An schwache Quartalszahlen haben sich die Aktionäre von ThyssenKrupp bereits gewöhnt. Das Enttäuschungspotenzial dürfte inzwischen gering sein, zuletzt revidierte das Management mit der Vorlage der Q3-Daten die Ergebnisprognose für das Geschäftsjahr 2018/2019 nach unten. Die schwächere weltwirtschaftliche Dynamik, eine deutlich gedämpfte Nachfrage aus der Automobilindustrie und der weiterhin hohe Importdruck beim Stahl dürften auch zuletzt den Geschäftsverlaufbelastet haben. Analysten rechnen mit einem Umsatz von 10,2 Mrd. Euro, nach 10,8 Mrd. Euro im Vorquartal. Das Ergebnis je Aktie wird bei 0,39 Euro gesehen, nach -0,11 Euro im Vorjahreszeitraum. Im laufenden Geschäftsjahr droht dem Traditionskonzern wohl ein Nettoverlust. Fünf der sechs Sparten bereiten Sorgen: Die Stahlproduktion, der Bau von Industrieanlagen und der Schiffbau liegen im Minus, der Werkstoffhandel sowie die Fertigung von Autokomponenten zeigen keine Dynamik, nur die Aufzugssparte brummt.

Für das Gewesene zahlt der Kaufmann aber nichts - der Blick in die Zukunft ist wichtig. Börse Online rechnet mit einem 2020er-Ergebnis je Aktie von 0,65 Euro. Auf Basis des aktuellen Kurses von 13 Euro wird somit ein 2020-KGV von 20,7 aufgerufen. Eine sportliche Ansage, verglichen mit der Konkurrenz. Salzgitter und Arcelor Mittal werden mit einem Faktor von zehn gehandelt. Dazu kommt eine magere Dividendenrendite von 1,1 Prozent.

Milliarden-Deal in Sicht


Fantasie entfacht weiterhin die Zukunft der Aufzugssparte. Konkurrenten wie auch Finanzinvestoren haben Interesse bekundet. Berichten zufolge bietet der finnische Kone-Konzern zusammen mit einem Private-Equity-Partner rund 15 Mrd.Euro, Analysten sehen den Wert bei bis zu 17 Mrd. Euro. ThyssenKrupp bringt derzeit acht Mrd. Euro auf die Börsenwaage, auch nach Abzug der Verbindlichkeiten erscheint die Aktie daher nach unten gut abgesichert.

Allerdings ist derzeit noch offen, wann der Verkauf abgeschlossen ist und Geld fließen wird. Erst kürzlich ist der Schweizer Lift- und Rolltreppenhersteller Schindler aus dem Bieterrennen ausgestiegen. Der langjährige CEO- und Verwaltungsratsmitglied Alfred Schindler rechnet mit zähen Kartellrechtsstreitigkeiten, die Prozesse "würden drei bis fünf Jahre dauern", der harte Preiskrieg "wesentlich länger". Auf der anderen Seite steht ThyssenKrupp unter Zeitdruck, mit dem Geld aus dem Verkauf müssen die anderen Sparten fit gemacht werden. Ein Verkauf an Private Equity-Unternehmen könnte schneller in trockenen Tüchern sein.

Nicht gerade förderlich sind die grundsätzlich durchwachsenen Perspektiven für die Weltwirtschaft. Nur wenn der Handelsstreit beigelegt wird und die USA keine Strafzölle auf Autoimporte aus Europa erlassen, könnte der Trend in der Automobilindustrie wieder drehen. Ob dies aber auch Stahlpreiserhöhungen nach sich zieht, ist fraglich. Weitere Effizienzmaßnahmen oder auch Abspaltungen bleiben ein Thema.

Ausbruch möglich, wenn...


Technisch steht die Aktie vor einem Bündel an Barrieren. Zwischen 13,70 bis 14,40 Euro verläuft eine breite Verkaufszone, die übergeordnete Trendeinschätzung ist unverändert abwärts gerichtet. Vorerst sollte auch die Rückeroberung der 200-Tage-Linie nicht überbewertet werden, der Durchschnitt zeigt Richtung Süden. Erst wenn die Aktie auch oberhalb von 14,50 Euro gekauft wird, könnte eine Bodenbildungsphase abgeschlossen sein. Ziel wäre dann die Region um 16,50/17 Euro. Dafür müsste aber eine Lösung für die Aufzugssparte vorliegen. Sonst droht zügig ein Rückfall Richtung zwölf oder elf Euro.

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse.

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