Stellvertreter für das systemische Risiko der KI-Branche, kommentiert Perera.

Oracle (WKN: 871460)

Der trickreiche Kreislauf des Geldes

Die Finanzierung der KI-Infrastruktur gleicht derzeit einem Perpetuum mobile, an dem auch Nvidia beteiligt ist. Das haben vor Pereira schon andere kritisiert, etwa der Hedgefonds-Investor Michael Burry. Doch die Gefahren wachsen.

Das Modell funktioniert so: Nvidia investiert Milliarden, um sich an OpenAI zu beteiligen. Die geben das Geld wiederum – quasi über Oracle als Zwischenhändler –für Nvidia-Chips aus. Oracle nutzt die Zahlungen von OpenAI, um damit Kredite für weitere Investitionen zu bedienen. Wenn er funktioniert, erzeugt dieser Kreislauf scheinbar endloses Wachstum. Doch sobald ein Glied in der Kette bricht, könnten alle Beteiligten in Schwierigkeiten geraten. Parallelen zur Telekom-Blase der 1990er Jahre seien offensichtlich, sagen nicht nur Burry und Perera. Damals endete das Spiel mit massiven Abschreibungen, Kursverlusten und Insolvenzen.


Softbank auf Gedeih und Verderb verbunden

Es gibt noch einen weiteren Beteiligten: die japanische Technologie-Holding Softbank. Ihr Chef Masayoshi Son ist bekannt für spektakuläre Tech-Wetten. Nun ist er wieder eine eingegangen: Softbank hält 40 Prozent an dem Stargate-Joint-Venture, das Donald Trump schuf, um Amerikas Vormachtstellung bei KI zu zementieren – und über das auch Oracle und OpenAI verbunden sind. Auch die Softbank-Bilanz ist zumindest angespannt, wie Perera aufzeigt: Mit mehr als 100 Milliarden Dollar an Verpflichtungen, aber nur etwa 58 Milliarden Dollar verfügbaren Mitteln, ist die Holding hoch verschuldet – und damit geradezu verdammt zu einem Erfolg ihrer KI-Investments. Fällt OpenAI zurück, droht SoftBank ein dreifacher Schlag: Wertverlust der Beteiligung, Abschreibungen auf die Infrastruktur und ein Einbruch ihres Vision Funds, über den Masayoshi Son einen Großteil des Geldes für sein KI-Abenteuer eingeworben hat.

Das" Tal des Todes": Die nächsten drei Jahre entscheiden

Sowohl Oracle als auch OpenAI müssen noch drei Jahre lang enorme Verluste und Investitionen stemmen, bevor die ersten nennenswerten Einnahmen fließen. Perera nennt diesen Zeitraum das "Tal des Todes". Während sie durch diese Phase marschieren, geht es allein darum, zu überleben.  Oracle erwartet eigenen Angaben zufolge erst ab 2028 relevante Umsätze aus dem OpenAI-Vertrag. Bis dahin könnte die Verschuldung auf fast 300 Milliarden Dollar steigen. OpenAI wiederum muss seinen Umsatz von geschätzt 13 Milliarden Dollar in 2025 binnen weniger Jahre vervielfachen und zudem mehr als 200 Milliarden Dollar frisches Kapital beschaffen, um Oracle überhaupt bezahlen zu können.

Was, wenn die Nachfrage nach (bezahlten) KI-Diensten nicht anzieht?

Grundlage für hunderte Milliarden an KI-Investitionen ist die Annahme, dass Unternehmen KI-Lösungen in nie dagewesenem Tempo und Umfang kaufen werden. Doch Studien des MIT, von McKinsey und Gartner zeigen: Die meisten Firmen sehen bislang kaum Nutzen in ihren KI-Projekten, viele davon scheitern schon in der Pilotphase. Sollte die Nachfrage jedoch langsamer wachsen als einkalkuliert, droht die gesamte Finanzierungskette zu reißen.

Kein Bailout in Sicht

Anders als Banken oder Autohersteller gelten Tech-Konzerne wie Oracle nicht als systemrelevant. Als OpenAI-Chef Sam Altman das Thema schon einmal vor Monaten anriss, stellte die US-Regierung das schon klar: Es wird keine Rettung geben, auch nicht für die KI-Infrastruktur. Die Unternehmen müssen die Risiken selbst tragen. Das werde ein echter "Belastungstest für den Kapitalismus", prognostiziert Perera.

Der Faktor Mensch: Larry Ellison

Mit 41 Prozent der Oracle-Aktien ist Gründer Larry Ellison die zentrale Figur im Oracle-Konzern. Der größte Teil seines Vermögens basiert auf Oracle-Aktien. Ellisons Hang zu großen Risiken hat Oracle in seiner Geschichte schon mehrfach an den Rand der Insolvenz gebracht. Bisher ging es immer gut, oft war es knapp. 

So wie im Jahr 1990 als Oracle eine nahezu ruinöse Wachstumstrategie gegen Konkurrenten im ERP-Markt, wie SAP, gestartet hatte. Doch dann trocknete mangels Folgeaufträgen der Cashflow aus, der Konzern drohte unter seinen Schulden zusammenzubrechen. Ellison reagierte damals als CEO mit einem knallharten Sparprogramm und warf hunderte Mitarbeiter raus. Mitte der 90er Jahre war Oracle der zweitgrößte Softwarekonzern der Welt hinter Microsoft.

Ellisons Risikobereitschaft könnte im aktuellen KI-Poker entscheidend sein. Ob der Konzern seine Investitionen weiter aufdrehe oder eines Tages zurückfahre, liege allein in seiner Hand, sagt Perera.

Was Anleger jetzt im KI-Sektor beachten müssen

Wer im Poker der Milliardäre mit-investieren will, sollte die folgenden Schlüsselindikatoren im Blick behalten. Verschlechtern sie sich, ändert sich das Spiel:

• Oracles Free Cashflow: Bleibt dieser dauerhaft negativ, drohen Kreditausfälle – und die Finanzierungskette würde reißen.

• OpenAIs Umsatzwachstum und neue Geldzuflüsse durch Finanzierungsrunden: Bleibt das Wachstum aus und schießen die Investoren kein Geld mehr nach, geraten alle Beteiligten unter Druck.

• Softbanks Vision Fund: Abschreibungen auf OpenAI in der Softbank-Bilanz könnten frühzeitig auf Probleme hinweisen. Wollen die Investoren, meistens Institutionelle, dort ihr Geld sehen, beginnt sich die Spirale zu drehen.

• Entwicklung der CDS-Spreads von Oracle: Steigen das Ausfallrisiko weiter, wächst die Gefahr einer Krise in der gesamten KI-Branche.

• KI-Adoption bei den Unternehmenskunden: Werden Unternehmen vorsichtiger, weil der Nutzen ihre KI-Projekte ausbleibt, wackelt das Fundament des Milliarden-Businessplans der Branche.


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