BÖRSE ONLINE: Teamviewer gilt als Profiteur der Corona-Krise. Aber wie nachhaltig ist der Boom?
Oliver Steil: Keine Frage: Die Corona-Pandemie und der Lockdown haben uns eine Sonderkonjunktur beschert. Nun normalisiert sich die Nachfrage wieder, das wird sich auch im zweiten Halbjahr fortsetzen. Wir pendeln uns somit wieder auf dem nachhaltigen Wachstumspfad ein, den wir auch bereits bei unserem Börsengang im vergangenen Jahr in Aussicht gestellt haben.
Wir sind auch vor der Corona-Pandemie kontinuierlich kräftig gewachsen und sind zugleich hoch profitabel. Dieses einzigartige Finanzprofil zeichnet uns aus.

Im zweiten Quartal ist die Nachfrage wieder abgeebbt - wie geht es für die Aktie jetzt weiter?
Welche Faktoren im Einzelnen an den jeweiligen Tagen den Aktienkurs bewegen, darüber kann man nur spekulieren. Wichtig ist aber die langfristige Entwicklung. Unsere Aktie hat seit Jahresbeginn mehr als 50 Prozent zugelegt und den Vergleichsindex mehr als outperformed. Dass es dabei an vereinzelten Tagen auch zu Korrekturen kommen kann, ist nicht ungewöhnlich.

Sie haben mit dem Datenbrillen-Hersteller Ubimax gerade den ersten Zukauf der Firmengeschichte gestemmt. Wie weit ist die Integration fortgeschritten?
Wir erwarten das Closing der Transaktion für das dritte Quartal 2020. Insgesamt sind wir aber davon überzeugt, dass die Integration relativ zügig voranschreiten wird. Beide Unternehmen sind in Deutschland beheimatet, haben ähnliche Werte und den Willen, etwas gemeinsam aufzubauen. Vor allem im Vertrieb und beim Marketing werden wir schnell erste Synergien heben können. Auf der Technologieseite rechnen wir damit, dass die Integration etwa sechs bis zwölf Monate in Anspruch nehmen wird.

Welche Chancen sehen Sie in diesem und den weiteren angepeilten Zukäufen?
Mit der Übernahme von Ubimax wird TeamViewer sein Angebot für große Unternehmenskunden ausbauen und die Digitalisierung in der Industrie beschleunigen. TeamViewer kann zudem die Entwicklung neuer Anwendungsfälle mit Fokus auf Datenanalyse und künstlicher Intelligenz vorantreiben. Gemeinsam schaffen wir so den Weltmarktführer für Industrie 4.0-Lösungen. Langfristig ist es unser Ziel, profitabel weiterzuwachsen. Organisch, aber auch durch weitere Akquisitionen - sofern wir für uns passende Partner finden.

Wie will Teamviewer mit der Übernahme die eigene Marktposition stärken?
Ubimax ist der führende Anbieter von Wearable-Computing- und Augmented-Reality-Lösungen für Facharbeiter in der Industrie. Mit der Übernahme von Ubimax wird TeamViewer die Digitalisierung in der Industrie, beispielsweise bei Fertigungs- und Logistikprozessen beschleunigen. Schon heute hat Ubimax eine breite Kundenbasis von international tätigen Großunternehmen wie Deutsche Post DHL, BMW oder Coca-Cola Hellenic Bottling Company.

Können Sie den Marktanteil des neuen Bereichs beziffern?
Als junges, aufstrebendes Startup wächst Ubimax stark und eröffnet uns in den nächsten Jahren noch größere Marktchancen. Mit dem Zukauf erweitern wir unseren Zielmarkt signifikant um zehn Milliarden Euro auf 40 Milliarden Euro bis 2023.


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Wie weit ist Teamviewer mit der Aufklärung des Cyber-Angriffs 2016?
TeamViewer war im Herbst 2016 Ziel eines Cyber-Angriffs. Natürlich haben wir damals weltweit eng mit den zuständigen Strafverfolgungsbehörden zusammengearbeitet. Eine dieser Behörden hat vor wenigen Tagen unsere Anwälte kurz über die wesentlichen Fakten zum Status ihrer Ermittlungen informiert. In dem Gespräch wurden seitens der Behörde Beweise für Datenverluste erwähnt, die aus den Ereignissen um 2016 abgeleitet werden können und vorbehaltlich einer detaillierten Analyse zu Benachrichtigungspflichten gegenüber Datenschutzbehörden und Kunden führen könnten.

Welche Daten wurden abgegriffen?
Bislang haben wir keinen detaillierten Einblick in die erwähnten Beweise. In dem Gespräch wurde jedoch hervorgehoben, dass es keine Belege für Datenmissbrauch gibt, nachdem von uns bis Mitte 2018 eine Reihe von Abhilfemaßnahmen und Infrastrukturverbesserungen durchgeführt worden waren. Wir haben aus diesem Vorfall sehr viel gelernt und in den vergangenen Jahren einen zweistelligen Millionenbetrag in eine erstklassige Sicherheitsarchitektur investiert.

Sehen Sie Teamviewer mit einem aktuellen Börsenwert von neun Milliarden Euro schon als DAX-Anwärter?
Wir fühlen uns geehrt, dass wir offenbar schon auf dieser Stufe gesehen werden. Ein zusätzliches Tech-Unternehmen würde dem DAX sicherlich auch nicht schaden. Unabhängig davon, sind das aber Themen, die für uns bei der täglichen Arbeit keine Rolle spielen. Wir werden weiterhin unsere Wachstumsstrategie verfolgen. Diese basiert auf langfristigen Wachstumstreibern, wie der Digitalisierung aller Branchen, der Vernetzung zwischen einer ständig wachsenden Anzahl von Geräten, der Technologisierung aller Lebensbereiche, der Flexibilisierung von ortsunabhängigem Arbeiten und vor allem dem Internet der Dinge. Diese Megatrends werden auch in Zukunft an Bedeutung gewinnen und die Nachfrage nach sicheren Fernzugriffs- und Fernwartungslösungen begünstigen. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Börsenindex ist dabei weniger relevant.