Eine der kürzesten Pressekonferenzen nach einer Zinssitzung der EZB verdeutlicht bereits, dass Spekulationen über eine verfrühte Drosselung des Anleiheaufkaufprogramms - das sogenannte Tapering - hinfällig sind. Man gab diesem Thema einfach keinen zeitlichen Rahmen. Auch im geldpolitischen Rat sei eine Drosselung der Anleiheaufkäufe kein Thema gewesen. Taubenhaft wirkten auch die Aussagen von EZB-Präsident Draghi, wonach ein zukünftiger Anstieg der Inflation vor allem auf Basiseffekte bei steigenden Energiepreisen zurückzuführen und der Wachstumsausblick weiterhin mit Abwärtsrisiken behaftet ist.

Ohnehin verdeutlichen die Inflationserwartungen, dass die EZB ihrem Inflationsziel trotz massiver Liquiditätsausweitung bislang nicht wirklich näher gekommen ist. Da Inflation die Schlüsselgröße der EZB ist, besteht insofern überhaupt kein geldpolitisch restriktiver Handlungsbedarf.



Die EZB unterbindet jede Diskussion, die an den Finanz- und Realmärkten nachhaltig schlafende Hunde wecken könnte. Ein Tapering der EZB ist Wunschdenken. Stabilitätspolitisch ist es zwar wünschenswert, doch hat es keine Chancen auf Umsetzung. Die Devisenmärkte gehen davon aus, dass die EZB auch zukünftig im Vergleich zur US-Notenbank eine offensivere Liquiditätspolitik betreiben wird. Nicht umsonst neigt der Euro gegenüber US-Dollar zur Schwäche.





Sicher, die EZB hat keine Ausweitung ihrer Liquiditätsoffensive beschlossen. Die EZB will sich jedoch vor der US-Präsidentenwahl am 8. November und dem Verfassungsreferendum in Italien am 4. Dezember zurückhalten. Vor diesen Ereignissen will man nicht unnötig geldpolitisches Pulver verschießen.

Auf ihrer Jahresend-Sitzung am 8. Dezember mit dann aktualisierten - verhaltenen - Konjunkturprojektionen bis 2019 dürfte die EZB allerdings Anleiheaufkäufe über März 2017 hinaus beschließen. Zu diesem Zeitpunkt liegen auch die vollständigen Ergebnisse der von ihr einberufenen Arbeitsgruppe vor, die die bisherige Politik des Quantitative Easing und ihre auch schädlichen Nebenwirkungen beurteilen soll.

Nicht zuletzt soll diese Gruppe einschätzen, welche Konsequenzen diese Liquiditätsausweitung hat. Denn bei Verlängerung des Anleiheaufkaufprogramms unter Beibehaltung der bisherigen Aufkaufrestriktionen stehen spätestens im Juni 2017 Schätzungen zufolge keine deutschen Staatspapiere mehr zum Ankauf zur Verfügung.

Zur Lockerung der Kaufrestriktionen - und damit zur Ausweitung der Liquiditätsversorgung - ist zu erwarten, dass die EZB auch Anleihen mit Renditen unterhalb des Einlagenzinses von minus 0,4 Prozent erwerben wird. Denkbar wäre auch, Staatsanleihen nicht mehr nach Gewichtung der Euro-Länder am Grundkapital der EZB aufzukaufen, sondern nach Marktvolumen. Davon würde vor allem das wirtschaftlich angeschlagene Italien mit dem größten Anleihenmarkt der Eurozone profitieren. Zudem könnte sie beschließen, anstatt wie bisher 33 zukünftig bis zu 50 Prozent des Volumens einzelner Staatsanleihen aufzukaufen. Auf diese Weise könnte die EZB dem Knappheitsproblem beim Anleihekauf zumindest bis Frühjahr 2018 entgehen.





