In der ZDF-Sendung "Markus Lanz" sagte VW-Chef Herbert Diess, die Liquidität des Konzerns schmelze jede Woche um zwei Milliarden Euro, weil die Produktion außerhalb Chinas ruhe und der Konzern kaum Einnahmen habe. Dennoch will Volkswagen in der Pandemie ohne staatliche Finanzhilfen auskommen. Dafür sei durch den Rekordgewinn des vergangenen Jahres die Basis gelegt, sagte Finanzchef Frank Witter der "Börsen-Zeitung". Zuletzt verfügte der weltgrößte Autobauer über gut 21 Milliarden Euro Nettoliquidität.

In dem von Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, Vorstandschef Herbert Diess und Betriebsratschef Bernd Osterloh unterzeichneten Schreiben hieß es mit Blick auf den Stillstand der Werke: "Es wird schwer sein und lange dauern, diese Verluste aufzuholen, viel länger als die Corona-Krise selbst dauern wird." Mit jedem weiteren Krisentag werde dies schwieriger. Angesichts der von Konjunkturforschern errechneten gesamtwirtschaftlichen Kosten dringt Volkswagen auf ein baldiges Ende des Shutdowns. Es müssten Strategien entwickelt werden, um die Wiederaufnahme der Wirtschaftstätigkeit mit dem Eindämmen der Corona-Epidemie vereinbar zu machen. Die Folgen einer längeren Krise wären sonst "dramatisch".

Volkswagen steuert dagegen, um den Mittelabfluss einzugrenzen. Projekte, die nicht erfolgskritisch seien, werden verschoben. Das werde der Konzern "einige Wochen und auch einige Monate durchstehen können, aber nicht unendlich", sagte Diess. In dieser Situation helfe das Kurzarbeitergeld in Deutschland, ähnliche Programme gebe es auch in anderen Ländern. Volkswagen schickt hierzulande rund 80.000 Mitarbeiter in den Zwangsurlaub, deren Löhne zu 60 bis 67 Prozent von der Bundesagentur für Arbeit übernommen werden.

Diess empfahl, sich bei der Bekämpfung der Virus-Krise an China zu orientieren. Dort hatte der Staat das öffentliche Leben für mehrere Wochen weitgehend lahmgelegt, um die Lungenkrankheit einzudämmen. Das Beispiel zeige: "Man kann diese Krise bewältigen und man kann danach auch wieder eine gesunde Wirtschaft haben, ohne einen großen Arbeitsplatzverlust." Eine Garantie, dass alle in Kurzarbeit gehenden Mitarbeiter danach wieder voll arbeiten könnten, könne er nicht geben.

KEINE NEUEN PLÄNE FÜR BETEILIGUNGSVERKÄUFE

Witter verwies darauf, dass der Wolfsburger Konzern über ein "erhebliches Netz" an Kreditlinien verfüge, sowie Zugang zu Geld- und Kapitalmärkten und Einlagen der VW-Bank von über 30 Milliarden Euro habe. "Wir sollten die Kraft haben, die Coronakrise mit diesen Instrumenten durchzustehen und die Liquidität auf den notwendigen Level halten." Über neue Pläne für Beteiligungsverkäufe denke VW derzeit nicht nach.

Der Finanzchef betonte, dass es in den kommenden Wochen und Monaten vor allem um die Sicherung der Liquidität gehen werde. Dazu gehöre, Auszahlungen zu reduzieren, sämtliche Programme, Investitionen, Beraterleistungen und anderes einer sehr kritischen Überprüfung zu unterziehen. "Der Einzahlungsstrom hat sich im Zuge der fehlenden Fahrzeugverkäufe stark verengt, daher müssen wir auch den Auszahlungsstrom auf das begrenzen, was aktuell wirklich wichtig ist." An der Dividendenerhöhung will Witter hingegen nicht rütteln. Der Vorschlag, den Aktionären für das Geschäftsjahr 2019 eine um 35 Prozent steigende Ausschüttung zu zahlen, sei "im Moment" angemessen.

Die Europäische Zentralbank (EZB) forderte Witter auf, zur Stabilisierung der Märkte verstärkt kurzfristige Schuldtitel von Firmen zu kaufen. In der "Financial Times" wandte er sich direkt an die Währungshüter und forderte "so bald wie möglich" klare Signale, sechs- bis neunmonatige Papiere aufzukaufen. VW habe zwar eine Reihe von Refinanzierungsquellen, doch seien nicht mehr alle so liquide wie zuvor. "Der Druck auf den eingehenden Geldfluss ist groß", betonte Witter.

Die EZB hat bereits angekündigt, kurzlaufende Unternehmensanleihen - Commercial Papers - in großem Umfang zu kaufen, um Firmen in der Krise unter die Arme zu greifen. Die Währungshüter begannen mit diesen Käufen am Donnerstag. VW hat dem Datenanbieter Refinitiv zufolge 227 Anleihen im Umlauf, die 2020 auslaufen. Davon wurden 68 innerhalb der letzten zwölf Monate ausgegeben und sind in Euro denominiert. Deren Volumen beläuft sich auf knapp 3,9 Milliarden Euro.

rtr