Selbst in Tunesien ist Wasserstoff ein Riesenthema. Etwa bei Andreas Reinicke, dem Deutschen Botschafter in Tunis: "Das Land ist für den Export von Solarstrom und Wasserstoff nach Deutschland und Europa grundsätzlich sehr gut geeignet", sagt Reinicke beim Besuch der deutschen Entwicklungsbank KfW in der Landeshauptstadt Tunis. Da wäre etwa die hohe Sonneneinstrahlung in dem trockenen Wüstenstaat. Daraus lässt sich Solarenergie gewinnen, die zur Hydrolyse, der Trennung von Wasser in Wasser- und Sauerstoff, verwendet werden kann. Zum anderen ist kein afrikanisches Land näher dran an Zentraleuropa. Ein Flug von Frankfurt nach Tunis dauert zwei Stunden. Verbindungen unter dem Meer gibt es auch schon: Eine Gaspipeline bringt Erdgas nach Italien. Sie könnte künftig auch Wasserstoff transportieren.

Noch ist das Zukunftsmusik. Tunesien müsste im großen Stil Wind- und Solarkraftwerke bauen, die günstigen grünen Strom erzeugen. Bisher wandelt erst ein Großkraftwerk im Land die Sonne über dem Wüstensand in Strom um. Erdgas sichert über 95 Prozent des heimischen Bedarfs. Zu klären wäre auch, wo das Wasser für den Wasserstoff in der Trockenregion herkommen soll. Eine Möglichkeit wäre die Entsalzung von Meerwasser. "Das ist technisch grundsätzlich machbar", sagt KfW-Chef Günther Bräunig. Die Förderbank finanziert eine Entsalzungsanlage auf der tunesischen Insel Djerba. "Und zwar auch so, dass sowohl die Tunesier als auch die Europäer von der klimafreundlichen Energie profitieren." Nur dauern werde das. Und Milliardeninvestitionen erfordern.

Die sauberen Energien hätten überdies das Potenzial, den Staatshaushalt zu sanieren. Der teure Öl- und Gasimport aus dem Nachbarland Algerien verhagelt den Tunesiern die Leistungsbilanz. Nachhaltige Entwicklung sei für das Land deshalb enorm wichtig, findet Notenbankchef Marouane Abassi.

Misstrauen unter Nachbarn


Das Land ist reich an Potenzialen, die bisher nicht ausgeschöpft sind. "Nordafrika zählt zu den Regionen, die global am wenigsten integriert sind", sagt Abassi. Die Nachbarn Algerien, Ägypten und Marokko hegen gegenseitig Misstrauen und wollen keine Kooperation, ganz zu schweigen vom Bürgerkriegsland Libyen. "Wir würden durch eine stärkere Zusammenarbeit mit den anderen Staaten Nordafrikas unsere Wirtschaftsleistung um mehrere Prozentpunkte steigern können", hofft Abassi.

Der richtige Weg ist jedoch bereits seit dem Arabischen Frühling 2011 eingeschlagen. Damals brachten Proteste den Diktator Ben Ali nach 24 Jahren zu Fall. Das sorgte zwar auch für einen Einbruch der Wachstumsraten der Wirtschaft von über vier auf nur noch gut ein Prozent. Doch die Demokratie fasst zusehends Fuß, wirtschaftliche Erholung ist in Sicht. Der Tourismussektor belebt sich. Für 2020 erwartet der Internationale Währungsfonds ein Plus der Wirtschaftsleistung von 2,4 Prozent. Und in zwei Jahren könnte die Vier-Prozent-Marke wieder in Sicht kommen.

Eine große Chance ist die Nähe zu Europa. Das Land bietet sich für die EU als Brückenkopf nach Afrika an. Verglichen mit vielen Nachbarn hat das kleinste Land der Region zudem eine gut ausgebildete Bevölkerung. Die Regierung fördert Start-ups, um das Wissen in Wirtschaftskraft zu wandeln. Das verarbeitende Gewerbe wie die aeronautische Zulieferindustrie ist gefragt. Airbus etwa lässt hier produzieren. Auch die Pharmazie ist auf Wachstumskurs. ­Tunesien bietet ein gut ausgebautes ­Gesundheitssystem, das auch vom ­Gesundheitstourismus profitiert.

