Nach monatelangen, harten Verhandlungen haben sich Management und Betriebsrat von Volkswagen auf einen umfassenden Umbau der Kernmarke VW geeinigt. Nach den Plänen zum "Zukunftspakt" sollen in den nächsten drei Jahren insgesamt 30.000 Stellen wegfallen, 23.000 davon in Deutschland. Der Abbau soll sozial verträglich erfolgen, also über natürliche Fluktuation oder Altersteilzeit. Gleichzeitig will der Konzern 3,5 Milliarden in neue Zukunftsfelder wie Digitalisierung und Elektromobilität investieren und dabei 9000 neue Stellen schaffen.

Netto dürfte Volkswagen damit 2020 rund 14.000 Jobs weniger haben als bisher. Weltweit beschäftigt der Konzern derzeit rund 624.000 Mitarbeiter, rund 282.000 davon in Wolfsburg, Salzgitter, Emden, Braunschweig, Kassel sowie an weiteren deutschen Standorten. Neben den Stellenstreichungen sieht die Vereinbarung auch den Abbau von Leiharbeitern vor.

Bis 2020 solle die operative Rendite auf vier Prozent steigen und damit doppelt so hoch liegen wie zuletzt, kündigte VW-Markenchef Herbert Diess am Freitag in Wolfsburg an. Volkswagen müsse "schnell wieder Geld verdienen und sich für den kommenden Sturm wappnen", sagte Diess.

Angesichts des erwarteten Siegeszugs von Elektro-Antrieben müssen die Autobauer weltweit Milliarden in die Entwicklung alternativer Antriebskonzepte stecken. Für Volkswagen wird die Lage durch den Skandal um manipulierte Abgaswerte bei Dieselmotoren noch erheblich verschärft. Experten schätzen, dass Dieselgate den Konzern insgesamt rund 30 Milliarden Euro kosten könnte. Das zehrt auch bei einem Branchen-Riesen wie Volkswagen an der Substanz.

Branchenexperten begrüßten die Umbau-Pläne. Volkswagen schaffe mit den vorgesehenen Einschnitten bei VW "wichtige Voraussetzungen" um die Kernmarke mittelfristig deutlich profitabler zu machen und die finanziellen Auswirkungen des milliarden-schweren Abgasskandals zu verkraften, sagte der Chef des Center Automotive Research (CAR) an der Uni Duisburg-Essen gegenüber BÖRSE ONLINE.

An der Börse stießen die Pläne dagegen nur auf verhaltene Zustimmung. Zum Nachmittag notierten die im Dax notierten VW-Vorzugsaktien bei 118,50 Euro und damit 0,8 Prozent im Plus.

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Einschätzung der Redaktion



Volkswagen hat heute die lange erwarteten Pläne für den Umbau seiner Kernmarke VW vorgestellt. Der ganz große Wurf war das zwar nicht, aber die Wolfsburger sind auf dem richtigen Weg. Netto dürften 14.000 Jobs wegfallen. Das ist zwar mehr als viele Beobachter erwartet haben. Aber mittelfristig dürfte auch das kaum genügen. Denn nach wie vor beschäftigt Volkswagen im Wettbewerbsvergleich zu viele Mitarbeiter - und von denen müssen offenbar gerade die gut qualifizierten Mitarbeiter nicht mal an ihre Grenzen gehen. So arbeiten etwa Ingenieure derzeit gerade 35 Stunden pro Woche. In vielen kleineren Zuliefer-Betrieben haben Entwickler dieses Pensum schon am Mittwoch drin.

Auch das konsens-orientierte Wolfsburger Modell, das Volkswagen nicht stabilisiert, sondern längst lähmt, bleibt von dem Pakt unberührt. Wie groß der Einfluss der Gewerkschaften in Wolfsburg ist, wurde heute wieder ungeniert demonstriert. Da erklärte trotz des satten Stellenabbaus allenfalls mäßig zerknirschte Betriebsratschef Bernd Osterloh, welche Standorte demnächst für was zuständig sind - und nicht VW-Manager Diess.

Auch der unheilvolle Einfluss des Landes Niedersachsen auf die Konzern-Strategie war heute exemplarisch zu besichtigen. Statt die IT-Entwicklung in einem Ballungszentrum wie München anzusiedeln, will Volkswagen die Entwickler nach Wolfsburg locken. Beseelt von seinem eigenen Erfolg in Sachen Infrastruktur träumte Niedersachsens Ministerpräsident Weil am Freitag von einem neuen "IT-Cluster" in Niedersachsen - gerade so, als ob die heiß umworbenen IT-Profis freiwillig in die niedersächsische Einöde zögen statt nach München oder Hamburg.

Für Aktionäre ist der Zukunftspakt aber dennoch ein positives Signal. VW hat den Ernst der Lage erkannt und arbeitet dran. Das ist ein Anfang.

Das Damokles-Schwert des Dieselskandals und der milliarden-schweren Klagen enttäuschter Aktionäre schweben zwar immer noch über dem Papier. Aber unterm Stricht hat sich die Lage heute zumindest ein Stück aufgehellt.

Wir bleiben bei unserer Empfehlung: Kaufen.

Stopp: 106 Euro.

Ziel: 134 Euro.