Große Sprüche gehören zum Geschäft. Selbst im aktuellen Quartalsbericht stichelt der Mobilfunkkonzern T-Mobile US gegen die Konkurrenz: 1,7 Millionen neue Kunden habe man netto gewonnen und damit mehr als AT & T und Verizon zusammen.

Die amerikanische Tochter der Deutschen Telekom ist auch am Aktienmarkt einer der großen Gewinner. Über die vergangenen zehn Jahr hat die Aktie von T-Mobile US im Schnitt 28 Prozent an Wert gewonnen. Verizon schafft knapp fünf Prozent, AT & T etwa anderthalb.

Die jüngsten Geschäftszahlen zeigen, dass T-Mobile US weiter auf Wachstumskurs ist. Börsianer schauen in der Kundendatei vor allem auf die Postpaid-Mobilfunk-Abonnenten. Postpaid-Kunden zahlen jeden Monat nachträglich einen festen Betrag. Im Vergleich zu den vorab zahlenden Prepaid-Kunden geben Postpaid-Kunden meist mehr Geld aus und sind für den Anbieter rentabler. Im zweiten Quartal begrüßte T-Mobile 723.000 neue Postpaid-Mobilfunkabonnenten. Analysten hatten lediglich mit 575.000 gerechnet. "Die Ergebnisse zeigen, dass T-Mobile immer noch Anteile gewinnt, und das mit einer beschleunigten Rate", lobt Craig Moffett vom Researchhaus MoffettNathanson. Und weiter: "Es gibt Anzeichen, dass die Kunden, die sie anziehen, zunehmend aus wohlhabenderen Bevölkerungsschichten stammen."

Famose Fusion

Nicht alle Zahlen glänzen: Im zweiten Quartal blieb für die Telekom-Tochter ein Verlust von 108 Millionen Dollar. Im Vorjahreszeitraum wurden noch 713 Millionen Dollar nach Steuern verdient. Das liegt an der kostspieligen Integration von Sprint. T-Mobile musste Wertminderungen auf Assets vornehmen. Außerdem belasteten Sonderausgaben, die auf einen Cyberangriff im August 2021 zurückgehen. Hacker hatten damals die Daten von 76,6 Millionen Menschen offengelegt. Zu den Daten gehörten Vor- und Nachnamen, Sozialversicherungsnummern und Führerscheininformationen sowie Girokontodaten. T-Mobile erklärte sich bereit, 350 Millionen Dollar für die Schadenregulierung zu zahlen und 150 Millionen Dollar für erhöhte Sicherheit auszugeben.

Im April 2020 fusionierte T-Mobile mit Sprint, um mit vereinten Kräften die Giganten AT & T und Verizon zu attackieren. Nach der Fusion übergab John Legere, der gern provozierende Chef, der T-Mobile fast ein Jahrzehnt lang geleitet hat, den Stab an seinen langjährigen Stellvertreter Mike Sievert. T-Mobile hatte direkt nach der Verschmelzung 100 Millionen Kunden. Der Konzern führte Breitbanddienste über das Mobilfunknetz ein. Die Bereitstellung des schnellen 5G-Netzes gelang durch die Hinzufügung von Sprint schneller und günstiger. Die Synergien sollen einen Wert von 5,5 Milliarden Dollar im laufenden Jahr erreichen.

Eine lange eher vernachlässigte Zielgruppe hat T-Mobile derzeit ins Visier genommen: Der Konzern verschickt Werbepost, die zwei lachende Senioren mit Handy zeigt. Das Angebot: Zwei Handynummern zum Preis von jeweils 27,50 Dollar plus Steuern. Der Tarif kommt mit unlimitierten Daten, Gesprächen und SMS-Nachrichten. Wer das Abo mit 24 Monaten Laufzeit abschließt, erhält ein kostenloses Handy obendrauf. Der Preis ist für die Laufzeit garantiert. Man muss aber einer monatlichen Einzugsermächtigung zustimmen. So geht wohl T-Mobile sicher, nicht zu lange auf das Geld der Kunden warten zu müssen. Mit solchen Schnäppchen gelang es T-Mobile in den USA, gemessen an der Kundenzahl zum zweitgrößter Mobilfunkanbieter nach Verizon zu werden.

Teurer Irrtum

Die Konkurrenz macht sich das Leben schwer: Mehr als 85 Milliarden Dollar zahlte AT & T 2018 für das Medienkonglomerat Time Warner, wodurch der Telefongigant die Kontrolle über die TV-Sender CNN, HBO und die Filmstudios von Warner erhielt. AT & T häufte durch den Deal erdrückende Schulden an. Ende 2021 stand der Konzern mit 180 Milliarden Dollar in der Kreide. Wohl deshalb trennte sich AT & T im April wieder per Abspaltung von Time Warner und erhielt so 44 Milliarden Dollar, die der Vorstand zur Schuldentilgung und Stärkung der Bilanz nutzte. Time Warner fusionierte mit der TV-Senderfamilie Discovery, die Aktie notiert nun als Warner Bros. Discovery. Gerüchten zufolge steht der kriselnde Medienkonzern vor Massenentlassungen.

