Demnach sind Tests verpflichtend vorgeschrieben, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz über einen Wert von 35 steigt. Für Genesene und Geimpfte gilt die Testpflicht nicht. Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, sowie Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren bekommen die Tests weiterhin vom Staat bezahlt. Bundeskanzlerin Angela Merkel betonte nach Ende der Beratungen die Bedeutung des Impfens. "Wir müssen dafür werben, dass geimpft wird", sagte Merkel, "weil es einfach ein Schutz für uns alle ist".

Mittlerweile gebe es für jeden ein Impfangebot, begründete Merkel das Ende der kostenlosen Bürgertests. Einen erneuten harten Lockdown in Deutschland schloss sie aus. Solange die Impfstoffe auch gegen die Delta-Variante des Coronavirus wirkten, könnten Geimpften Grundrechte nicht einfach entzogen werden, sagte Merkel. In dem Beschluss heißt es, dass die vorhandenen Impfstoffe auch gegen die sehr ansteckende Delta-Variante des Coronavirus "eine hohe Wirksamkeit" aufwiesen. Geimpfte und Genesene würden deshalb "von bundes- oder landesrechtlichen Regelungen, die Testauflagen vorsehen, ausgenommen". Auch eine Quarantänepflicht für diese Personengruppen ist demnach nicht mehr erforderlich, selbst wenn sie aus einem Hochrisikogebiet wieder nach Deutschland einreisen.

Für den Aufenthalt in öffentlichen Innenräumen ist für nicht Geimpfte ein negativer Test erforderlich, wenn die Inzidenz in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt bei über 35 liegt. Dies soll etwa für den Zugang zu Krankenhäusern gelten, aber auch zur Innengastronomie sowie Sport- und Freizeitveranstaltungen und Friseure. Zugleich sollen "Basisschutzmaßnahmen" wie etwa das Tragen einer Maske im öffentlichen Nahverkehr oder dem Einzelhandel aufrechterhalten bleiben.

Die "epidemische Lage von nationaler Tragweite" soll nach dem Willen von Bund und Ländern über den 11. September hinaus um weitere drei Monate fortgeschrieben werden. Beschließen muss dies der Bundestag. Die Pandemie sei wegen der Delta-Variante noch nicht vorbei und auch "beim Impfen sind wir nicht da, wo wir hinmüssen", begründete Merkel die Entscheidung. Als Ziel nannte sie eine Impfquote von deutlich mehr als 70 Prozent bis hin zur Marke von 80 Prozent. Derzeit sind in Deutschland nach Angaben der Bundesregierung 55,1 Prozent vollständig und 62,5 Prozent einmal geimpft. Die "epidemische Lage" ermöglicht es der Bundesregierung, am Parlament vorbei per Verordnungen zu regieren.

"PANDEMIE DER UNGEIMPFTEN"


Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) warb für mehr Impfungen und warnte vor einer "Pandemie der Ungeimpften". Er appellierte, das Impfangebot anzunehmen und betonte: "Wenn nicht ausreichend geimpft wird, besteht immer die Gefahr von Mutationen." Einen weiteren Lockdown werde es nicht geben. Dies sei verfassungsrechtlich nicht möglich, sagte Söder mit Blick auf Geimpfte und Genesene. Das Impfen sei das leichteste Mittel, die Freiheit zurückzugewinnen. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) mahnte ebenso: "Impfen, impfen, impfen ist nach wie vor das Gebot der Stunde." Wer sich nicht impfen lasse, gefährde sich und andere. Mit Tests sei zwar viel möglich. Es gebe aber höhere Inzidenzen bei Ungeimpften. Bei den 15- bis 25-Jährigen liege sie in Berlin beispielsweise bei etwa 100.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet schloss einen erneuten Lockdown aus. Dies sei das Ziel, sagte er nach den Beratungen. Er wertete es zudem als Durchbruch, dass erstmals in einem Dokument der Konferenz nicht mehr nur die Inzidenz als Indikator zur Bewertung der Pandemie erwähnt werde. Auch die Belegung von Krankenhäusern und die Impfquote müssten eine Rolle spielen.

FDP-Chef Christian Lindner hält die Entscheidung über kostenpflichtige Corona-Tests für verfrüht. Es müsse zwar demnächst in diese Richtung gehen, aber abhängig vom Pandemiegeschehen und dem Impffortschritt, sagte Lindner in Berlin. Es wäre nichts gewonnen, wenn junge Leute am Ende im privaten Bereich feierten statt in Clubs mit Hygienekonzept und Testpflicht.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete für Dienstag 2480 neue Positiv-Tests. Das sind 714 mehr als am Dienstag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 23,5 von 23,1 am Vortag. 19 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Damit erhöhte sich die Zahl der gemeldeten Todesfälle binnen 24 Stunden auf 91.803. Insgesamt fielen in Deutschland bislang mehr als 3,79 Millionen Corona-Tests positiv aus.

rtr