LPL Financial gilt als heimlicher Marktführer im US-Wealth-Management – und ist laut Morningstar massiv unterbewertet. Kommt jetzt das Comeback?

Die Aktie des US-Vermögensverwalters LPL Financial Holdings (Ticker: LPLA) hat nach ihrem Rekordhoch im Juli bei knapp 400 Dollar spürbar an Wert verloren. Auf dem Weg nach unten fiel sie zeitweise bis auf 310 Dollar, aktuell notiert sie bei rund 340 Dollar. Damit summiert sich das Minus seit dem Sommer auf rund 15 Prozent – und das trotz starker Fundamentaldaten.  

Auf Sicht von fünf Jahren hat sich der Kurs vervierfacht, ein Plus von 300 Prozent. Die Marktkapitalisierung liegt bei rund 27 Milliarden Dollar, das KGV bei moderaten 23. Doch unter der Oberfläche spricht vieles dafür, dass der Kursrücksetzer nur eine Atempause in einer langfristig beeindruckenden Erfolgsgeschichte ist.

Vom Nischenplayer zum Marktführer

Die Entwicklung der letzten Jahre ist bemerkenswert: Mit einer Marktkapitalisierung von rund 27 Milliarden Dollar zählt LPL Financial inzwischen zu den Schwergewichten der US-Finanzdienstleistungsbranche. Seit 2020 hat sich der Aktienkurs verdreifacht – ein Zuwachs von fast 300 Prozent in fünf Jahren, während der S&P 500 im selben Zeitraum rund 85 Prozent zulegte.

Auch operativ überzeugt das Unternehmen: 2024 lag der Umsatz bei 12,08 Milliarden Dollar, ein Zuwachs von 22 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Der Nettogewinn blieb mit 1,06 Milliarden Dollar stabil. Im jüngsten Quartal kletterte der Umsatz sogar um 30 Prozent auf 3,73 Milliarden Dollar, während der Gewinn stieg um 12 Prozent auf 273 Millionen Dollar zulegte. Mit einem KGV von 23 erscheint die Bewertung im Branchenschnitt moderat – vor allem gemessen an der langfristigen Wachstumsdynamik.

Morningstar sieht „Wide Moat“ – und massives Aufwärtspotenzial

In einem vielbeachteten Research-Bericht hat Morningstar LPL Financial kürzlich von einer "narrow" auf eine "wide economic moat" (also: eine  größeren Burggraben) hochgestuft – ein Ritterschlag in der Analystenwelt. Die Begründung: LPL sei „auf dem Weg, sich als langfristiger Gewinner im schnell wachsenden Segment der unabhängigen Broker-Dealer im US-Vermögensmanagement zu etablieren“.

Mit einem geschätzten Fair Value von 504 Dollar je Aktie sieht Morningstar ein Aufwärtspotenzial von rund 48 % gegenüber dem aktuellen Kursniveau. Damit zählt LPL zu den am stärksten unterbewerteten Werten im US-Finanzsektor – und wurde in die Liste der „33 Undervalued Stocks to Buy in Q4 2025“ aufgenommen. Morningstar-Chefstratege Dave Sekera nennt LPL sogar ausdrücklich unter seinen „vier neuen Langfrist-Käufen“.

Wachstum durch Beraterbindung und Skaleneffekte

Die eigentliche Stärke von LPL liegt in seiner Position als führende Plattform für unabhängige Finanzberater. Acht Jahre in Folge hat das Unternehmen laut Morningstar die Branche bei der Gewinnung neuer Berater angeführt. Entscheidend ist dabei nicht nur die Quantität, sondern die Qualität: LPL gelingt es zunehmend, auch Berater mit vermögenden Kunden zu gewinnen – und diese langfristig zu halten.