Gold bleibt ein wichtiger Vermögensbaustein



Trotz der Vielzahl an Krisen hat Gold seit Anfang Oktober spürbar nachgegeben. Insbesondere die Fed sorgt mit Zinserhöhungsrhetorik und einem damit festeren US-Dollar für Gegenwind beim Goldpreis, der sich aus Absicherungsgründen gegensätzlich zum US-Dollar bewegt.



Vor diesem Hintergrund haben sich insbesondere spekulativ getriebene Anleger vom Terminmarkt zurückgezogen, was in dem abruptesten Abbau der Netto-Long Positionen seit 10 Jahren zum Ausdruck gekommen ist. Damit haben sich Anleger die massiven Buchgewinne seit Jahresbeginn gesichert. Nach diesem reinigenden Gewitter dürfte der Verkaufsdruck am Terminmarkt jedoch nachlassen.





Denn im Gegensatz zu kurzfristigen Spekulanten an den Terminmärkten halten langfristig orientierte Investoren Gold nach wie vor die Treue. Sie erachten die Preisrücksetzer der vergangenen Wochen vielmehr als günstige Gelegenheit, physisch weiter zuzukaufen. In der Tat steigen die von börsengehandelten Fonds weltweit gehaltenen Goldbestände weiter an.



Grundsätzlich bleiben die fundamentalen Aussichten für Gold günstig. So rechnet der World Gold Council in den kommenden Monaten mit einer anziehenden Nachfrage in Asien. Zudem profitiert Gold als sicherer Hafen von der insgesamt vorsichtigen Anlegerstimmung, die durch die weltweiten geopolitischen Konflikte sowie die Eurosklerose genährt werden.

Auch der Renditenotstand bei Zinsvermögen als größter konkurrierender Anlageform zu Edelmetallen - die Umlaufrendite deutscher Staatsanleihen ist z.B. negativ - ist ein Argument für sich wieder stabilisierende Goldpreise. Entsprechend dürfte sich die seit Jahresbeginn zu beobachtende Outperformance von Gold gegenüber den weltweiten Renten- als auch Aktienmärkten - gemessen am JPMorgan Global Bond Index bzw. MSCI World Index - im Trend fortsetzen. Nur zu Rohstoffen hat Gold seine Besserentwicklung zuletzt aufgrund der kurzfristigen Befestigung der Rohölpreise abgegeben.



Allerdings werden die Notenbanken weiterhin verhindern, dass Gold auch nur die Nähe der Höchststände von 2011 erreicht. Denn bei der Rettung der Finanzwelt mit "Geld" kann man eine Ersatzwährung "Gold" nicht gebrauchen.



Aktuelle Marktlage und Anlegerstimmung - Krisen werden zunehmend abgearbeitet



Die Unsicherheitsfaktoren - US-Wahl, Zinserhöhung der Fed im Dezember, Chinas Konjunktur, Referendum in Italien, das bei Ablehnung zu Neuwahlen in Italien mit unsicherem Ausgang führen kann, Gefahr eines "Hard Brexit" - sind sicherlich nicht zu leugnen. Laut einer Umfrage unter Fondsmanagern - laut Fund Manager Survey von Bank of Amerika/Merrill Lynch - befindet sich die globale Kassenhaltung großer institutioneller Investoren auf dem höchsten Stand seit dem Brexit-Votum im Juni, ein Hoch, das früher nur nach den Terroranschlägen von 9/11 und der Lehman-Pleite erreicht wurde. Da die Aktienrisiken jedoch zunehmend an Bedeutung verlieren, fließen die Finanzmittel zunehmend in die Aktienmärkte zurück und sprechen für eine Jahresend-Rallye.

Denn in puncto US-Wahlen scheint Hillary Clinton kaum noch einholbar zu sein. Nach der dritten TV-Debatte scheint Trump selbst nicht mehr an seinen Wahlsieg zu glauben. Er betreibt bereits moralische Schadenbegrenzung: Er ist sich noch unschlüssig, ob er das Wahlergebnis am 8. November akzeptieren wird. Die Devisenmärkte gehen von einer Niederlage Trumps aus. Mit steigenden Umfragewerten von Clinton erholt sich der mexikanische Peso gegenüber dem US-Dollar.





