BÖRSE ONLINE: Herr von der Goltz, wie stehen die Aussichten für Börsengänge in Europa nach dem schwachen Start ins Jahr?
Joachim von der Goltz: Mit bisher neun Börsengängen ist das Geschäft noch ungewöhnlich dünn. Mit zahlreichen Kandidaten in Vorbereitungen erwarten wir jedoch, dass das Geschäft bis Juli deutlich anziehen wird, so dass wir 2019 hierzulande mit bis zu zehn größeren IPOs rechnen können.

Währenddessen stürmen viele milliardenschwere Debütanten, sogenannte Einhörner (engl. Unicorns) wie etwa Fahrdienstleister Uber Technologies auf das Börsenparkett an der Wall Street. Was unterscheidet diese Welle vom IPO-Boom Ende der Neunziger Jahre mit Firmen wie Amazon und Ebay?
In den USA haben sogenannte private Platzierungen und die Bewertungen der Unternehmen abseits der Börse eit 2000 deutlich zugelegt - auch weil dafür viel Kapital vorhanden ist. Große Investoren wie Pensionsfonds wollen mit Privatplatzierungen bei den Debütanten frühzeitig an Bord sein und nicht erst mit dem IPO.

Weshalb?
Sie wollen bei Unternehmen in Megatrend-Märkten schon vor deren Börsengang erhebliche Anteile erwerben um an der früheren häufig stärkeren Wachstumsphase eines Geschäftsmodels beteiligt zu sein. Das nehmen solche die Firmen gerne an und gehen später und mit höherem Umsatz an die Börse.

Was ändert das für die Zeichner des IPO eines Einhorns?
Große Umsätze bestätigen die Dominanz einer Firma in einem neuen Markt. Eine fortgeschrittene, reifere Unternehmensentwicklung mindert zugleich das operative Risiko eines Totalausfalls.

Es fällt auf, dass die Geschäftsmodelle vieler Debütanten mit mehr als einer Milliarden Dollar Börsenwert, den sogenannten Einhörnern, auf dem Internet basieren.
Während der Neunziger Jahre war das Web noch keine solide Plattform für neue Geschäftsmodelle. Einhörner passen mit ihren Businessmodellen und den entsprechenden Märkten, die vorher nicht denkbar waren, gut ins Zeitalter der Digitalisierung.

Und das erhöht den Reiz für Investoren lange vor dem Börsengang dieser Unternehmen Anteile zu erwerben?
Ja. Große institutionelle Anleger wollen in Megathemen investieren. Und weil es Internet basierte Märkte sind hat maximales Wachstum für die Unternehmen und ihre Anteilseigner oberste Priorität. Es geht darum diese neuen Märkte als Erster zu dominieren, dafür sind vor allem Wachstum und der Ausbau des Geschäfts nötig. Den Investoren ist bei solchen Investments das Unternehmenswachstum wichtiger als die Erträge der Firmen. Vor in den USA sind sie deshalb bereit Unternehmensverluste über mehrere Jahre in Kauf zu nehmen - auch nach einem Börsendebüt. In Europa wird dagegen noch vermehrt erwartet, dass ein Debütant spätestens in zwei bis drei Jahren nach dem IPO den Sprung in die schwarzen Zahlen schafft.

Sehen Sie auch hierzulande IPO-Investments in Megatrends?
Die Continental-Tochter Powertrain mit alternativen Antriebstechnologien passt gut in dieses Schema.