"Die Aktionärin Obotritia Capital KGaA, vertreten durch den persönlich haftenden Gesellschafter Rolf Elgeti, die an der Francotyp-Postalia Holding AG mit rd. 20,71% beteiligt ist, hat dem Vorstand schriftlich mitgeteilt, dass sie die Einberufung einer außerordentlichen Hauptversammlung verlangt." Einziger Tagesordnungpunkt soll der Entzug des Vertrauens für Vorstandschef Rüdiger Günther sein.

Der Vorgang an sich ist ungewöhnlich. Noch ungewöhnlicher ist, dass der Aufsichtsrat seinem Vorstandschef nicht eine Ehrenerklärung gibt. Stimmte er dem Eindruck des aktivistischen Elegeti zu, hätte er schon längst handeln, das heißt Günther abberufen müssen. Hält er Günther dagegen nach wie vor für den richtigen, müsste er sich hinter ihn stellen, zumal niemand weiß, was Elgeti dem gut beleumundeten Günther, der jahrelang den Landmaschinenhersteller Claas führte, Finanzvorstand beim DAX-Unternehmen Infineon und bei Jenoptik war, eigentlich vorwirft. Auf die Frage des manager magazins antwortete der Ex-Chef und Miteigentümer der TAG Immobilien: "Wir glauben, im Interesse der Aktionäre zu handeln. Zu den Details haben wir die relevanten Gremien der Gesellschaft informiert und werden dazu natürlich auch detailliert und substantiiert auf der Hauptversammlung vortragen."

Elgeti wird zu einer Zeit gegen den Vorstand aktiv, wo die Geschäfte gut laufen. Nach neun Monaten konnte das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (EBITDA), bereinigt um positive Währungseffekte und Aufwendungen für das Restrukturierungsprogramm "JUMP", um 19,9% auf 22,0 Millionen Euro gesteigert werden. Dementsprechend wurde auch die Gesamtjahresprognose bestätigt, wonach das Unternehmen bei leicht über dem Vorjahresniveau (205 Mio. Euro) liegenden Umsätzen mit einer starken Verbesserung der Ertragslage rechnet. Zudem wurde am Mittwoch die Übernahme des Geschäftsbetriebs der HEFTER Systemform GmbH, einem kleineren Wettbewerber aus Prien am Chiemsee, bekanntgegeben. Mit der Akquisition werde bereits in diesem Geschäftsjahr nicht nur der Umsatz, sondern auch das Ergebnis gestärkt. Der Aktienkurs quittierte das mit einem Sprung auf 3,78 Euro.

Offensichtlich geht es bei dem Verlangen nach einer a.o. Hauptversammlung nicht um Fehlleistungen des Vorstands, die einen Vertrauensentzug rechtfertigen würden, sondern um etwas anderes. Elgeti könnte beispielsweise eine Zerschlagung des Unternehmens planen, wobei ihm Günther, dem von Gewerkschaften und Betriebsräten ein fairer Umgang mit den Arbeitnehmern bescheinigt wird, im Weg steht. Das könnte auch eine Erklärung für die ausbleibende Ehrenerklärung durch den Aufsichtsrat sein. Aufsichtsratschef Klaus Röhrig, dem ungefähr 9,5 Prozent des Unternehmens gehören und der auf der letzten Hauptversammlung selbst heftigen Angriffen ausgesetzt war und von Elgeti nicht entlastet wurde, könnte sich die Option offenhalten wollen, nun mit dem Gegner zusammenzuspannen. Das allerdings wäre eine riskante Strategie; denn juristisch wäre ein sogenannten "Acting in Concert" durchaus problematisch. Aktionäre, die zusammen agieren und dabei mehr als 30 Prozent der Aktien eines Unternehmens halten, sind verpflichtet, den übrigen Aktionären ein Übernahmeangebot zu unterbreiten. Die BaFIn dürfte sich das ganz genau anschauen. Auch das Schweigen der übrigen Aufsichtsräte ist heikel, weil sie nach dem Aktiengesetz einzig dem Wohl der Gesellschaft verpflichtet sind und sich nicht von einem einzelnen Aktionär instrumentalisieren lassen dürfen.

Wie auch immer dieser Krimi weitergeht: Aktionäre sollten auf jeden Fall investiert bleiben. Ein Übernahmeangebot dürfte sicherlich über dem aktuellen Kurs von knapp 3,80 Euro liegen. Und auch bei Ausbleiben eines Übernahmeangebots scheint das Investment abgesichert. Günther, der Francotyp-Postaliaseit Anfang 2016 führt und noch einen Vertrag bis Ende 2022 hat, steht für den von ihm entwickelten Transformationsplan. Obwohl der Weltmarkt für Frankiermaschinen strukturell schrumpft, hat er den Berliner Mittelständler wieder zurück auf einen Wachstumskurs geführt. Erzielte das Unternehmen 2018 noch einen Unsatz von etwas über 200 Mio. Euro, werden es in diesem Jahr inklusive der Akquisition rund 240 Mio. sein. Angesichts der Ebitda-Spanne von gut 17 Prozent versteht man, warum Elgeti angesichts einer Marktkapitalisierung von 61 Mio. Euro Appetit auf das Unternehmen bekommen hat.