Alain, der französische Medienriese Vivendi hat in den vergangenen Monaten ein dickes Aktienpaket an Ubisoft eingesammelt. Viele Beobachter sehen darin die Vorboten einer feindlichen Übernahmeattacke. Ubisoft will aber unabhängig bleiben. Wie aufregend sind diese Monate für Sie?
Alain Corre: Wir haben in den vergangenen Monaten sehr erfolgreich neue Spiele am Markt eingeführt. Far Cry Primal ist ein Hit. Und mit der Premiere unseres neuen Rollenspiel-Shooters The Division haben wir alleine in der Startwoche Anfang März 330 Millionen US-Dollar Umsatz eingefahren. Damit ist der Titel der erfolgreichste Launch einer neuen Reihe in der Geschichte der Videospiele-Branche. Schon daran sehen Sie: Wir sind erfolgreich als unabhängiges Unternehmen und wollen das auch bleiben.
Aber der Kampf gegen Vivendi bindet Ressourcen. Haben Sie keine Angst, dass Sie angesichts der Vivendi-Attacke vom Tagesgeschäft abgelenkt werden könnten?
Faktisch ändert das nichts an unserer Strategie oder an unserem Tagesgeschäft. Wir sind darauf fokussiert, die mittel- bis langfristige Strategie umzusetzen, die wir zuletzt an Investoren und Kunden kommuniziert haben. Das bedeutet: Stetig neue top AAA-Titel mit einem starken Digital-Geschäft zu liefern. Und wir sind zuversichtlich, dass wir diesen erfolgreichen Weg weiter gehen können. Wir sehen da auch für die Zukunft noch ganz viel Potenzial.

Das tut Vivendi offenbar auch. Inzwischen hält der Konzern 15,7 Prozent an Ubisoft sowie weitere knapp 30 Prozent an Gameloft, das wie Ubisoft von den Guillemot-Brüdern gegründet wurde. Und Vivendi schwimmt im Geld. Aktuell hat der Konzern rund 6,4 Milliarden Euro auf der hohen Kante. Für Gameloft hat Vivendi bereits ein feindliches Übernahmeangebot abgegeben. Wie beunruhigt sind Sie, dass es Ihnen wie Gameloft gehen könnte?
Wir sind im Kreativ-Geschäft. Unsere Kreativteams sind unser größtes Kapital. Sie müssen die Agilität und die Freiheit haben, Risiken einzugehen und ihre Ideen umzusetzen. So bleiben sie innovativ und sind dem ständigen technologischen Wandel und den immer neuen Plattformzyklen gewachsen, die unsere Industrie bestimmen. Ubisoft hat 30 Jahre Erfahrung in dieser Industrie. Wir wissen, wie wir unseren Teams dabei helfen, erfolgreich zu sein. Die Vergangenheit zeigt, dass große Medienkonglomerate ohne Erfahrung in unserem Metier nicht erfolgreich sein können. Natürlich können sie eine feindliche Übernahmeattacke starten. Aber sie riskieren dabei, die besten Köpfe zu verschrecken. Feindliche Übernahmen funktionieren nur sehr selten in der Kreativindustrie.

Vivendi-Chef Vincent Bolloré gilt als beinhart und hat reichlich Erfahrung mit feindlichen Attacken. In der Vergangenheit hat er sich meist einen Minderheitsanteil an einem potenziellen Übernahmeziel gesichert und dann Sitze im Aufsichtsrat übernommen. Hat er auch bei Ihnen schon angefragt?
Wir hatten keinen Kontakt mit Vivendi bezüglich ihrer Absichten vor dem Investment. Das Unternehmen hat uns auch nie (explizit seine Motive oder Ziele erklärt. In ihrer öffentlichen Erklärung redeten sie von "Synergien", aber sie haben noch nicht detailliert dargelegt, wie diese aussehen sollen - trotz unserer wiederholten Nachfrage.

Hat Herr Boloré bereits nach einem Sitz im Ubisoft-Aufsichtsrat gefragt?
Meines Wissens nach Nein.

