Erinnern Sie sich noch an die Aktie von Salzgitter? Von 2008 bis 2010 war der Branchenkollege von ThyssenKrupp ebenfalls im DAX vertreten. Anschließend folgte der Abstieg in den MDAX, seit Mitte März sind die Papiere sogar nur noch im SDAX zu finden. Der Indexabstieg spiegelt gut die Branchenverfassung der Stahlwerte wider. Und auch die Tage von ThyssenKrupp in der ersten Börsenliga könnten mit der Indexentscheidung der Deutschen Börse am 4. September gezählt sein. Seit Einführung des DAX im Juli 1988 ist das Konglomerat im Leitindex vertreten.

Zwei Faktoren kommen nun zusammen, die einen Abstieg gemäß der Regel "Regular Exit" befeuern. Nach den herben Verlusten der vergangenen Monate ist der Börsenwert auf nur noch gut sechs Mrd. Euro geschrumpft, ThyssenKrupp ist damit das Leichtgewicht unter den Blue Chips. Erstmals seit 2003 gibt es die Papiere wieder im einstelligen Bereich. Und auch die hohen Beteiligungen der beiden Großaktionäre Krupp-Stiftung und Cevian wirken sich nun negativ aus, da für die DAX-Zugehörigkeit der Börsenwert im Streubesitz entscheidend ist. Auf Basis der beiden Kriterien Börsenwert und Börsenumsatz ist ThyssenKrupp nicht mehr unter den Top 40 zu finden. MTU Aero und Deutsche Wohnen liegen bei beiden Kriterien unter den Top 35 - MTU würde aufgrund des höheren Börsenwertes aktuell den Zuschlag erhalten.

Bei einem Abstieg könnte der Verkaufsdruck zumindest kurzfristig zunehmen, weil Index-Investoren, die den DAX abbilden, ihre Anteile veräußern müssten. Wesentlich geringer ist der Effekt hingegen bei einer Aufnahme in den MDAX. Nur eine scharfe Kurserholung könnte den drohenden DAX-Abstieg noch verhindern. Und hier kommt der zweite Countdown ins Spiel.

Verkauf und Fusion?


Mit der Krise in der Autoindustrie schwächelt die Nachfrage, gleichzeitig steigen die Preise für wichtige Vorprodukte wie Eisenerz. Für die Stahlhersteller ein denkbar schlechter Mix. Aber auch eine Fusion scheidet als Rettung nahezu aus, da die Wettbewerbshüter zuletzt viele Pläne durchkreuzten. Nach der schwachen Geschäftsentwicklung im dritten Quartal kappte der Konzern kürzlich die Prognose für das laufende Geschäftsjahr. Um profitabler zu werden, verfolgt das Management weitreichende Umbaupläne. Dazu zählt auch ein Börsengang der lukrativen Aufzugsparte. Die einzige Cash Cow im Unternehmen wird mit zwölf bis 15 Mrd. Euro bewertet. Zur Erinnerung: Der Börsenwert von ThyssenKrupp liegt derzeit bei nur gut sechs Mrd. Euro, die Schulden bei fünf Mrd. Euro.

Interessenten gibt es genug, ThyssenKrupp-Chef Guido Kerkhoff fährt dennoch zweigleisig und setzt Finanzinvestoren wie CVC, Carlyle oder KKR unter Zugzwang: "Wenn der Börsengang stattfindet, ist der Zug für strategische Investoren und Private-Equity-Investoren zunächst abgefahren", sagte Kerkhoff dem Spiegel. Die Vorteile liegen für die Essener auf der Hand: Bei einem Verkauf an Private Equity sind keine langwierigen kartellrechtlichen Hürden zu erwarten, ThyssenKrupp würde schnell Geld erhalten. Doch auch eine andere Option ist denkbar: Am Freitag wurde bekannt, dass der Konzern eine Übernahme des Stahlhändlers Klöckner & Co. durchspielt. KlöCo-Chef Gisbert Rühl bekundete in der Vergangenheit bereits häufiger Interesse an Teilen der Stahlhandelssparte von ThyssenKrupp, nun scheinen beide Seiten miteinander zu sprechen. Ganz neu ist die Story daher nicht, die Auftaktgewinne am Freitag waren daher schnell wieder verpufft.

Nüchtern betrachtet wäre der Deal nur ein Zusammenschluss zweier schwächelnder Bereiche. Vor dem Hintergrund der sich weiter abkühlenden Weltkonjunktur bleiben die Aussichten mau. Entsprechend deutlich zeigt auch der Kursverlauf nach unten, die erhoffte Bodenbildung um zwölf Euro ist ausgeblieben. Risikoscheue Anleger meiden die Aktie, Börse Online hat den Wert auf "Beobachten". Wer gerne spekulieren möchte, wettet auf eine Erholung in Richtung 13 bis 14 Euro. Gerade für Trader ist die hohe Schwankungsintensität interessant. Seit einigen Tagen kommt Bewegung in den sich abzeichnenden Umbau, sehr kurzfristig ist mit Entscheidungen zu rechnen - und damit auch zur Zukunft der Thyssen-Aktie im DAX.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse.

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