T-Mobile setzt derweil auf Offensive: Der Konzern präsentiert sich als günstige und kundenfreundliche Mobilfunkfirma, die die Preise der beiden Hauptrivalen unterbietet. Die Botschaft kommt an. Wild, jung, verrückt, rebellisch - so stellte Ex-Chef John Legere die Marke auf. Der einstige Zwerg provoziert noch immer mit frechen Sprüchen. Im Zeitalter der sozialen Medien verbreitet sich die Botschaft schnell.

Die Schauspieler Zach Braff und Donald Faison singen in einem TV-Werbespot: Braff ist es leid, so viel für das Internet zu Hause zu bezahlen, also hilft ihm Faison, zu T-Mobile zu wechseln. T-Mobile Home Internet sei ohne versteckte Gebühren, ohne Preiserhöhungen und nur mit einem Kabel zu ha- ben - "ohne BS", was für "Bullshit" steht. Mittlerweile nutzen 1,5 Millionen Haushalte das schnelle Internet von T-Mobile, Tendenz stark steigend. Justin Bieber tanzte schon durch die Werbung. Rapper Snoop Dogg und TV-Köchin Martha Stewart plauderten über Marihuana. Das freche Image verhalf der Marke zum Durchbruch.

Die Amerikaner vom Rhein

Der Erfolg von T-Mobile US sorgt auch auf der anderen Seite des Atlantiks für gute Laune. Der Chef der Deutschen Telekom, Timotheus Höttges, bekräftige das Ziel, wieder Mehrheitsaktionär bei seiner US-Tochter nach der Fusion mit Sprint werden zu wollen. Die Rheinländer besitzen 48,4 Prozent.

Die amerikanische Tochter ist der wichtigste Kurstreiber für die Telekom-Aktie. T-Mobile US erwartet einen massiv steigenden freien Cashflow. Diesen will Sievert in Aktienrückkäufe stecken. Bis zu 60 Milliarden Dollar möchte er in den Jahren 2023 bis 2025 für Rückkäufe lockermachen. Das entspricht einem Drittel des Börsenwerts, das wäre ein enormes Programm. So wird jede verbleibende T-Mobile-Aktie wertvoller. Die Deutsche Telekom hat schon zwei Mal dieses Jahr die Prognose für 2022 erhöht und dabei auf die gute Entwicklung von T-Mobile US hingewiesen. Nun peilt der DAX-Konzern rund 37 Milliarden Euro Gewinn nach zuvor 36,6 Milliarden Euro an. Höttges erklärte gegenüber Analysten, dass er, selbst wenn er die Mehrheit erreicht habe, eventuell weitere T-Mobile-Aktien kaufen werde. Die US-Tochter machte im jüngsten Quartal zwei Drittel des Umsatz der Telekom. Große Sprüche kann man sich bei T-Mobile US wirklich erlauben.

INVESTOR-INFO

T-Mobile US

Schriller Angreifer

Ungewöhnlich in der Telekombranche: T-Mobile US zahlt keine Dividende, plant stattdessen umfangreiche Aktienrückkäufe. Die Aktie ist seit zehn Jahren ein Dauerläufer. Die hohen Bewertungskennziffern des Papiers relativieren sich dadurch, dass sich die Fusion mit Sprint erst mit zeitlicher Verzögerung positiv in den Geschäftszahlen niederschlägt. Das KGV dürfte in den kommenden Jahren somit deutlich sinken. T-Mobile US bleibt Topwert im Telekomsektor.

Deutsche Telekom

Glückliche Mutter

Der ehemalige Staatskonzern ist ein verlässlicher Dividendenzahler geworden. Die Tochter in den USA ist wichtigster Wachstumstreiber. Die Ausschüttung der T-Aktie ist attraktiv, das Gewinnvielfache moderat. Der Riese betreut 248 Millionen Mobilfunkkunden und 22 Millionen Breitband- sowie 26 Millionen Festnetzanschlüsse. Die Deutsche Telekom ist ein defensives Langfristinvestment.

AT & T

Falsch verbunden

Das zweite Quartal lief solide. Sowohl der Umsatz als auch das bereinigte Ergebnis übertrafen die Erwartungen der Wall Street. Der Dino gewann 813.000 Postpaid-Telefonkunden hinzu. Aber nach der Abspaltung von Time Warner kürzte der Vorstand die Dividende um 46 Prozent auf 1,11 Dollar je Aktie jährlich. Zudem reduzierte er die Erwartung für den freien Cashflow auf 14 Milliarden nach vormals 16 Milliarden Dollar im laufenden Jahr. Halteposition.