Die Luft wird für den Essener Konzern immer dünner. Auftragseingang und Umsatz brachen ein, wie Thyssenkrupp am Donnerstag in Essen mitteilte. Der wochenlange Stillstand durch die Corona-Krise und der Einbruch der Automobilkonjunktur belastete vor allem das Stahlgeschäft. Allein in dem Bereich musste Thyssenkrupp Verluste von rund 700 Millionen Euro verbuchen. Damit macht das Stahlgeschäft einen wesentlichen Anteil des gesamten Fehlbetrags von 1,12 Milliarden Euro im fortgeführten Geschäft - das heißt ohne das veräußerte Aufzugsgeschäft - aus.

Der bereinigte operative Verlust (Ebit) betrug im fortgeführten Geschäft 679 Millionen Euro und verschlechterte sich im Vergleich zu den minus 13 Millionen Euro im Vorjahresquartal deutlich. Allerdings lag Thyssenkrupp damit am unteren Ende seiner Prognose. Finanzchef Klaus Keysberg hatte bei der Vorlage der letzten Quartalszahlen im Mai ein Minus von bis zu einer Milliarde Euro nicht ausgeschlossen. Zudem schnitt der MDax-Konzern nicht ganz so schlecht ab, wie von Analysten geschätzt.

In den anderen Geschäften ist der Konzern derweil optimistisch. Abhängig von der Dynamik der gerade beginnenden Wiederaufnahme der Produktion bei Kunden erwartet Thyssenkrupp für das 4. Quartal mit möglicher Ausnahme vom Stahlgeschäft in nahezu allen Bereichen eine stabile Entwicklung oder eine leichte Verbesserung im Vergleich zum Vorquartal. Nichtsdestotrotz wird im vierten Quartal mit einem negativen bereinigten Ebit der fortgeführten Aktivitäten im mittleren bis höheren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich gerechnet.

"Inzwischen sehen wir zwar Anzeichen für eine Stabilisierung. Aber die anstehenden Restrukturierungen und das Aufräumen unserer Bilanz werden das Ergebnis im laufenden Quartal weiter belasten", betonte Konzern-Chefin Martina Merz. Für das Gesamtjahr sei ein Verlust von 1,7 bis 1,9 Milliarden Euro wahrscheinlich. Dabei erwartet Thyssenkrupp allein für den Stahlbereich einen Verlust von bis zu gut einer Milliarde Euro. "Mit den Erlösen aus dem Aufzuggeschäft können wir diese überfälligen Maßnahmen endlich konsequent angehen", erläuterte Merz die anstehenden Restrukturierungsmaßnahmen.

So geht es für Thyssenkrupp weiter


Der vor kurzem abgeschlossene Verkauf des Aufzuggeschäfts für rund 17,2 Milliarden Euro soll sich positiv auf den Jahresüberschuss und den freien Mittelzufluss auswirken. Die Verkaufserlöse sollen direkt genutzt werden, um die Schwankungen des Umlaufvermögens reduzieren. Das werde den Cashflow mit 2,5 Milliarden Euro belasten, erläuterte Finanzvorstand Keysberg. Thyssenkrupp erwartet daher im fortgeführten Geschäft im Gesamtjahr einen Mittelabfluss von fünf bis sechs Milliarden Euro. Außerdem will der MDax-Konzern auch selektiv in seine Geschäfte investieren sowie die laufende Restrukturierung finanzieren.

So schließt Konzern-Chefin Martina Merz einen Verkauf des Stahlgeschäfts ebenso wenig aus wie eine Fusion. Aber auch die Hereinnahme eines Partners, eine eigene Übernahme oder auch die Fortführung auf der jetzigen Basis sind Optionen, über die gerade diskutiert wird. Mitte Mai hatte Merz erklärt, dass es keine "Denkverbote" gebe.

Ein Zusammenschluss der Stahlgeschäfte von Thysenkrupp und Salzgitter gilt als eine Möglichkeit. Aber auch Tata Steel, SSAB und Baoshan Iron & Steel werden Insidern zufolge als mögliche Partner gehandelt. Die Industriegeschäfte sind ebenfalls von den massiven Umbauplänen betroffen. Die meisten Sparten sind derzeit nicht wettbewerbsfähig aufgestellt. Thyssenkrupp will sich deshalb von Bereichen mit einem Umsatz von insgesamt sechs Milliarden Euro trennen. Im Marineschiffbau sei eine Fusion mit einem Konkurrenten ebenfalls denkbar.

Die neue Thyssenkrupp befasse sich im Kern weiterhin mit dem Werkstoffhandel sowie den Industriekomponenten. Auch das Automobilzulieferer-Geschäft soll zumindest teilweise in der Gruppe weitergeführt werden.

Unsere Einschätzung:


Schon vor der Corona-Krise hatte Thyssenkrupp schwer zu kämpfen. Mit dem Corona-Crash Anfang März ging es weiter bergab. Besonders die traditionsreiche Stahlsparte ist dadurch unter die Räder gekommen. Das kam bei Anlegern nicht gut an. Im Laufe des Donnerstagvormittags verlor die Aktie fast 15 Prozent.

Überraschen dürften die tiefroten Zahlen jedoch nicht. So lag Thyssenkrupp mit einem bereinigten operativen Verlust im fortgeführten Geschäft von 679 Millionen Euro am unteren Ende der Prognose. Laut Finanzchef Klaus Keysberg sei auch ein Minus von bis zu einer Milliarde Euro nicht ausgeschlossen gewesen, so seine Einschätzung im Mai. Auch Analysten hatten mit schlechteren Zahlen gerechnet.

Insgesamt gibt es noch viel zu tun, um den Konzern wieder auf Kurs zu bringen. Durch den Verkauf der Aufzugssparte wurden jedoch Mittel frei, um die Restrukturierungsmaßnahmen anzugehen. Anleger sollten den Industrie- und Stahlkonzern zunächst von der Seitenlinie aus beobachten.

Mit Material von Reuters und dpa-AFX