Derart hart ging noch kein Investmentbanker mit Peking ins Gericht: "Ungeschickt, amateurhaft", so nennt Goldman-Sachs-Chef Lloyd Blankfein die massiven Interventionen der chinesischen Regierung, um die Talfahrt an den Börsen in Shenzhen und Shanghai zu stoppen. Über 40 Prozent haben die Kurse seit Mitte Juni nachgegeben. Auch in Hongkong ging es deutlich nach unten - obwohl Chinas Notenbank für rund 200 Milliarden Euro Aktien kaufte, die Zinsen senkte, die Währung abwertete und etliche Unternehmen vom Handel ausgesetzt wurden. Er persönlich würde derzeit nicht im Reich der Mitte investieren, folgert Blankfein.

Magdalena Millers Urteil fällt wesentlich milder aus. Die Managerin des Standard Life Investment China Equity Fund zieht daher auch andere Schlüsse. "Chinas Autoritäten stehen bei der Implementierung marktwirtschaftlicher Strukturen an den Aktienmärkten und in der Wirtschaft noch am Anfang der Lernkurve", sagt Miller. Ebenso verfügten Chinas Privatanleger noch über zu wenig Erfahrung. Sie interessierten sich meist nicht für die Unternehmen selbst, sondern suchten vor allem kurzfristige Kursgewinne. Übertreibungen und hohe Volatilität seien die Folge, meint die Fondsmanagerin.

Die möglicherweise früher als erwartete Aufnahme der sogenannten A-Shares in den Index MSCI Emerging Markets dürfte aber zur Stabilisierung der Kursentwicklung beitragen. Der Anteil von China-Werten in dem Börsenbarometer steigt dann von bislang 23 auf 43 Prozent. Damit würde automatisch mehr institutionelles Geld mit langfristiger Perspektive in chinesische Aktien investiert werden. Auch Miller will künftig ihr bis zu 40 Werte umfassendes Portfolio mit A-Shares bestücken. Bisher kauft sie Titel, die in Hongkong gelistet sind.

Trotz der konjunkturellen Abkühlung sieht die überzeugte Stock-Pickerin, die in den vergangenen drei Jahren im Schnitt jährlich 13,8 Prozent erzielte, weiterhin gute Chancen. "Das Wachstum schwächt sich zwar ab, die Konsumausgaben ziehen dennoch dank steigender Einkommen an." Miller hat daher Konsumwerte im Fonds übergewichtet. Ihr gefällt beispielsweise Best Pacific. Das Unternehmen stellt Sportbekleidung für Damen her, die mittlerweile immer mehr im Alltag getragen wird. Da in China zunehmend online eingekauft wird, sieht Miller auch bei Vipshop und JD.com Potenzial.

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Kurs Seidenstraße



Langfristige Kursfantasie speist sich nach Ansicht der Managerin auch aus dem von Peking vorangetriebenen Ausbau der Handelswege über Zentral- und Westasien entlang der Seidenstraße nach Westeuropa. Davon profitierten beispielsweise Eisenbahnzulieferer wie Zhuzhou CSR Times Electric. Auch bei Chinas Staatsunternehmen erkennt Miller Chancen. Diese arbeiteten meist noch unwirtschaftlich. Doch die Regierung in Peking habe den Reformbedarf erkannt und wolle durch Fusionen die Effizienz steigern. Millers "staatlicher Favorit" heißt China Mobile: "Das Telekomunternehmen steigert rasant die Kundenzahl und ist auf einem guten Weg, auch international seine Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern." Im Gegensatz zum Goldman-Sachs-Chef sieht Miller derzeit eine gute Gelegenheit zum Einstieg.