Aussichtsreicher Frontiermarkt


Europas Finanzbranche hat schon länger ein Auge auf Tunesien geworfen. So unterhält die Oddo Seydler Bank ihre Research-Abteilung in Tunis. Slim Tounsi hat für Oddo jahrelang die globale Öl- und Chemiebranche beobachtet. Heute arbeitet er für das tunesische Büro der KfW. "Bis zum Arabischen Frühling war auch das internationale Interesse an der Börse von Tunis hoch", erinnert er sich. Das Land galt Investoren als aussichtsreicher Frontier-Markt. Doch mit den Unruhen zogen sie sich ­zurück. Die heimische Börse und ihre etwa 70 Werte brachen ein.

Allmählich kehren die Anleger zurück. Nach einem Hoch Mitte 2018 notiert der Tunindex seit 24 Monaten auf beinahe stabilem Niveau. Banken, Versicherungen und die Industrie prägen den Markt. "Es gibt spannende Werte mit stabilem Wachstum, zum Beispiel die Brauerei SFBT", sagt Tounsi. Der Getränkekonzern schenkt das Bier Celtia aus, das sich im weltlichen Tunesien zunehmender Beliebtheit erfreut. Umsatz und Gewinne wachsen kontinuierlich. In den vergangenen zwei Jahren gewannen die Papiere über 50 Prozent.

Es gibt zwar immer wieder Gespräche zwischen den Börsen in Tunis sowie Paris und London über eine Kooperation, bisher aber haben diese nicht zu einer Einbeziehung tunesischer Aktien an ­europäischen Handelsplätzen geführt. Deshalb können Privatanleger nur über Broker Papiere aus Tunesien handeln.

Wichtig wäre es, dass die Regierung der Börse die Möglichkeit geben würde, sich den internationalen Kapitalmärkten zu öffnen, findet Karim Trad, Gründer von Africinvest, einem Initiator von Beteiligungsfonds in Afrika. Die regionalen Finanzströme flössen eher in den Festzinsbereich. "In lokaler Währung liegen die Zinsen in Tunesien bei zwölf bis 13 Prozent", berichtet er. Da hat es die Börse schwer. Mittelständische Unternehmen könnten hier kaum Wachstumskapital gewinnen.

Das übernehmen Fonds wie Tuninvest, an dem auch die KfW und andere Entwicklungsbanken beteiligt sind. Der Fonds investiert in aussichtsreiche mittelständische Firmen wie die Manufaktur für Edelbackwaren Gourmandise aus Tunis. Der von Frauen geführte Spezialist für arabische Törtchen aus Nüssen und Pistazien wächst seit Jahren. Mit dem Anstieg der Konsumfreudigkeit und der Rückkehr der Touristen sollte das so weitergehen. Africinvest-Chef Trad will die Firma in drei Jahren an die Börse führen. Vielleicht dürfen bis ­dahin auch deutsche Anleger auf den Geschmack kommen.

Investor-Info

SNAM
Netzbetreiber
Will Deutschland Wasserstoff aus Tunesien, muss dieser von Afrika durch das Mittelmeer und dann durch das Netz der italienischen SNAM nach Zentraleuropa strömen. Das wird zwar vorerst keinen unmittelbaren Einfluss auf die Gewinne des Gaspipeline-Unternehmens haben, zeigt aber: Der Traum von der neuen Wasserstoffwelt braucht künftig die Gasnetze. Das bietet dem Titel ein spannendes Potenzial. Die Italiener überzeugen mit soliden Erträgen und einer Dividendenrendite von über fünf Prozent. Bodenbildung abwarten.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 4,50 Euro
Stoppkurs: 2,80 Euro

Tunesische Staatsanleihe
Zinszahler


Moody’s bewertet Tunesiens Bonität mit "B2" im spekulativen Non-Investment-Grade. Die Euro-Staatsanleihen haben hohe Mindest­anlagesummen. Risikobereite Privatanleger greifen eher zum US-Dollar-Bond mit 1000er-­Stückelung, der an deutschen Börsen aber selten gehandelt wird. Breit in Staats- und Unternehmens­anleihen aus Grenzmärkten legt der Aber­deen Standard Frontier Markets Bond Fund (ISIN: LU 172 589 561 6) an, der binnen eines Jahres drei Prozent brachte.

Magna Mena Fund
Zukunftsmärkte


Wer Aktien aus Nahost und Nordafrika kaufen will, kann dies mithilfe des Magna Mena Fund machen, der binnen fünf Jahren im Schnitt eine Rendite von drei Prozent per annum erzielte. Tunesien zählt indes nicht zu den Ländern mit großem Gewicht im Portfolio. Saudi-­Arabien mit 38 Prozent sowie die Vereinigten Arabischen Emirate mit 30 Prozent haben die größten Anteile. Der Fonds ist erste Wahl für diese Anlageregion, dennoch nur eine Bei­mischung im breit aufgestellten Depot.