Mit großen Plänen ist die Spielvereinigung Unterhaching vor fast zwei Jahren an der Börse gestartet. Der Aufstieg in die 2. Bundesliga bis 2022 war nicht nur sportliches Ziel von Präsident Manfred Schwabl, sondern sollte dem Verein auch lukrative TV-Einnahmen bringen - und Fantasie in die Aktie. Doch stattdessen hat sich der Kurs halbiert. Die Corona-Krise sorgt für Zuschauerschwund, der Klub schreibt tiefrote Zahlen und kämpft um den Klassenerhalt in der 3. Liga. Schwabl muss die Geschäftspolitik neu ausrichten und sucht neue Partner. Eine "schwarze Null" will er dabei im Blick behalten. Den deutschen Profifußball sieht Schwabl in einer schweren Krise. "Corona hat viele Probleme, die die Vereine davor schon hatten, schonungslos ans Licht gebracht."

€uro am Sonntag: Herr Schwabl, rechnen Sie eigentlich noch damit, dass Sie die Saison zu Ende spielen können?

Manfred Schwabl: Ja, davon gehe ich fest aus. Derzeit gibt es auch keine Anzeichen, dass die Saison abgebrochen werden könnte. Am Ende entscheiden das aber die Infektionszahlen und die Politik - nicht wir.

Werden Sie in dieser Saison noch mal Zuschauer im Stadion haben?

Nein, das glaube ich ganz ehrlich nicht. Am Ende bin ich aber weder Politiker noch Virologe und kann bei diesem Thema dementsprechend nur mein Gefühl sprechen lassen. Wünschen würden wir uns alle natürlich wieder Fans im Stadion. Man merkt aktuell schon, dass ein elementarer Teil eines Fußballspiels fehlt.

Wie sehr trifft Sie das?

Emotional und finanziell fehlen die Fans in den Stadien natürlich schon sehr. Ich denke auch, dass künftig die Sponsorengelder zurückgehen werden. Als Unternehmen kann ich ja schlecht auf das Trikot eines Fußballvereins gehen und gleichzeitig meine Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken. Die großen Veränderungen werden in ein bis zwei Jahren extrem sichtbar werden.

Welche Entwicklungen sehen Sie denn im Profifußball?

Corona hat viele Probleme, die die Vereine davor schon hatten, jetzt schonungslos ans Tageslicht gebracht. Das Hauptproblem besteht darin, dass viel zu hohe Gehälter an durchschnittliche Spieler gezahlt werden, die zudem dann auch noch den eigenen Nachwuchsspielern den Platz wegnehmen und somit auch deren Entwicklung behindern. Diese Talente würden aber für die Vereine auch einen erheblichen wirtschaftlichen Wert darstellen.

Um sie dann in schwierigen Zeiten wie jetzt an andere Vereine zu verkaufen?

Aus diesem Grund muss ich doch auch Top-Talente in Pflichtspielen auf den Platz bringen, um dann für höherklassige Vereine interessante Spieler zu haben. Genau deswegen werden wir zukünftig noch mehr Talente aus dem eigenen Nachwuchsleistungszentrum in den Kader der Profis einbauen. Hier ist die Vorgabe der Vereinsführung mittelfristig eine Quote von 80 Prozent - auch wenn wir in der Vergangenheit schon die höchsten Transfererlöse in der 3. Liga hatten. Wir konnten Karim Adeyemi für über drei Millionen Euro und aktuell Nico Mantl für ebenfalls eine siebenstellige Summe an Red Bull Salzburg verkaufen.

Klingt nach einer Erfolgsgeschichte …

… zeigt aber das nächste große Problem. Deutsche Vereine haben für solche Top-Talente anscheinend keine Verwendung. Das Ergebnis sieht man derzeit in den Leistungen der deutschen U-Nationalmannschaften sowie der A-Nationalmannschaft. Abgesehen davon sind die Transfers von Adeyemi und Mantl schon eine Bestätigung für unsere exzellente Jugendarbeit.

Viele Vereine stehen finanziell mit dem Rücken zur Wand. Wie groß schätzen Sie die Insolvenzgefahr im deutschen Profifußball ein?

Ein paar Beispiele diesbezüglich gab es ja schon. Ich denke, dass sich die Quote mittelfristig noch erhöhen wird.

Fußballvereine sind auch Unternehmen und Arbeitgeber. Sollen Sie notfalls vom Staat gerettet werden?

