Das klingt kerngesund. Während der nächsten zwei Jahre will Medizintechnikspezialist Siemens Healthineers den bereinigten Gewinn pro Aktie doppelt so stark steigern wie den jährlichen Zuwachs der Erlöse, kündigte Chef Bernd Montag an. Anschließend schaffte der Aktienkurs des MDAX-Konzerns ein Allzeithoch. Die Erlanger Siemens-Tochter entwickelt Labordiagnostiksysteme und komplexe Medizintechnik wie Computertomografen und Magnetresonanztomografiegeräte und zählt hier weltweit zu den größten Anbietern.

Chef Montag wirbt für seine Strategie: "20 Monate nach dem Börsengang sind wir auf einem guten Weg Richtung profitables Wachstum." Bei gut fünf Prozent mehr Umsatz soll der bereinigte Nettogewinn pro Aktie mittelfristig pro Jahr um über ein Zehntel zulegen. Anleger überzeugte das, die Aktie sprang an. Die Bilanz für das im September beendete Geschäftsjahr allerdings fiel noch ziemlich durchwachsen aus. Beim Umsatz haben die Erlanger mit einem Plus gegenüber dem Vorjahr von 5,8 Prozent auf 14,5 Milliarden Euro zwar die Prognosen übertroffen, bei der operativen Marge blieb man mit 17,1 Prozent Rendite jedoch klar unter dem Zielkorridor von 17,5 bis 18,5 Prozent.

Ambitioniertes Margenziel


Für das laufende Jahr werden nun 17 bis 18 Prozent Marge in Aussicht gestellt. Das ist ambitioniert: Schließlich belastet die milliardenschwere Übernahme des US-Medizin-Robotik-Herstellers Corindus Vascular Robotics und zusätzliche Aufwendungen in der Sparte für Labordiagnostik die Profitabilität. Das Problem: Das Marktdebüt der Labordiagnostik-Plattform Atellica ist der zweitgrößten Sparte Diagnostics missglückt. Ursprünglich war ein Absatz von 2.200 bis 2.500 Geräten geplant, verkauft wurden im Geschäftsjahr jedoch nur 1.820 Systeme.

Montag räumte ein, man sei "zu optimistisch" in den Markt gegangen. Der Healthineers-Chef geht jedoch davon aus, dass bei der Profitabilität jetzt die Wende zum Besseren gelingt. Das sieht nicht jeder Experte so. "Die höheren Ausgaben nach der missglückten Atellica-Einführung werden die Profitabilität auch 2021 belasten. Die starken Gewinnzuwächse in den beiden anderen Sparten werden das jedoch überkompensieren", sagt Jawahar Hingorani, Analyst bei Bloomberg Intelligence.

Was die Aktie nicht nur beim Mutterkonzern, sondern auch bei den anderen Anteilseignern begehrt macht, ist der hohe Anteil regelmäßiger Erlöse am Gesamtumsatz. Gegenwärtig sind es 54 Prozent, die vor allem aus den Bereichen Service und Materialien stammen. In der größten Sparte Bildgebende Diagnostik sind es 40 Prozent, genauso wie im kleinsten Bereich Neuartige Therapien. Im zweitgrößten Geschäft Diagnostik, bei dem die Erlanger weltweit auf Platz 2 hinter der Schweizer Roche liegen, sind sogar 90 Prozent der Erlöse wiederkehrend - das bringt Stabilität in die Entwicklung. Auch hohe Markteintrittsbarrieren und eine geringe Anzahl an Wettbewerbern machen das Geschäft für Investoren attraktiv.

Bewegung im Zukunftsmarkt


Stark in Bewegung ist der Markt bei neuartigen Therapien, wo Healthineers weltweit führend ist. Die US-Firma ­Corindus, die für 1,1 Milliarden Dollar übernommen wurde, entwickelt etwa robotergestützte Systeme. Mit der Technologie können Chirurgen zum Beispiel Katheter oder Stents präzise am Bildschirm durch menschliche Blutgefäße führen, ohne selbst am Behandlungstisch zu stehen.

Healthineers hat für Corindus das 35-Fache des Umsatzes bezahlt - ein stolzer Preis. Doch das ist nichts Ungewöhnliches in der Branche. Beim US-Konkurrenten Johnson & Johnson lag der Umsatzfaktor beim Kauf der Lungenroboterfirma Auris Health bei über 75, beim Herzschrittmacher-Spezialist Medtronic, der sich Mazor Robotics schnappte, bei 23. Teuer ist also relativ.

Worauf es ankommt ist, dass es ­Healthineers gelingt, den US-Zukauf wertsteigernd zu integrieren. Spartenchef Michel Therin jedenfalls ist stolz auf seinen Roboterspezialisten. Es gebe für den Vorreiter praktisch keinen Wettbewerber, so Therin.

Investor-Info

Siemens Healthineers
Kerngeschäft brummt


Für Dynamik sorgen die größte Sparte Bildgebende Diagnostik, die über 60 Prozent der 14,5 Milliarden Euro Jahresumsatz erwirtschaftet, sowie der kleinste Bereich Neuartige Therapien (rund elf Prozent der Erlöse). Beide legten im Quartal stärker zu als erwartet. Anleger trauen Healthineers zu, die Profitabilität signifikant zu verbessern und ein höheres Gewinnwachstum zu liefern. Der Dividendentitel ist teuer, aber aussichtsreich. Das neue Allzeit­hoch ist ein starkes Kaufsignal.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 50,00 Euro
Stoppkurs: 34,00 Euro