Es sieht düster aus beim ehemaligen Stahlriesen Thyssenkrupp: Allein im zweiten Quartal stieg der Nettoverlust auf 946 Mio. Euro, für das gesamte erste Halbjahr des Geschäftsjahres summiert sich der Fehlbetrag inzwischen auf 1,3 Mrd. Euro. Die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie hinterlassen tiefe Spuren in der Bilanz, wobei das Ausmaß der Krise derzeit für die Geschäfte noch nicht vollständig absehbar ist. Immerhin gibt es bereits etliche Fortschritte beim Umbau - doch auch hier sieht es vorerst nicht nach einem Befreiungsschlag aus.


Nur das Aufzugsgeschäft lief gut


Bis Ende des Geschäftsjahres soll das Geld aus dem Verkauf des Aufzugsgeschäft fließen. Inzwischen liegen acht der 13 notwenigen Kartellfreigaben vor. Rund 17,2 Mrd. Euro kommen in die Kasse, wobei jeweils gut sieben Mrd. Euro für Schuldentilgung und die Deckung der Pensionsverpflichtungen reserviert sind. Die neuen Eigentümer können sich freuen: Mit 402 Mio. Euro lag das operative Ergebnis der Aufzugssparte auf dem Vorjahresniveau. Ganz anders hingegen entwickelte sich die Stahlsparte, die künftig eine wichtige Säule spielen soll. Im ersten Halbjahr verbuchte sie ein Minus von 372 Mio. Euro.

Eine schnelle Belebung der Nachfrageseite ist angesichts der tiefen Krise in der Automobilindustrie und somit bei den wichtigsten Kunden sowie auch mit Blick auf die Überkapazitäten vorerst nicht zu erwarten. Für Vorstandschefin Martina Merz dürfte es eine enorme Herausforderung werden, unter diesen Bedingungen eine langfristig erfolgreiche Strategie für die Sparte auszuarbeiten. Berichten vom Wochenende zufolge hat der Konzern mit Vertretern von anderen Stahlfirmen wieder Gespräche über einen möglichen Zusammenschluss seiner Stahlsparte aufgenommen. In der Sondierungsrunde sind angeblich die chinesische Baosteel, SSAB aus Schweden sowie Tata Steel Europe, meldet das Handelsblatt. Das Problem: Auch in den anderen Sparten sieht es nicht besser aus. Automotive Technology meldete einen Verlust von 28 Mio. Euro, Plant Technology lag zwar über dem Vorjahr aber mit 38 Mio. Euro ebenfalls im roten Bereich.

Dienstag wird es spannend


Die Luft wird somit dünner, zumal sich die bilanzielle Verfassung weiter eintrübt. Aktuell liegt die Eigenkapitalquote nur noch bei 3,3 Prozent. Der Mittelzufluss aus dem Verkauf der Aufzugssparte ist zentral für den laufenden Konzernumbau. Sollten sich hier wegen der Corona-Krise die vereinbarten Konditionen zum Nachteil für ThyssenKrupp ändern, wäre dies sehr negativ. Einen Teil des frischen Kapitals will Merz in neue Wachstumsgeschäfte investieren. Da gleichzeitig im laufenden Geschäft viel Geld verbrannt wird, schrumpfen die Erlöse wie Schnee in der Sonne. Heute soll der Aufsichtsrat über den künftigen Kurs beraten, am Dienstag will Merz die Pläne präsentieren. Gerüchten zufolge sollen weitere Aktivitäten verkauft werden wie der Anlagenbau, wesentliche Elemente der Komponentenfertigung und die Werftensparte

Anleger sollten daher die Aktie vorerst von der Seitenlinie aus betrachten und die Marktreaktion abwarten. Zusätzliche Brisanz kommt von technischer Seite: Um vier Euro verläuft eine Haltezone, die zuletzt gekauft wurde. Darunter wäre der Weg für neue Tiefs frei. Wo die Aktie im negativen Fall wieder drehen könnte, kann seriös nicht beantwortet werden. Klarer ist die Sache auf der Oberseite: Spätestens zwischen 6/6,50 Euro dürfte ein weiterer positiver Impuls wieder auslaufen.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse.

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