Zudem machten die bestehenden Kunden weniger Gebrauch von dem Kurznachrichtendienst. Das schürte am Dienstagabend im nachbörslichen Handel die Sorge, dass Twitter entgegen den hohen Erwartungen vor dem Börsengang im November 2013 eher ein Nischen-Anbieter bleiben könnte: Die Twitter-Aktie brach um zehn Prozent ein. Schon im Januar waren viele Investoren ausgestiegen.

Twitter gab einen Anstieg der Nutzer-Zahl um sechs Prozent auf 255 Millionen bekannt. Die für Börsianer enttäuschende Zahl fand am Markt stärkere Beachtung als der Umsatz, der sich mit 250 Millionen Dollar mehr als verdoppelte. Der Verlust verfünffachte sich jedoch fast und lag bei 132 Millionen Dollar.

Experten waren zuletzt durchaus davon ausgegangen, dass Twitter sich zu einer Branchengröße wie Facebook entwickeln könnte. Das hatte den Börsenwert im Dezember bis auf 46 Milliarden Dollar getrieben, bei einem Umsatz von gerade einmal 665 Millionen Dollar im Jahr 2013. Ab Februar ging es für die Aktie steil bergab, sie verlor rund 40 Prozent an Wert. Im Mai läuft bei vielen Aktionären eine Haltefrist aus. Dann könnten bis zu 489 Millionen Twitter-Aktien verkauft werden - 83 Prozent der ausstehenden Papiere.

"UNREALISTISCH UND WIRKLICHKEITSFREMD"

Facebook hatte dagegen zuletzt seine Kundenzahl auf knapp 1,3 Milliarden und den Umsatz um rund 70 Prozent auf 2,5 Milliarden Dollar gesteigert. Zwar eint beide Unternehmen, dass sie nach ihrem Börsengang zuerst in schwieriges Fahrwasser kamen. Während Facebook allerdings der Platzhirsch bei den Internet-Netzwerken geworden ist, kämpft Twitter nun um Größe. Dass der "Zwitscher"-Dienst einmal eine ähnliche Stellung erreichen könne, sei "unrealistisch und wirklichkeitsfremd", sagte Brian Wieser, Branchenexperte beim Analysehaus Pivotal Research. "Twitter ist und bleibt ein Nischenanbieter, wenn auch ein starker."

Twitter-Chef Dick Costolo verwies darauf, dass Tweets von den Oscars im März mehr als drei Milliarden Mal gelesen worden seien. Twitter gehöre bereits zum normalen Leben. Die Herausforderung bestehe nun darin, Nutzer zu überzeugen, sich noch öfter einzuloggen.

Reuters

Einschätzung der Redaktion

Bei Twitter dürfte die Talfahrt heute in den USA ungebremst weitergehen. Bereits gestern Abend kam das Papier nach Veröffentlichung desaströser Zahlen übel unter die Räder. Nachbörslich brach die Aktie um elf Prozent ein.

Zwar waren Umsatz und Ergebnis je Aktie im ersten Quartal Ok. Aber die Entwicklung der Nutzerzahlen sorgt für Unruhe unter Analysten. Im jüngsten Quartal brachte es der Kurznachrichtendienst weltweit zwar auf 255 Millionen aktive Nutzer nach 241 Millionen im Quartal zuvor. Aber Analysten hatten auf 257 Millionen gesetzt.

Was Investoren vor allem beunruhigt, ist die nachlassende Wachtumsdyynamik. Während sich beim Kurznachrichtendienst WhatsApp pro Monat derzeit rund 50 Million neue Nutzer anmelden, reicht es bei Twitter zuletzt gerade noch für rund 14 Millionen neue Nutzer - im Quartal. Und während Twitter im esten Quartal 2012 noch eine Verdopplung seiner Nutzerzahlen geschafft hatte, lag das Wachstum zuletzt bei überschaubaren sechs Prozent.

Angesichts dessen fragen sich inzwischen daher immer mehr Beobachter, ob der Kurznachrichtendienst auf Dauer tatsächlich das Zeug zum Massenphänomen hat und damit die weiterhin abenteuerlichen Bewertungen rechtfertigt. Oder ob Twitter langfristig doch eher ein Nischenangebot für Tech-Freaks bleibt.

Wir haben Investoren seit dem IPO im vergangenen November von der Aktie abgeraten. Dabei bleiben wir. Finger weg.

Thomas Schmidtutz