Gunter Erfurt will es wissen. Dort, wo sein einstiger Arbeitgeber die Segel streichen musste, greift er an. Zwölf Jahre arbeitete er für den Solarworld-Konzern, der in Sachsen den größten Solarproduktionsstandort Europas aufgebaut hatte, ehe die Firma vor wenigen Jahren Insolvenz anmelden musste. Seit einem Jahr ist Erfurt Vorstandschef von Meyer Burger Technology. Das Schweizer Unternehmen war einer der wichtigsten Maschinenbauer für die globale Photovoltaikindustrie, hat beispielsweise Chinas Solarstrom-Gigafabriken mit aufgebaut.

Damit ist Schluss, seit Erfurt am Ruder ist. Meyer Burger will sich vom Maschinenlieferanten zum Produzenten wandeln. Der Konzern wird im Osten Deutschlands eine Massenfertigung für Solarzellen und -module aufbauen. Die ehemalige Fabrik der Solarworld in Sachsen wird dazu reaktiviert. Im Frühjahr geht es los.

"Wir wollen die Wertschöpfung aus der Technologieentwicklung selbst übernehmen und nicht mehr Dritten überlassen", sagt Erfurt. Es geht um eine Technologie namens Heterojunction. Sie verschmilzt zwei Photovoltaik-Verfahren in einem und verspricht so einen Wirkungsgrad von 25 Prozent. Massenmodule aus China erreichen bei dem Maß, das angibt, wie viel Energie Zelle und Modul aus dem Sonnenlicht holen, kaum 18 Prozent. Mittelfristig werde sich der Erzeugungspreis für Solarstrom mit effizienten Zellen auf unter zwei Cent je Kilowattstunde mehr als halbieren, rechnet Erfurt vor. Keine andere Energiequelle werde dann so billig sein wie Solarstrom.

Der Firma lägen mittlerweile Bestellungen über eine Leistung von zwei Gigawatt vor. Das sollte einem Umsatz von geschätzt deutlich mehr als 500 Millionen Euro möglich machen. Erfurt muss liefern und die Firma mit der neuen Strategie mittelfristig in die schwarzen Zahlen führen. Meyer Burger schreibt seit Jahren Verluste. Das erklärt auch, warum die Aktie nur noch ein Pennystock ist. Immerhin: Seit der Neuausrichtung haben die Papiere ihren Wert verdreifacht.

Europa strebt nach Unabhängigkeit

Doch der Konkurrenzdruck ist enorm. China beherrscht den Markt. Die fünf größten Modulhersteller JA Solar, Jinko, Trina, Longi und Canadian kommen auf einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent. Ihr größtes Plus: Sie sind billig. Europa ist abhängig von ihnen. In Deutschland etwa gab es bis zuletzt nur Nischenproduzenten für Solarmodule. Das Vorprodukt Solarzellen war schon lange verschwunden.

Nachfrageboom durch Klimaschutz

Im vorigen Jahr hat sich die Abhängigkeit von China gerächt. Lieferketten brachen wegen der Corona-Krise zusammen. Solarbranche und Politik waren aufgeschreckt. Europa brauche wieder eine eigene Solarzellenproduktion, um unabhängig zu sein, so der Tenor. Neben Meyer Burger warf die norwegische REC Solar dafür ihren Hut in den Ring. Im französischen Hambach unweit der deutschen Grenze plant das Unternehmen ebenfalls eine Mega-Solarfabrik.

Der Bedarf an sauberer Solarstromtechnologie ist riesig. Nicht nur, dass Europa in den nächsten zehn Jahren aus der Kohle aussteigen will und dafür Ökoalternativen für die Stromerzeugung gesucht sind. Die EU braucht auch grünen Wasserstoff, um ihre Klimaschutzziele zu erreichen. Laut Brüsseler Kommission ist dafür eine Leistung von rund 80 Gigawatt (GW) an Elektrolyseuren erforderlich, die Wasser mit Strom in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Die Photovoltaik wird dafür enorm wichtig werden, ist sie doch mittlerweile günstiger als die Windkraft. 80 GW an Photovoltaik für Wasserstoff aufzubauen, würde aber das Vierfache des europäischen Solarmarktvolumens von 2019 beanspruchen.

