Noch vor Ostern könnte es so weit sein: Volkswagen will sein Lkw-Geschäft unter dem Kunstnamen Traton an die Börse bringen. Offiziell bestätigt ist der Zeitplan nicht, die Vorbereitungen aber gehen in die entscheidende Phase. Ende Januar bereits präsentierte der Vorstand Finanzanalysten in einem Londoner Eventcenter, den Tobacco Docks, fünf Stunden lang seine Pläne für das operative Geschäft von Traton.

In einem ersten Schritt, so die Erwartung, dürften bis zu 25 Prozent der Aktien auf den Markt geworfen werden. Volkswagen würde Geld in die Kasse bekommen und von späteren Kursgewinnen des Lkw-Konzerns profitieren. Der Börsengang ist der Beginn einer neuen Welle im DAX. Vor allem Unternehmen, deren Aktienkurse schwach gelaufen sind, stehen unter Druck, ihre Strukturen zu optimieren.

Thyssenkrupp hat gerade die Aufspaltung des ganzen Konzerns in ein Industriegüter- und ein Werkstoffgeschäft auf den Weg gebracht. Continental strebt einen Börsengang seiner Antriebssparte Powertrain an. Daimler wird auf der Hauptversammlung im Mai über die Aufspaltung des Konzerns in eine Holding-Gesellschaft mit drei selbstständigen Einheiten - Mercedes-Benz, Truck und Mobility - abstimmen.

Wie groß der Hebel sein kann, zeigen Zahlen zu VW: Europas größter Autokonzern hat in den ersten neun Monaten 2018 den operativen Gewinn um 2,2 Prozent auf 10,9 Milliarden Euro verbessert. Börsianer aber interessieren andere Themen. Dieselskandal, Schutzzölle, schärfere Umweltauflagen und der technologische Umbruch haben tiefe Spuren im Aktienkurs hinterlassen. Nur die Lufthansa hat im DAX ein ähnlich niedriges Kurs-Gewinn-Verhältnis wie Volkswagen.

Die Brummis könnten die Wende bringen: "Der Börsengang von Traton wird die Aufmerksamkeit wieder stärker auf das Bewertungsniveau der Volkswagen-Aktie lenken. Wenn man für Traton einen Wert von 20 bis 25 Milliarden Euro ansetzt, ist Volkswagen inklusive Traton mit aktuell rund 75 Milliarden Börsenwert ungewöhnlich billig", kalkuliert Branchenexperte Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler.

Einige Investoren meiden Konglomerate, weil diese keine klare Investmentstory bieten. Wer beispielsweise in Pharma investieren will, verzichtet womöglich auf Bayer, weil die Rheinländer die Hälfte ihres Umsatzes mit Agrarprodukten erzielen. Es gibt auch strukturelle Gründe für eine Aufspaltung: Kleine Sparten können ihr Potenzial oft nicht entfalten, weil sie sich intern im Ringen um Ressourcen nicht durchsetzen können.

Wie Analysten einen komplexen Konzern sehen, zeigt die Kurszielberechnung der Investmentbank JP Morgan für Daimler: Für jeden Konzernbereich wird ein Wert berechnet. Von der Summe werden dann aber pauschal zehn Prozent abgezogen. Im Fachjargon ist das der Konglomeratsabschlag. Auch für Daimler gilt also: Die Einzelteile sind wertvoller als das große Ganze.

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Vorbild Siemens

Fast schon Routine sind Abspaltungen für Siemens. Seit der Jahrtausendwende hat der Industrieriese drei prominente Unternehmen hervorgebracht. Seit Erstnotiz haben sich Healthineers und Osram deutlich besser entwickelt als die Mutter. Nur Infineon hat schlechter abgeschnitten, allerdings wurde die Aktie auf dem Höhepunkt des Börsenbooms der Jahrtausendwende platziert. Mittlerweile ist Infineon genau wie Siemens im DAX notiert. Dorthin hat es auch die ehemalige Bayer-Tochter Covestro geschafft. Schon länger sind mit Fresenius und FMC zwei andere direkte Verwandte im Index. Traton wird es zunächst wohl in den MDAX schaffen.

Zwei Wege führen an die Börse: Bei einem klassischen IPO werden die Aktien komplett oder teilweise an neue Investoren verkauft. Alternativ können die Aktien der Tochter über ein Spin-off gratis an die Eigentümer des Mutterkonzerns verteilt werden.

Insbesondere Spin-offs sind auffallend oft ein gutes Investment (siehe Investor-Info). Eine Erklärung: Die verstoßenen Töchter sind nicht nur bei der Mutter, sondern zunächst auch unter Investoren unbeliebt und darum beim Börsendebüt niedrig bewertet. Gedämpfte Erwartungen machen es einfacher, positiv zu überraschen.

Einige der neu entstandenen Unternehmen werden zu Übernahmekandidaten und steigen darum im Wert. Bei der ehemalige Eon-Tochter Uniper beispielsweise hat der finnische Versorger Fortum knapp die Hälfte der Aktien eingesammelt.

Ein Erfolg des Traton-Börsengangs könnte derweil Volkswagen zu einer weiteren Abspaltung ermutigen. Der attraktivste Kandidat wäre Porsche. Die Sportwagenmarke erzielt die mit Abstand höchste Marge im Konzern, im Aktienkurs von VW aber kommt das nicht voll zur Geltung. Vorbild wäre Ferrari. Seit der italienische Autokonzern Fiat die Luxusmarke im Herbst 2015 an die Börse brachte, hat sich der Wert von Ferrari mehr als verdoppelt.

Investor-Info

Spin-Offs
Allein läuft es besser

Ausgegliederte Unternehmen entwickeln sich an der Börse oft überdurchschnittlich gut. Das zeigt ein vom Datendienst Bloomberg berechneter Index, der die Kursentwicklung von 35 in den USA gelisteten Aktien abbildet, darunter die des Techkonzerns HP Enterprise und des Autokonzerns Ferrari.

Volkswagen Vz.
Niedrig bewertet

Die im DAX notierten Vorzüge sind auf dem Papier billig. Das Kurs-Gewinn-Verhältnis liegt rund 20 Prozent unter dem Median der vergangenen zehn Jahre. Etwas Skepsis ist angesichts der vielen Probleme der Branche berechtigt. Den Trend zur Elektroautos hat auch Volkswagen zunächst verschlafen, macht jetzt aber Tempo. Auch der Spin-off von Traton würde höhere Bewertungskennziffern der Aktie rechtfertigen.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 175,00 Euro
Stoppkurs: 115,00 Euro

Siemens Healthineers
Auf Wachstumskurs

Unerwartet hohe Anlaufkosten des neuen Labordiagnostik-Systems Atellica haben das Ergebnis des Medizintechnikers im ersten Quartal des Geschäftsjahres belastet. Die Diagnostiksparte verdiente operativ 24 Prozent weniger als ein Jahr zuvor. An den Jahreszielen hält der Vorstand fest. Der Umsatz soll um vier bis fünf Prozent steigen, die Marge auf bis zu 18,5 Prozent. Die Aktie bleibt ein defensiver Wachstumswert.
Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 45,00 Euro
Stoppkurs: 31,00 Euro