Es läuft richtig gut an der Börse Warschau, ganz einfach weil die Wirtschaft kräftig zulegt. Anlegen lohnt sich – via Aktien oder mit einem ETF. Von Martin Blümel.
Es wird investiert in Polen. Im großen Hafen CPK südwestlich von Warschau. 2032 soll er fertig sein mit einer Kapazität von 40 Millionen Passagieren pro Jahr — was zu einem Platz im Mittelfeld der europäischen Airports reicht. Möglich wäre aber auch ein weiterer Ausbau auf 100 Millionen, dann wäre man größer als London Heathrow und Istanbul und damit Europas größter Flughafen, vorausgesetzt die anderen wachsen nicht mit. Zukunftsmusik.
Dennoch ist klar: Polen im Sommer 2025 ist eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften Europas, dazu ein Börsenwunder — und ganz einfach ein Land im Wandel.
Starkes Wirtschaftswachstum
Mit Wachstumsprognosen von 3,2 bis 3,4 Prozent für das laufende Jahr erzielt Polen mehr als das Dreifache des Wachstums, das für die Eurozone insgesamt erwartet wird. Ein wichtiger Grund für die Dynamik sind die öffentlichen Investitionen: Unter Premier Donald Tusk baut Polen massiv die Infrastruktur aus, was nicht nur die Wirtschaft ankurbelt, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit des Landes stärkt.
Fokus auf Energiewende
Besonders im Fokus steht dabei das Stromnetz. Hier vollzieht das Land, das lange stark von Kohle geprägt war, eine strategische Wende hin zu erneuerbaren Energien. Laut Tusk sei dies ein wichtiger Faktor, „um die Strompreise langfristig zu senken und die Versorgung zu sichern“. In den kommenden zehn Jahren sollen daher umgerechnet 16,5 Milliarden Euro in den Bereich investiert werden, was Privatverbrauchern ebenso zugutekommt wie Industrie und Bau.
Wichtig ist dabei der unbedingte politische Wille: Die Investitionsquote soll bis 2030 auf 25 Prozent des Bruttoinlandsprodukts steigen und die Sparquote sich verdreifachen. Ein „nationaler Entwicklungsfonds“ soll polnisches Kapital für Investitionen bündeln und die Abhängigkeit von ausländischem Geld reduzieren. Polen will so ein klassisches Schwellenländerproblem vermeiden: Stagnation, wenn nicht ausreichend in Innovation und Kapitalbildung investiert wird.
Ein Land im Aufbruch
Weil man hier gegensteuert, bezeichnet das Wirtschaftsblatt „The Economist“ Polen als „übersehene Wirtschaftsmacht Europas“. Auch der Lebensstandard steigt rapide: Kaufkraftbereinigt nähert sich Polen inzwischen Japan an und überholt in manchen Bereichen sogar westliche Staaten.
Dazu kommt, dass die Armee größer ist als die von Frankreich, Großbritannien oder Deutschland und man daher eine immer wichtigere Rolle in der europäischen Sicherheitsarchitektur einnimmt.
Was zu einem weiteren positiven Aspekt führt: Die Entspannung im Ukraine-Konflikt und der mögliche Friedensprozess machen das Land zum bevorzugten Standort für Investoren. Schon jetzt nehmen ausländische Direktinvestitionen wieder deutlich zu — insbesondere in Zukunftsbranchen wie Energie, Technologie und Tourismus.
Boom an der Warschauer Börse
Die positive wirtschaftliche Entwicklung spiegelt sich unmittelbar am polnischen Aktienmarkt wider. Die Warschauer Börse erlebt 2025 einen Boom. Der deutliche Anstieg der Unternehmensgewinne hat zu Rekordumsätzen geführt: plus 38 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum.
Der WIG-20-Index, der die größten und liquidesten Unternehmen abbildet, hat sich seit seinem Tiefpunkt im Jahr 2022 mehr als verdoppelt, allein seit Jahresbeginn liegt das Plus bei rund 30 Prozent. Der polnische Aktienmarkt schlägt damit auch den DAX.
Neue Unternehmen und starke Blue Chips
Neue Listings wie Arlen, Diagnostyka und QNA Technology zeigen, dass Polens Aktienmarkt auch für innovative Unternehmen attraktiv ist. Diagnostyka ist ein führendes Unternehmen im Gesundheitssektor, Arlen ein Hersteller von Schutzkleidung, und QNA Technology ein Spezialist für Nanotechnologie.
Die wichtigsten Unternehmen — darunter PKO Bank Polski, Allegro, LPP und PKN Orlen — verzeichneten zuletzt starke Kursgewinne und hohe Handelsvolumina. PKN Orlen investiert massiv in erneuerbare Energien, die PKO Bank profitiert von der Zunahme der Investitionen, Allegro vom Boom im E-Commerce, und LPP als Modekonzern von der steigenden Kaufkraft.
Auch Budimex, eines der größten Bauunternehmen des Landes, ist interessant. Es ist perfekt positioniert, um nach einem möglichen Kriegsende in der Ukraine beim Wiederaufbau von Autobahnen, Schienennetzen, Brücken und Tunneln mitzuwirken.
Wachsende Aktienkultur
Auch ohne diese Sondersituation hat sich die Aktienkultur in Polen stark verbessert. Die Regierung fördert private Investitionen, etwa durch Steueranreize für Aktionäre.
Dennoch ist die Aktienquote in der Bevölkerung noch deutlich niedriger als in Westeuropa. Dafür kann sich die Börsenkapitalisierung sehen lassen: Die 402 an der Börse Warschau gelisteten Unternehmen sind zusammen gut 530 Milliarden Euro wert. Zum Vergleich: Alle in Deutschland gelisteten Unternehmen kommen auf rund 2,5 Billionen Euro.
Politische Risiken und Euro-Skeptizismus
Die aktuellen Rahmenbedingungen in Polen sind also insgesamt günstig: regulatorische Stabilität, Nähe zu den Wachstumsmärkten Osteuropas und Attraktivität für internationale Investoren.
Risiken liegen eher im politischen Bereich, vor allem wegen der Polarisierung im Land und des zunehmenden Euro-Skeptizismus, der durch die jüngsten Wahlergebnisse verstärkt wurde. Premierminister Donald Tusk und Präsident Karol Nawrocki sind sich in grundlegenden Dingen uneins. Dennoch betonen beide in ihren Reden immer wieder die Bedeutung von Stabilität und Reformen. Wenn das gelingt, dann klappt das mit den Visionen.
Hinweis: Der Artikel stammt aus der aktuellen Heftausgabe von BÖRSE ONLINE (35/25), die Sie hier finden.
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