Das Rechenbeispiel zeigt: Der Markt wird massiv wachsen müssen. Die Branchenorganisation Solarpower Europe erwartet denn auch, dass sich die Leistung der jährlichen Solar-Neuinstallationen von 117 GW im Jahr 2019 bis 2024 verdoppeln wird. Jürgen Reinert, Vorstandschef von SMA Solar, forderte die Bundesregierung vor wenigen Tagen auf, den jährlichen Photovoltaik-Zubau auf mindestens 15 GW zu steigern.

Angetrieben wird das Wachstum auch von der Industrie. Weil Solarstrom so günstig geworden ist, entstehen immer mehr große Parks auf der grünen Wiese. Ob Bosch in Deutschland, HeidelbergCement in Polen oder Bayer in Spanien: Unternehmen lassen ihre Standorte über Stromlieferverträge solar versorgen. Dazu kommt der wachsende Einsatz als saubere Stromquelle in Gewerbebetrieben und Einfamilienhäusern.

Neulinge auf dem Kurszettel

Mit Wachstum und Wirtschaftlichkeit hat auch am Aktienmarkt die Auswahl an Unternehmen zugenommen. SMA Solar verdient an Systemtechnik für Solaranlagen und Batteriespeichern und entwickelt Energiemanagement-Lösungen. Neu auf dem Kurszettel ist seit Mitte Februar die Augsburger TubeSolar. Das vom Lampenhersteller Osram abgespaltete Unternehmen hat ein Glasrohr mit einer Solarfolieneinlage entwickelt. Es eignet sich für Konstruktionen auf landwirtschaftlichen Flächen. Die sogenannte Agrophotovoltaik, bei der Solarstrom parallel zum Landbau geerntet wird, gilt als Zukunftsmarkt.

Und auch das Leben der Solarworld an der Börse ging bis zuletzt weiter. Die Gesellschaft ist, obwohl insolvent, immer noch an einer Firma zur Hälfte beteiligt, die ein aussichtsreiches Lithiumprojekt in Sachsen entwickelt. Davon profitierte die Aktie zuletzt. Doch das Spiel ist für Anleger riskant: Der Insolvenzverwalter kann das Kapitel Solarworld an der Börse jederzeit endgültig beenden.
 


INVESTOR-INFO

SMA Solar Technology

Teurer Bluechip

Der Hersteller von Wechselrichtern und anderer Systemtechnik für Photovoltaikanlagen ist ein Solarwert der ersten Stunde. Die hessische Firma hat sich eine globale Position als Technologieanbieter aufgebaut, von der sie in allen Segmenten vom Hausdach bis zur Gigawattanlage profitiert. Trotz Corona hat SMA 2020 Umsatz und Ergebnis steigern können. Das Wachstum dürfte anhalten. Die Aktie ist teuer, aber langfristig aussichtsreich.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 65,00 Euro
Stoppkurs: 39,00 Euro

Meyer Burger

Ambitionierte Ziele

Die Strategie, mit eigener Technologie zu einem der größten Photovoltaikproduzenten aufzusteigen, ist mutig, die Kompetenz vorhanden. Kapital ist eingeworben, Fördermittel sind unter Dach und Fach gebracht. Doch ob das auch wirtschaftlich funktioniert, muss sich erst noch zeigen. Die Aktie ist deshalb nur etwas für sehr spekulationsfreudige Investoren. Aktuell kann man das Papier zudem nur in der Schweiz oder außerbörslich kaufen. Das bedeutet zusätzliche Kosten.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 0,56 Euro
Stoppkurs: 0,32 Euro

Erste WWF Stock Environment

Saubere Mischung

Nur auf Solaraktien zu setzen ist riskant. Die Branche hat nach der US-Wahl und dem Green Deal der EU zum Teil übertriebene Kursanstiege hinter sich. Die österreichische Erste Bank bietet mit ihrem Umweltfonds ein breites Portfolio an Solarwerten und weiteren Titeln aus dem Sektor der regenerativen Stromerzeugung. Branchen wie Wasserstoff, Verkehr sowie Abfallmanagement werden diversifiziert, sodass Anleger von verschiedenen grünen Trends profitieren können. Manager Clemens Klein überzeugt mit einer Zwölf-Monats-Performance von rund 100 Prozent.