DAS IST LOS BEI VODAFONE:

Der britische Konzern Vodafone hat sich für die kommenden Jahre so einiges vorgenommen. Auf einer kürzlich abgehaltenen Investorenversammlung war die Rede etwa von mehr Digitalangeboten oder auch vertiefter Kundenbindung, damit der durchschnittliche Umsatz pro Nutzer (Arpu) gesteigert werden kann. Letzteres will Vodafone erreichen, indem es mehrere Produkte kombiniert anbietet.

Dabei solle Vodafone zu einer "geliebten und vertrauten" Marke werden und eine bedeutsamere Rolle für die Technologie in der digitalen Gesellschaft einnehmen, hieß es bei einer Unternehmenspräsentation. Konzernchef Nick Read setzt dafür vor allem auf digitalen Kundenkontakt. Mittelfristig will er fast die Hälfte aller Neukunden auf diesem Wege gewinnen. Auf dem selben Weg will das Unternehmen fast zwei Drittel seiner Kunden stärker an sich binden.

Um Kosten für Mitarbeiter zu begrenzen, setzt das Unternehmen dabei auch auf seinen Chatbot Tobi. Stand September würden 63 Prozent der Anliegen auch ohne einen menschlichen Kundenberater gelöst, hieß es. Derzeit werde das Funktionsspektrum von Tobi zudem so erweitert, dass der Chatbot aktiv Verkäufe durchführen kann.

Mittelfristig sollen fast alle Anliegen digital gelöst werden. Insgesamt hofft der Vorstand, dass sich Kunden durch die neuen Beratungsangebote seltener mit Anliegen melden. Auf dem Weg dahin will Vodafone zudem seine Kunden dazu "erziehen", Probleme selbst zu lösen. Dieses Einsparpotenzial dürfte sich auch in der Bilanz bemerkbar machen.

Unterdessen ist Vodafone gut ins neue Jahr gestartet. Gute Roaming-Einnahmen verhalfen den Briten zu deutlichem Wachstum. Konzernweit legte der Erlös von April bis Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 5,7 Prozent auf 11,1 Milliarden Euro zu. Das Geschäftsumfeld in Europa sei zwar noch nicht zurück auf einem normalen Niveau, sagte Konzernchef Read Ende Juli. Dennoch habe Vodafone einen guten Service-Umsatz, also ohne den Verkauf von Endgeräten wie Handys und Tablets, hingelegt. Die für die Branche wichtige Kennziffer stieg konzernweit um gut drei Prozent auf 9,4 Milliarden Euro. Dabei legten alle Märkte zu, mit Ausnahme von Italien.

Für das laufende Jahr will der Vorstand ein bereinigtes operatives Ergebnis vor Leasingkosten (Ebitda AL) in Europa von 15 bis 15,4 Milliarden Euro sowie einen bereinigten Mittelzufluss (Free Cashflow) von mindestens 5,2 Milliarden Euro schaffen.

DAS MACHT DIE AKTIE (Stand Mittwoch, 20. Oktober, 18.00 Uhr):

Derzeit kostet eine Vodafone-Aktie 112 Pence - die Tendenz ist fallend. Seit Jahresbeginn ist der Wert um gut 7 Prozent geschrumpft. Ausgehend vom Vor-Corona-Niveau bei gut 150 Pence entspricht das gar einem Rückgang von gut einem Viertel. Und auch seit dem Corona-Tiefpunkt im März 2020 tut sich der Kurs schwer, den Weg wieder nach oben zu finden.

Im Gegenteil: Innerhalb der vergangenen zwei Jahre haben Investoren, die seither das Papier nicht veräußert haben, einen Wertschwund von über 30 Prozent verzeichnet. Und auch längerfristig betrachtet dürften die Aktionäre wohl kaum Gefallen am Halten von Vodafone-Aktien gefunden. Wer die Scheine seit fünf Jahren behalten hat, muss einen Rückgang von gut der Hälfte hinnehmen.

Da scheint es schon fast unwahrscheinlich, dass eine Vodafone-Aktie um die Jahrtausendwende noch mehr als 400 Pence gekostet hat. Anfang März 2000 kostete ein Schein des Telekommunikationsanbieters sogar rund 470 Pence - mehr als vier mal so viel wie heute. Die Freude war aber nicht von langer Dauer, denn in den darauf folgenden Monaten ging es bergab bis auf unter 150 Pence.

Insgesamt bringt Vodafone derzeit eine Marktkapitalisierung von knapp 31 Milliarden Pfund auf die Waage. Das ist deutlich weniger als die Deutsche Telekom (82,4 Milliarden Euro), aber mehr als die spanische Telefonica mit 21,6 Milliarden Euro. International gesehen sind alle drei deutlich kleiner als T-Mobile US (151,9 Mrd US-Dollar), AT&T (185,8 Mrd US-Dollar) oder Verizon (212,2 Mrd US-Dollar).

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Die seit September von dpa-AFX erfassten Analysten sind sich einig: Investoren können ruhig zu Vodafone-Aktien greifen, denn alle sechs Experten votieren für kaufen. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei knapp 173 Pence. Das ist knapp 60 Prozent über dem jetzigen Niveau von 110 Pence. Bis dahin hat der Kurs also noch jede Menge Luft.

Mit 150 Pence ist Jakob Bluestone von der schweizerischen Bank Credit Suisse noch am verhaltensten, wenngleich auch optimistisch. Er betonte in einer Ende September vorgelegten Studie, es gebe eine Reihe von Risiken wie etwa die schwache operative Dynamik auf dem deutschen Markt. Unklar sei, inwieweit dies coronabedingt und damit temporär sei oder inwiefern strukturelle Gründe eine Rolle spielten. Dennoch beließ er sein Votum beim Kaufen.

Die Analysten von der Privatbank Berenberg und vom US-Analysehaus Bernstein Research haben 5 Pence mehr auf dem Schirm. Bernstein-Experte Stan Noel schrieb, dass Vodafone eine "klare Strategie" verfolge und diese erfolgreich umsetze. Die Briten dürften schneller mehr umsetzen als die Konkurrenz. Zudem rechnet Noel damit, dass der Konzern seine Kostenbasis weiter optimiert. Und auch Usman Ghazi von Berenberg glaubt, dass es für Telekom-Anbieter vor allem auf dem deutschen Markt noch Wachstumspotenzial gibt.

Mit großem Abstand ist Robert Grindle von der Deutschen Bank am hoffnungsvollsten. Er rechnet damit, dass der Vodafone-Kurs es auf 230 Pence schaffen könnte. Und auch Polo Tang von UBS ist optimistischer als der Durchschnitt. So gehe Vodafone von einem starken Wachstum im Bereich Internet of Things/B2B aus und sei in Schlüsselsegmenten wie Automobil, Gesundheitswesen und Energie gut positioniert.

dpa-AFX