In Deutschland ist die Aktionärsquote so gering wie in kaum einer anderen Industrienation. Während etwa jeder zweite Amerikaner Aktionär ist, hat nur jeder sechste Deutsche Firmenanteile in seinem Depot. Doch weshalb haben die Deutschen keinen Bock auf Aktien? Dem ist die Frankfurt School of Finance mit Hilfe einer breit angelegten Umfrage unter Aktienmuffeln und Aktionären auf die Spur gegangen.

Laut der von Yougov durchgeführten Online-Umfrage gibt es zwei Hauptgründe für die Abneigung der Deutschen gegen Aktien: Der erste ist Angst. Innerhalb der Gruppe der Befragten, die keine Aktien besitzen, gaben 67 Prozent an, das liege an "Angst vor Verlusten durch eine ökonomische Katastrophe". Der zweite Grund ist "fehlendes Wissen", wie . 65 Prozent erklärten.

Viele Deutsche halten Aktien für Zockerei


Dass dieses fehlende Wissen abschreckend wirken kann, beweisen die Antworten der Detailfragen in der Studie. Demnach sehen vor allem die Nicht-Aktionäre die Geldanlage mit Aktien als kurzfristige Zockerei. Am häufigsten wurde die Aktienanlage von Nicht-Aktionären spontan mit dem Begriff "Risiko" in Verbindung gebracht. Die Wirkung von systematischen Maßnahmen zur Risikosenkungen wie eine breite Streuung in viele Aktien oder einen langen Anlagezeitraum wurden hingegen drastisch unterschätzt. So hielten nur 41 Prozent breit streuende Fonds richtigerweise für weniger riskant als den Kauf einer einzelnen Aktie. Nur acht Prozent der Nicht-Aktionäre kannten den Begriff ETF. Diese Produkte werden Privatanlegern von vielen Wissenschaftlern zur Geldanlage empfohlen, weil man mit ihnen zu niedrigen Kosten in Indizes investieren, die teils über tausend Aktien aus verschiedenen Branchen und Teilen der Welt beinhalten. Und die Wahrscheinlichkeit, mit einem Investment in den DAX nach zehn Jahren Verluste statt Gewinne einzufahren, schätzten die Studienteilnehmer auf fast 30 Prozent - historisch gesehen sind es jedoch nur fünf Prozent, nach 13 Jahren sinkt sie statistisch sogar auf Null, weshalb ein langer Zeitraum ganz unabhängig von Ein- und Ausstiegszeitpunkt ein enorm wichtiger Aspekt bei der Geldanlage ist. An den Begriff "Langfristig" assoziierten allerdings nur ein Prozent der befragten Nicht-Aktionäre spontan mit Aktien.

Viele glauben, Ein- und Ausstiegspunkte erraten zu müssen


Dementgegen gaben die meisten Nicht-Aktionäre (61 Prozent) bei der Frage, worüber man bei Investments in Aktien besonders gut informiert sein sollte, das "Wissen um den optimalen Kauf-/Verkaufszeitpunkt an." - obwohl man diesen optimalen Kauf- und Verkaufszeitpunkt immer erst hinterher erkennen kann. Auch wirtschaftliche Kenntnisse und Einblicke in Geschäftszahlen von Unternehmen wurden als wichtig erachtet, obwohl man sie beispielsweise bei Investments in Fonds oder ETF kaum braucht. "Die Mehrheit der Nicht-Aktienbesitzenden scheint falsche Vorstellungen davon zu haben, welches Wissen für eine Teilnahme am Aktienmarkt zwingend erforderlich ist", heißt es deshalb in der Studie. "Viele wissen nicht, dass man vieles nicht wissen muss", so Michael Grote, Mitautor der Studie und Professor für Corporate Finance an der Frankfurt School.

"Deutschland ist eine der reichsten Volkswirtschaften der Welt. Dennoch investieren die Deutschen in einem sehr geringen Ausmaß in Aktien. Sie verschenken damit mittel- und langfristig Rendite. Nach wie vor sind die Deutschen äußerst risikoscheu. Eine gezielte Aufklärung über die tatsächlichen Risiken und Chancen einer Anlage in Aktien wäre sicher hilfreich", erklärt Michael Grote. Selbst Aktionäre hätten den Stellenwert von Risikostreuung und langem Anlagehorizont unterschätzt, notwenige Finanzkenntnisse und Risiken hingegen überschätzt. Dennoch sind auch die Antworten der befragten Aktionäre sehr spannend. Von ihnen gaben 61 Prozent an, der Aktienbesitz verursache bei ihnen ein "gutes Gefühl". Und obwohl neun Prozent von ihnen mit Aktien spontan den Begriff "Risiko" assoziierten, war die meistgenannte Antwort mit immerhin zehn Prozent "Gewinne".