Sie haben unlängst auf einem Investoren-Tag in London Mittelfrist-Ziele veröffentlicht. Danach will Ubisoft den Umsatz bis 2019 um rund 60 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro erhöhen, das operative Ergebnis soll verdreifacht werden, die operative Marge verdoppelt. In der schnelllebigen Videospielebranche sind Dreijahres-Planungen eher ungewöhnlich. Was macht Sie so zuversichtlich?
Das Beispiel The Division zeigt, dass wir ein Unternehmen sind, das kreativ ist und völlig neue, hochklassige Spiele entwickelt. Wir sind dazu in der Lage, weil wir frühzeitig Markttrends erkennen und uns darauf einstellen. Denken Sie nur an offene Spielwelten: Wir haben schon vor ein paar Jahren darauf gesetzt, dass Open World die Zukunft in unserer Branche sein wird. Das zahlt sich nun aus. Diese Innovationskraft und die Bereitschaft, sich neuen Trends zu öffnen, ist Teil unserer DNA. So wollen wir weiter machen. Wir glauben, dass die beste Basis für diese Entwicklung unsere Unabhängigkeit ist. Davon haben alle etwas: Die Fans, die Mitarbeiter und die Aktionäre.

Aber die Ziele sind durchaus ambitioniert. Was macht Sie zuversichtlich, dass sie am Ende auch liefern können?
Wir sehen unsere Zukunft im Highend-Konsolen- und PC-Markt. Dieses Segment wächst ungebrochen. Gleichzeitig wächst der Anteil der AAA-Titel am Gesamt-Markt. Wir sind ein AAA-Anbieter und haben mehrere AAA-Titel in der Entwicklung. Gleichzeitig wollen wir die Lebensdauer unserer Spiele über den Ausbau unseres Digital-Angebots mit handfesten Post-Launch Plänen erhöhen. Wir können auch neue Käuferschichten erschließen und die Reichweite unserer Marken erweitern, indem wir sie zu einem Teil anderer Entertainmentformen werden lassen wie etwa Filme, TV und sogar Vergnügungsparks. Wir kooperieren bereits mit den Größen des Business, um dies für Marken wie Assassin’s Creed und Rabbids umzusetzen, aber da wird noch mehr kommen. Wir waren unter den ersten Firmen, die in Videospielen das Potenzial sahen, globale Entertainmentmarken zu werden. Marken, die weit über Games hinausgehen. All das sollte auf der Umsatz-Seite positiv zu Buche schlagen. Da gibt es also noch viel Potenzial.

Auf Seite 2: Einschätzung der Redaktion





Einschätzung der Redaktion



Ubisoft gilt als eines der kreativsten und innovativsten Videospiele-Unternehmen der Branche. Beispiel Open World: Die Franzosen haben schon auf offene Spielelandschaften gesetzt, als viele Wettbewerber das Thema noch gar nicht erkannt haben. Das zahlt sich nun aus. Mit dem Shooter The Division hat das Unternehmen gerade den erfolgreichsten Launch einer neuen Spielereihe in der Branchengeschichte hingelegt.

Das ungewöhnlich gute Gespür für Trends lockt aber auch ungebetene Fans an. Der französische Medienkonzern Vivendi hat offenbar sein Herz für Ubisoft entdeckt und arbeitet an einer feindlichen Übernahme. Im Ubisoft-Hauptquartier in Montreuil bei Paris kommt das gar nicht gut an. Erbittert kämpft das Unternehmen um seine Unabhängigkeit. Einfach wird das nicht. Vivendi hat 6,4 Milliarden Euro auf der hohen Kante. Da wäre Ubisoft ein Schnapper.

Es stimmt schon: Kreativ-Unternehmen leben vom Einfallsreichtum ihrer Köpfe. Ein breitbeiniger und linkischer Medienriese könnte da viel kaputt machen. Die Gefahr ist gerade bei Vivendi nicht von der Hand zu weisen. Vivendi hat vor Jahren schon die Mehrheit am Branchenprimus Activision gehalten. Doch statt der Kraft kreativer Zerstörung setzten die Kalifornier unter Vivendi-Boss Vincent Bolloré humorfrei auf ihre Hauptmarke Call of Duty. Dieses Phantasie-Los könnte nun auch Ubisoft drohen.

Ubisoft präsentiert demnächst die Zahlen zum vierten Quartal. Die dürften richtig gut ausfallen und den Kurs weiter treiben. Aktionäre dürften die Entwicklung derzeit dennoch eher mit gemischten Gefühlen sehen. So lange Vivendi Appetit auf Ubisoft hat, ist die zuletzt stark gefragte Ubisoft-Aktie nach unten gut abgesichert. Besinnt sich Bolloré jedoch unversehens eines Besseren, wäre ein Kurs-Rückschlag wohl kaum zu vermeiden.

Charttechnisch sieht derzeit aber alles gut aus. Fällt die Marke von 28 Euro, könnte die Aktie Kurs Richtung Allzeithoch bei 35 Euro nehmen. Wir bleiben bei unserem Votum. Kaufen. Nächstes Kursziel: 32 Euro.