Volkswagen stehen wegen des Abgas-Skandals hohe Schadenersatzforderungen von Aktionären ins Haus. "Wir haben zahlreiche Anfragen wegen Schadenersatzklagen von Anwälten erhalten, die größere institutionelle Anleger in den USA vertreten", sagt Peter Dreier von der auf Kapitalmarktrecht spezialisierten Anwaltskanzlei Dreier Riedel. Er rechnet wie auch andere Experten mit einem jahrelangen Prozessmarathon. Seine Kanzlei sei mit anderen Fällen bereits ausgelastet und habe sich daher entschieden, die Fälle nicht anzunehmen und leite die Anfragen an andere Anwälte weiter. Im Folgenden Fakten zu Aktionärsklagen in Deutschland:

WARUM KÖNNTEN ANLEGER SCHADENERSATZ FORDERN?



Schadenersatzansprüche könnten zum einen wegen Manipulation des Marktes bestehen. Der auf Kapitalmarktrecht spezialisierte Anwalt Andreas Tilp argumentiert, VW habe bereits im Juni 2008 gegenüber einer kalifornischen Behörde falsche Angaben zu den Abgaswerten eines Jetta-Modells gemacht. Damit hätten die Manipulationen begonnen.

Zudem könnten Aktionäre Ansprüche geltend machen, falls VW seinen Informationspflichten nicht nachgekommen ist. Bereits Anfang September hatte VW gegenüber der US-Umweltbehörde EPA eingestanden, die Abgasgrenzwerte nicht einzuhalten. Die Behörde machte den Fall am 18. September öffentlich. Erst zwei Tage später gestand Volkswagen auch öffentlich in einer Pressemitteilung die Manipulation ein.

WER KANN KLAGEN?



Schadenersatz geltend machen könnten Aktionäre, die die Aktien seit dem Beginn der Abgas-Manipulationen gekauft haben und bei Bekanntwerden der Vorwürfe noch hielten. Der Abgasskandal betrifft Fahrzeuge der Modelljahre 2009 bis 2014.

WELCHEN SCHADEN KÖNNEN ANLEGER GELTEND MACHEN?

Die Höhe des Schadens errechnet sich grundsätzlich nach der Differenz des Kaufkurses und dem Kurs nach öffentlichem Bekanntwerden der Vorwürfe. "Wir gehen von einem Mindestschaden von circa 60 Euro pro Aktie aus", sagt Tilp. Am 18. September hatte die VW-Aktie noch bei mehr als 160 Euro notiert, am Mittwoch lag sie bei 98 Euro. "Fallen die Kurse der VW-Aktien weiter, so erweitert sich der eigentliche Schaden", sagt Kristin Wahlers, Expertin für Bank- und Kapitalmarktrecht beim Frankfurter Büro von FPS. Allerdings seien die Aktionäre auch verpflichtet, den Schaden gering zu halten. Wieviel Schadenersatz einem Aktionär zustehe, müsse im Einzelfall geprüft werden.

WIE HOCH SIND DIE GESAMTFORDERUNGEN?

Zum jetzigen Zeitpunkt lasse sich das Volumen der Forderungen nicht abschätzen, sind sich die Experten einig. "Die Schadensersatzforderungen allein derjenigen Mandaten, die wir vertreten, werden sich auf einen dreistelligen Millionen-Betrag belaufen", sagt Tilp. "Sie könnten auch im Milliardenbereich liegen." Ihn hätten bislang eine Reihe von institutionellen Anlegern und Dutzende Privatanleger kontaktiert. Hinzu kommen die Klagen in den USA. Deren Volumen lässt sich den Experten zufolge noch schwerer abschätzen, denn neben Schadenersatz können US-Gerichte auch noch Bußgelder ("punitive damages") verhängen.

Reuters