Für europäische und speziell deutsche Aktien wäre ein Sieg Clintons positiv. Die von Trump propagierte Einschränkung des Freihandels zugunsten amerikanischer Interessen würde das Exportaktienland Deutschland naturgemäß beeinträchtigen.

Selbst die US-Notenbank wird den Anlegern keine großen Sorgen bereiten. Zwar befürworten neun der 12 regionalen Fed-Gouverneure mittlerweile eine Zinserhöhung im Dezember. Mit Rücksicht auf eine ansonsten exporthemmende US-Dollar-Aufwertung und ein laut Konjunkturbericht der US-Notenbank (Beige Book) ohnehin nur "mäßigem bis moderatem" US-Wachstum bei ebenfalls nur "mäßigem" Arbeitsmarkt, wird der aktuelle Zinserhöhungszyklus insgesamt jedoch als der schwächste aller Zeiten in die US-Finanzgeschichte eingehen.

Zudem besänftigten die Daten zum chinesischen Wirtschaftswachstum im III. Quartal die Anlegergemüter. Ohne Zweifel kann man bei der offiziellen Wachstumsrate zum Vorjahr von 6,7 Prozent nur von grandioser Schönung ausgehen. Peking versucht, die Ängste vor einer harten Konjunkturlandung zu zerstreuen. China betreibt kurzfristige Wirtschaftsstabilisierung mit schuldenfinanzierten Konjunkturmaßnahmen bei geldpolitischer Unterstützung, um bei anschließender Stabilisierung den Übergangsprozesses von einer Export und Anlage getriebenen zu einer nachhaltigen Binnenwirtschaft nachhaltig fortzuführen.



Charttechnik DAX und S&P 500 - Abwärtstrend gebrochen



Aus charttechnischer Sicht warten im DAX auf dem Weg nach oben die nächsten Widerstände bei 10.745 und 10.801 Punkten. Schließlich trifft der Index bei 10.860 auf die nächste nennenswerte Barriere. Auf dem Weg nach unten liegen die ersten Unterstützungen bei 10.679 und bei 10.568 Punkten. Darunter liegt eine weitere Haltelinie bei 10.535 Punkten.

Im S&P 500 befinden sich auf dem Weg nach oben die nächsten Widerstände bei 2.135 und darüber bei 2.185 Punkten. Werden diese Hürden überwunden, wartet eine weitere Barrieren bei 2.194. Auf der Unterseite verlaufen erste Unterstützungen bei 2.083 und knapp darunter bei 2.079 Punkten. Schließlich gibt eine weitere Auffanglinien bei 1.972 Halt.

Der Wochenausblick für die KW 43 - Was macht der ifo?



In Japan unterstreichen erneut schwache BIP-Zahlen für das zurückliegende III. Quartal die schwache wirtschaftliche Lage und die nachhaltige Dringlichkeit umfangreicher fiskalpolitischer Maßnahmen.

In den USA ist die Wirtschaft im III. Quartal zwar wieder etwas stärker gewachsen. Doch die Auftragseingänge langlebiger Güter haben im September stagniert und die Eintrübung des vom Conference Board veröffentlichten Verbrauchervertrauens deutet auf keinen reibungslosen US-Konsum hin.

In der Eurozone setzt sich die blutleere Konjunkturerholung gemäß Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe fort.

In Deutschland dürften sich die ifo Geschäftsklimadaten nach der überraschenden Aufhellung im Vormonat unverändert zeigen und Anleger daran erinnern, dass insbesondere die deutsche Exportindustrie weltwirtschaftlichen Gegenwind spürt. Immerhin zeigt sich die Binnenkonjunktur gemäß GfK Konsumklimaindex und Einzelhandelsumsätzen weiter robust.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG: https://www.bondboard.de/main/pages/index/p/128

Robert Halver leitet die Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank.