Firmenlenker Erich Sixt hat eine bestechende Erklärung für die Schwäche der Autoindustrie jenseits konjunktureller Einflüsse parat: "Es ist völlig irrational, ein Auto zu kaufen", sagte der Chef des größten deutsche Autovermieters bei der Präsentation der Quartalszahlen. Wie sein Unternehmen davon profitiert, zeigen die Zahlen des ersten Halbjahrs: Mit einem Plus von mehr als 14 Prozent hat der Umsatz eine neue Rekordmarke von 1,35 Milliarden Euro erreicht.

Dem gegenüber steht jedoch eine weitere Rekordzahl: Sixt hat die Flotte im ersten Halbjahr um knapp 160.000 Fahrzeuge erweitert. Hinzu kommen Entwicklungskosten für die Technik hinter der im Februar gelaunchten Plattform Sixt Share und Innovationen wie E-Scooter, die die Bayern in Kooperation mit dem Berliner Jungunternehmen Tier in deutschen Großstädten verleihen. Insgesamt buttert Sixt 2019 acht Milliarden Euro in die internationale Expansion und Mobilitäts­trends wie Sharing und kleine Elektroroller - so viel wie nie.

Das macht sich beim opera­tiven Gewinn bemerkbar: Der ging im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 2,6 Prozent auf knapp 128 Millionen Euro zurück. Sixt hat in der Bilanzmitteilung zwar beschwichtigend angemerkt, dass die Marge langfristig über zehn Prozent bleiben soll. Zudem ist der Erlös des Verkaufs von 50 Prozent der ­Anteile am Carsharing-Dienstleister Drive Now nicht ins Vorsteuerergebnis einbezogen. Aber Anleger reagierten angefressen und schickten den Aktienkurs auf Talfahrt.

Zu Unrecht, findet Analyst Christian Obst von der Baader Bank. "In den nächsten beiden Jahren ist Sixt klar auf Wachstum ausgerichtet." Dabei traut er dem Unternehmen aus Pullach bei München zu, die Kosten unter Kontrolle zu halten. Er lobt die Flexibilität, mit der Sixt sich Marktschwächen anpassen könne.

Wandel zur "IT-Company"


Schließlich rüstet sich der für provokante Werbeplakate und knallorange Filialen an jeder Ecke bekannte Konzern gerade für neue Zeiten. In denen müsse man auf jeden Fall eine "IT-Company" sein, wie Alexander Sixt, Strategievorstand und Sohn des Chefs, das Unternehmen neuerdings bezeichnet, und müsse eine App haben. Die Konkurrenz heißt nicht mehr Europcar, sondern Uber, Lyft und Share Now von BMW und Daimler.

Nachdem BMW zu Jahresbeginn Sixt aus dem gemeinsamen Carsharing-Projekt Drive Now für 209 Millionen Euro rausgekauft hat, machte sich Sixt selbst auf den Weg. Die App "Sixt One" ist seit Februar auf dem Markt und kann von Berlinern, Hamburgern und Münchnern etwa dazu genutzt werden, E-Scooter zu mieten oder ein Taxi zu ­rufen. Wer eines der insgesamt rund 270.000 Fahrzeuge von Sixt mietet, hat neue Spielräume: Nutzer können damit fahren, wohin sie wollen, Hauptsache, dort ist eine der 2.100 Sixt-Stationen, um das Auto abzugeben. Und sie dürfen sich dafür Zeit lassen, so lange sie wollen. Die Grenzen zwischen Vermietung und Carsharing verschwinden.

Obwohl die App noch ausgerollt wird, macht sie sich bereits als Umsatztreiber bemerkbar, in Deutschland wuchs Sixt schneller als der Markt. Der Schwäche der Autobranche ist das Unternehmen mit der neuen Plattform clever ausgewichen.

Investor-Info

Sixt St.
Auf Erfolgsfahrt


Zum Umsatzplus von mehr als 14 Prozent der Mietwagenfirma im ersten Halbjahr trug neben der neuen Mobilitätsplattform vor allem die USA-Expansion bei. Dort konnte Sixt den Umsatz um 30 Prozent steigern und sieht weiteres Potenzial. Der Auslandsanteil erreichte erstmals 60 Prozent, Sixt ist diversifiziert aufgestellt. Mittelfristig bleiben die Investitionen zwar hoch, aber der Konzern ist auf die Mobilitätswende vorbereitet und dürfte weiter stark wachsen. Die Aktie ist wegen der zurückgegangenen Marge im Abwärtsmodus. Anleger warten die Bodenbildung ab und nutzen die Schwäche zum Einstieg.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 95,00 Euro
Stoppkurs: 63,00 Euro