Um die Bindung zu erhöhen, hat das Unternehmen in den letzten Jahren massiv in technologische Services, Back-Office-Lösungen, Nachfolgeprogramme und Marketingunterstützung investiert. Diese Leistungen erzeugen hohe Wechselkosten (Switching Costs), die es Beratern schwer machen, die Plattform zu verlassen. Das Resultat: eine Retentionsrate von über 95 %, eine beeindruckende Kapitalrendite (ROIC) von 26 % über die vergangenen zehn Jahre – und eine operative Effizienz, die kleineren Wettbewerbern kaum erreichbar ist.

Der strukturelle Rückenwind: Beratermarkt im Wandel

Der US-Vermögensverwaltungsmarkt befindet sich in einer tiefgreifenden Umbruchphase. Immer mehr Finanzberater verlassen traditionelle Banken und schließen sich unabhängigen Plattformen an, um flexibler zu arbeiten und höhere Provisionsanteile zu behalten.

LPL profitiert dabei doppelt: Zum einen durch organisches Wachstum, zum anderen durch die Konsolidierung des Marktes. Das Unternehmen hat in den letzten Jahren gezielt kleinere Wettbewerber übernommen und kann durch seine Self-Clearing-Struktur erhebliche Kostenvorteile realisieren.

Morningstar erwartet über die nächsten zehn Jahre ein jährliches Wachstum der Kundengelder von 12 %, während Umsatz und Gewinn im gleichen Zeitraum im hohen einstelligen bis niedrigen zweistelligen Bereich wachsen sollen.

Bewertung und Perspektive: Unterbewertet im teuren Sektor

Mit einem aktuellen KGV von 23 liegt LPL zwar über klassischen Bankenwerten wie Goldman Sachs (≈ 14) oder Morgan Stanley (≈ 15), doch das Geschäftsmodell ist grundlegend anders: LPL ist kapitalarm, skalierbar und margenstark, ein typischer „Asset-Light“-Gewinner der neuen Finanzarchitektur.

Morningstars Modell unterstellt bis 2035 ein jährliches Gewinnwachstum von 16 %, gestützt durch steigende Kundengelder, Plattformeffizienz und ein wachsendes Serviceangebot. Sollte das Fair-Value-Ziel von 504 Dollar erreicht werden, entspräche dies einem P/E-Multiple von rund 36 – was für ein „Wide-Moat“-Wachstumsunternehmen dieser Art nicht überzogen wirkt.

Risiken: Zinssensitivität und regulatorische Grauzonen

Ganz ohne Risiken ist das Modell freilich nicht. Rund ein Drittel des Bruttogewinns stammt aus Zinserträgen auf Kundengelder (Cash Sweeps). Sinkende Leitzinsen könnten diese Erträge spürbar drücken. Auch verschärfte Regulierung zur Verzinsung von Kundengeldern könnte das Geschäftsmodell belasten.

Hinzu kommen Integrationsrisiken bei jüngsten Übernahmen und der anhaltende Wettbewerb um Top-Berater – ein Markt, in dem auch finanzstarke Rivalen wie Morgan Stanley, Raymond James oder die konvertierten RIA-Plattformen mitmischen.

Kaufchance im Schatten großer Namen?

Während an der Wall Street meist über Goldman Sachs, Morgan Stanley oder JP Morgan gesprochen wird, bleibt LPL Financial für viele Investoren ein Geheimtipp. Doch genau das könnte der Reiz sein: eine wachstumsstarke Plattform mit stabilen Erträgen, breiter Moat und klarem Skalenvorteil, aktuell rund 36 % unter dem Fair Value gehandelt.

Wer an die fortschreitende Unabhängigkeit des Wealth-Management-Sektors glaubt, dürfte in LPL einen der strategischen Gewinner der kommenden Dekade finden. Die nächste Gelegenheit für eine Neubewertung kommt bald: Am Donnerstag, dem 30. Oktober, nach US-Börsenschluss veröffentlicht LPL Financial seine neuesten Quartalszahlen. Anleger sollten genau hinschauen – vielleicht markiert das den Wendepunkt für den nächsten Aufwärtsschub.

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LPL Financial Holdings Inc (WKN: A1JZ6S)