Ein technischer Crash an den Anleihemärkten, explodierende US-Staatsverschuldung – und dann aus dem Nichts: der GENIUS Act. Trumps Stablecoin-Gesetz soll nicht nur digitale Dollars zähmen, sondern Billionen in US-Staatsanleihen lenken. Ist das die Lösung für Amerikas Schuldenproblem – oder der Auftakt zu einem monetären Machtspiel, das das globale Finanzsystem neu schreibt?
Crash oder Kurzschluss?
Was war das für ein Tag an den Anleihemärkten: Verzögerte Auktionen, weiße Bloomberg-Screens, Stillstand bei der Kursversorgung. Was als technisches Problem begann, entwickelte sich binnen Stunden zu einem Symptom tieferliegender Verwerfungen am Rentenmarkt. Der Bloomberg-Terminal, Rückgrat globaler Anleihehändler, versagte am Mittwoch europaweit. Kursanzeigen blieben leer, Auktionen in Großbritannien, Schweden und Portugal wurden verschoben. Ein Ausnahmezustand – doch war es wirklich nur ein IT-Ausfall? Oder eher das sichtbare Zeichen einer Marktordnung, die ins Wanken gerät?
Zeitgleich kletterte die Rendite 30-jähriger US-Treasuries über die Marke von 5,1 Prozent – ein Niveau, das zuletzt im Oktober 2023 erreicht wurde. Anleger stellen die vermeintliche Sicherheit von US-Staatsanleihen zunehmend infrage. Der Grund: Donald Trumps zweite Amtszeit bringt fiskalischen Sprengstoff.
Ein Steuerpaket spaltet die Märkte
Am Donnerstagmorgen verabschiedete das Repräsentantenhaus Trumps „One Big, Beautiful Bill“ – mit der knappstmöglichen Mehrheit von 215 zu 214 Stimmen. Die mehr als 1.000 Seiten starke Vorlage senkt Steuern, streicht Sozialleistungen und erhöht gleichzeitig die Staatsausgaben, insbesondere im Bereich Verteidigung und Grenzschutz. Dabei ist die Steuerreform des Ex-Präsidenten nicht weniger als eine fiskalpolitische Revolution: massive Steuersenkungen für Einkommen, Trinkgelder und Overtime, gekoppelt mit Kürzungen bei Gesundheitsprogrammen, Sozialhilfe und grünen Subventionen. Die Rechnung? Über 3,3 Billionen Dollar zusätzliches Defizit binnen eines Jahrzehnts. Die Staatsverschuldung soll laut Experten auf historische 125 % des BIP klettern.Kritiker sprechen von der größten Umverteilung zugunsten der Reichen seit Jahrzehnten.
Die Reaktion folgte Tage davor: Ratingagentur Moody’s entzog den USA vor wenigen Tagen das Top-Rating AAA, der Dollar geriet unter Druck.
Trump selbst nennt es „die bedeutendste Gesetzgebung in der Geschichte des Landes“. Für die Märkte ist es vor allem eines: ein Belastungstest für das Vertrauen in US-Staatsfinanzen.
Die große Rotation: Anleger suchen Alternativen
Die große Umschichtung läuft längst. Laut Bob Michele, Fixed-Income-Chef bei JPMorgan Asset Management, prüfen institutionelle Anleger ihre Gewichtung im US-Dollar. Europäische und asiatische Bonds – insbesondere Italiens und Spaniens – gewinnen an Attraktivität. Die US-Treasury, lange das Rückgrat globaler Portfolios, steht unter Beobachtung. Vincent Mortier von Amundi bringt es auf den Punkt: „Die USA sind nicht länger das alleinige Synonym für Sicherheit.“
Krypto-Katalysator: Der GENIUS Act kommt
Doch Trump wäre nicht Trump, hätte er nicht schon das passende „Gegengewicht“ im Köcher: den GENIUS Act ! Trumps Vorzeigeprojekt zur Stablecoin-Regulierung, wurde im Senat mit breiter Mehrheit zur Debatte zugelassen. Das Gesetz, offiziell „Guiding and Establishing National Innovation for US Stablecoins“, sieht erstmals umfassende Regeln für digital gedeckte Dollar vor. Es ist eine Krypto-Regulierung, die Stablecoins gesetzlich verankern und sie verpflichtend mit US-Staatsanleihen unterlegen will. Die Idee: ein digitaler Dollar, gedeckt durch reale Schuldtitel – und damit ein neuer, milliardenschwerer Nachfragekanal für Treasuries. Ein riskantes Manöver, das Kritiker als monetäre Trickserei mit Krypto-Tarnung bezeichnen – und Befürworter als brillante Liquiditätsmaschine für Amerikas Schuldenproblem.
Stablecoins sollen künftig voll durch liquide Vermögenswerte gedeckt sein – idealerweise durch US-Staatsanleihen. Emittenten benötigen Zulassung, unterliegen regelmäßiger Prüfung, algorithmische Konstrukte werden stark beschränkt.
Stablecoins als monetärer Hebel
David Sacks, Trumps Chefberater für Krypto, skizziert das Ziel unmissverständlich: „Wenn Stablecoins verlässlich mit US-Bonds gedeckt sind, entsteht sofort Nachfrage im Billionenbereich.“ Derzeit liegt das weltweite Transaktionsvolumen bereits bei 28 Billionen Dollar jährlich – Tendenz steigend. Der GENIUS Act könnte somit nicht nur regulatorische Klarheit bringen, sondern zugleich die Nachfrage nach US-Schuldtiteln strukturell verankern.
Kritik aus dem demokratischen Lager
Nicht jeder sieht darin Fortschritt. Elizabeth Warren und Mark Warner werfen dem Trump-Lager vor, über Stablecoins eine Parallelwirtschaft zugunsten der eigenen Krypto-Ventures aufzubauen. Tatsächlich hat Trumps Umfeld zuletzt mehrere Token-Projekte sowie einen Stablecoin namens USD1 ins Leben gerufen – mit rasch wachsendem Marktwert.
Doch auch Kritiker wie Warner erkennen die Notwendigkeit, die Token-Ökonomie zu gestalten, bevor andere – namentlich China – mit digitalen Alternativen Tatsachen schaffen.
Systemwandel in Echtzeit
Die Kombination aus technologischem Blackout, fiskalischem Kontrollverlust und digitalem Regelwerk markiert einen Epochenbruch: Das Vertrauen in die traditionelle Rolle der USA als sicherer Hafen bröckelt. Gleichzeitig entstehen neue Pfeiler: Stablecoins, gedeckt mit Treasuries, könnten künftig helfen, genau jenes System zu stützen, das sie einst herausforderten.
Ist das also ein Masterplan – oder monetäre Magie auf dem Pulverfass?
Der GENIUS Act, das neue Steuergesetz und die Reaktion der Märkte zeigen: Die USA stehen an einem finanzpolitischen Wendepunkt. Und Trump setzt alles auf eine Karte.
Der GENIUS Act ist mehr als ein Krypto-Gesetz. Er ist Trumps Versuch, fiskalische Kontrolle und digitale Innovation zu verknüpfen – und damit eine neue Grundlage für die Rolle des Dollars im 21. Jahrhundert zu schaffen. Ein Versuch, der den Markt verändern könnte. Permanenter Wandel beginnt selten mit Applaus – oft aber mit einem Zinsanstieg.
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