Der Staat hat doch nicht die Aufgabe, Profi-Fußballvereine zu retten. Da stehen derzeit weitaus größere Probleme in der Gesellschaft an. Wir sind aber froh, dass wir von der Politik die Möglichkeit bekommen, überhaupt spielen und unserer Arbeit nachgehen zu dürfen. Ich finde, man sollte vielmehr das Hauptaugenmerk auf den Jugend- und Breitensport legen. Es ist körperlich und psychisch doch extrem wichtig, dass sich unsere Kinder bewegen können und soziale Kontakte haben.

Zum Unternehmen Unterhaching. Sie haben für das vergangene Geschäftsjahr einen Verlust von sechs Millionen Euro vermelden müssen. Können Sie schon Prognose für das laufende Jahr geben?

Durch den kürzlich bereits vollzogenen Transfer von Nico Mantl und den Verkauf von weiteren Aktienpaketen werden die Zahlen sicherlich positiver sein. Eine schwarze Null unterhalb der DFL-Ligen zu schaffen, wird mittelfristig schon eine sehr große Herausforderung werden, die wir aber im Verein mit Energie und Leidenschaft annehmen wollen.

Planen Sie derzeit weitere Spielerverkäufe?

Dieses Thema haben wir in der Vergangenheit noch nie ausgeschlossen. Das hängt auch immer vom Interesse und den Angeboten anderer Klubs ab. Keiner unserer Spieler, egal ob Profi oder Top-Talent aus dem eigenen Nachwuchs, hat eine Ausstiegsklausel. Wir können also gelassen abwarten, was da auf uns zukommt.

Wo müssen Sie den Rotstift ansetzen?

Der Hauptposten sind die Personalkosten der Profiabteilung. Da wird es eine deutliche Reduzierung geben. Im Gegensatz dazu werden wir die Investitionen in unser Nachwuchsleistungszentrum aber weiter erhöhen.

Ohne neue Investoren könnte es auch für Unterhaching eng werden. Wie läuft die Suche?

Es laufen ständig Gespräche mit privaten Investoren. Wir suchen aber speziell Interessenten, die die Haching-Aktie nicht als Spekulationsobjekt sehen, sondern die mittel- und langfristig an unseren Weg glauben. Kürzlich haben wir mit diesem Blickwinkel ein schönes Paket verkauft.

Ist die Börsennotiz in der Krise ein Vorteil, um an frisches Geld zu kommen?

Das kann man von verschiedenen Perspektiven aus sehen und dann bewerten.

Unterhaching hat beim Börsengang im Juni 2019 den Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga bis 2022 als Ziel ausgegeben, verbunden mit der Perspektive, die TV-Einnahmen kräftig zu steigern. Halten Sie an diesem Ziel überhaupt noch fest?

Wir haben das Ziel 2. Bundesliga natürlich nicht aus den Augen verloren. Aber aufgrund der Erkenntnisse aus Corona und den damit festgelegten temporären Kursanpassungen sehen wir dieses Ziel jetzt eher mittelfristig. Grundsätzlich ist es aber von enormer Bedeutung, dass die 2. Bundesliga nicht das einzige Allheilmittel für uns ist, um wirtschaftlich im Profifußball zu überleben. Alles auf diese Karte zu setzen, wäre grob fahrlässig. Gerade deswegen fokussieren wir uns, wie bereits erwähnt, auf die weitere Professionalisierung unseres Nachwuchsleistungszentrums.

Momentan stehen Sie als Drittligist auf dem letzten Tabellenplatz. Welche wirtschaftlichen Folgen hätte ein Abstieg für Unterhaching?

Die Einnahmen würden definitiv nach unten gehen, die Ausgaben aber auch. Insgesamt nimmt sich das finanziell nicht so viel. Dennoch werden wir selbstverständlich alles dafür tun, in der 3. Liga zu bleiben. Sollte es uns aber heuer doch treffen, muss der sofortige Wiederaufstieg mit aller Macht das absolute Ziel sein.
 


Präsident

Manfred Schwabl

Der gebürtige Holzkirchener und gelernte Großhandelskaufmann war in den 80er- und 90er Jahren Profifußballer, spielte beim FC Bayern, beim 1. FC Nürnberg und beim TSV 1860 München. Schwabl lieferte auch vier Spiele für die deutsche Nationalelf ab. Der heute 54-Jährige ist seit 2012 Präsident der Spielvereinigung Unterhaching. Dort ist er zugleich größter Einzelaktionär.

 


Unternehmen

Unterhaching an der Börse

Seit 2019 ist die Spielvereinigung Unterhaching neben Borussia Dortmund der zweite börsennotierte Fußballklub in Deutschland. Der Börsengang sollte die finanzielle Basis für den Wiederaufstieg in die 2. Bundesliga legen. Derzeit droht dem Verein, der 1999 sogar ein kurzes Erstliga-Gastspiel gab, nach einer Serie von Niederlagen der Abstieg in die Regionalliga.